Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
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K a s t e n z u N r. 5 . 2 . 1
Aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts
Berlin vom 7. April 2011 – VG 2 K 39.10 –
„[…]
Bei der Interessenabwägung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG
handelt es sich um eine gerichtlich voll überprüfbare
Entscheidung, die ein Ermessen der Behörde nicht eröffnet (vgl. Schoch, IFG, § 5 Rn. 39). Aus dem Recht
auf informationelle Selbstbestimmung folgt dabei nicht,
dass die Abwägung zwangsläufig zu Lasten des Informationsinteresses ausgehen muss, wie die Beklagte
meint. Denn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht ausschließlich dem Betroffenen im
Sinne einer absoluten und uneinschränkbaren Herrschaft über seine Daten zugeordnet. Der Einzelne muss
vielmehr Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Dezember 2001 – 2 BvR 152/01 –
Juris, m. w. N.; Schoch, IFG, § 5 Rn. 10). Die Regelung
in § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG hält sich daher im Rahmen der
verfassungsrechtlich zulässigen Beschränkungen des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.
Das Informationsinteresse der Kläger ist aus nachfolgenden Erwägungen höher zu bewerten als das Interesse
der zum Abendessen eingeladenen Personen:
Ausgangspunkt der Abwägung muss der mit dem Gesetz verfolgte Zweck sein, die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu stärken und die Kontrolle
des staatlichen Handelns zu verbessern. Mit Blick auf
diesen Zweck ist das Informationsinteresse der Kläger
von erheblichem Gewicht, da sie die Verflechtungen
von Wirtschaft und Politik untersuchen und hierüber publizieren. Das Interesse der zum Abendessen eingeladenen Personen am Ausschluss des Informationszugangs
tritt demgegenüber zurück. Dies gilt zunächst grundsätzlich bei solchen Personen, die eine Information
selbst an die Öffentlichkeit tragen und sie damit offenbar nicht für schutzwürdig halten. […] Die anderen
neun eingeladenen Gäste haben sich im Verfahren nach
§ 8 IFG nicht gemeldet bzw. keine spezifischen schutzwürdigen Interessen geltend gemacht. Ihr Interesse an
der Geheimhaltung ihrer Daten kann daher nur allgemein gewürdigt werden. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sie nicht als Privatpersonen, sondern in
ihrer gesellschaftlichen Funktion als Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Unterhaltung und Sport unter ihrer jeweiligen „dienstlichen“ Adresse offiziell von der Bundeskanzlerin eingeladen worden sind. Eine solche
Einladung betrifft daher nicht die besonders geschützte
Privat- oder Intimsphäre, sondern vielmehr die weniger
geschützte Sozialsphäre (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. September 2010 – 1 BvR 1842/08,
1 BvR 2538/08, 1 BvR 6/09 – Juris – zur personenbezogenen Wortberichterstattung privater Presseorgane).“
Drucksache 17/9100
5.3
Bundespräsidialamt
5.3.1
Gilt das IFG auch für supranationale
Vorgänge?
Unterlagen zur Ratifizierung des Lissabon-Vertrages unterliegen nicht dem IFG.
Ein Petent beantragte Einsicht in die Unterlagen zur Ratifizierung des Lissabon-Vertrages. Das Bundespräsidialamt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, das IFG
sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da das
Bundespräsidialamt insoweit keine öffentlich-rechtlichen
Verwaltungsaufgaben wahrgenommen habe.
Gemäß § 1 Absatz 1 Satz 2 IFG werden auch sonstige
Bundesorgane und -einrichtungen vom IFG erfasst, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Zu diesen Stellen, für die das IFG im Einzelfall
anwendbar sein kann, zählen u. a. der Deutsche Bundestag, der Bundesrat, das Bundesverfassungsgericht, aber
auch der Bundespräsident, die Bundesgerichte und die
Bundesbank.
Die vom Petenten angefragten Informationen betrafen die
verfassungsrechtliche Prüfung vor der Unterzeichnung eines Vertragsgesetzes bzw. einer Ratifikationsurkunde gemäß Artikel 82 Absatz 1 GG. Damit handelte es sich um
die Vorbereitung eines präsidentiellen Aktes, die den
originär verfassungsrechtlichen Aufgaben des Bundespräsidialamtes zuzuordnen (vgl. Gesetzesbegründung zu § 1
IFG, Bundestagsdrucksache 15/4493, S. 8) und damit keine
„Verwaltungsaufgabe“ im Sinne des IFG ist. Die Voraussetzungen des § 1 Absatz 1 Satz 2 IFG lagen damit nicht
vor, der Informationszugang war daher nicht eröffnet.
5.3.2
Ordensverleihung und IFG
Das IFG ist auf die Unterlagen des Bundespräsidialamtes
zur Ordensvergabe nicht anwendbar.
Ein Sohn beantragte beim Bundespräsidialamt Zugang zu
der Akte über die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes
an seinen inzwischen verstorbenen Vater. Im Ordensvorgang des Bundespräsidialamtes wird der Verleihungsvorschlag mit der Würdigung von Person und Verdienst und
positivem Votum der vorschlagsberechtigten Stelle zusammengefasst.
Der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland
wird an Frauen und Männer für politische, wirtschaftlichsoziale und geistige Leistungen verliehen sowie für besondere Verdienste um die Bundesrepublik Deutschland.
Die Tätigkeit des Bundespräsidialamtes fällt entsprechend der amtlichen Begründung des IFG-Entwurfes in
der Regel nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes, insbesondere nicht die Vorbereitung präsidentieller
Akte und die vom Bundespräsidenten delegierten Akte.
Zu diesen zählen zum Beispiel die verfassungsrechtlichen
Prüfungsbefugnisse im Rahmen des Artikel 82 Absatz 1 GG bei der Ausfertigung von Gesetzen, die Ausübung des Gnadenrechts gemäß Artikel 60 Absatz 2 GG,
aber auch die Ausübung des Ordensrechts (Bundestagsdrucksache 15/4493, S. 8).
3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit