Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

– 217 –

Drucksache 14/5555
Anlage 14 (zu Nr. 6.4.1)

Entschließung der 58. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
vom 7./8. Oktober 1999 zu:
Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf Verbindungsdaten in der Telekommunikation

Die Ausbreitung moderner Telekommunikationsnetze
und die Fortentwicklung der Informationstechnologie erfolgen in großen Schritten. Dieser technische Fortschritt
hat einerseits zu einer massenhaften Nutzung der neuen
Möglichkeiten der Telekommunikation und damit zu einer grundlegenden Veränderung des Kommunikationsverhaltens der Bevölkerung geführt. Andererseits erhalten
dadurch die herkömmlichen Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs
eine neue Dimension, weil aufgrund der weitreichenden
Digitalisierung immer mehr personenbezogene Daten
elektronisch übertragen und gespeichert werden.
Die bei der Telekommunikation anfallenden Daten können mit geringem Aufwand in großem Umfang kontrolliert und ausgewertet werden. Anhand von Verbindungsdaten lässt sich nachvollziehen, wer wann mit wem
kommuniziert hat, wer welches Medium genutzt hat und
wer welchen weltanschaulichen, religiösen und sonstigen
persönlichen Interessen und Neigungen nachgeht. Bereits
auf der Ebene der bloßen Verbindungsdaten können so
Verhaltensprofile erstellt werden, die die Aussagekraft
von Inhaltsdaten erreichen oder im Einzelfall sogar übertreffen. Eine staatliche Überwachung dieser Vorgänge
greift daher tief in das Telekommunikationsgeheimnis der
Betroffenen ein und berührt auf empfindliche Weise die
Informationsfreiheit und den Schutz besonderer Vertrauensverhältnisse.
Die bisherige rechtliche Grundlage für den Zugriff der
Strafverfolgungsbehörden auf Verbindungsdaten in § 12
des Fernmeldeanlagengesetzes (FAG) stammt noch aus
einer Zeit, in der die analoge Vermittlungstechnik vorherrschte, nicht für jedes Gespräch personenbezogene

Verbindungsdaten erzeugt wurden und die Telekommunikationsdienste in wesentlich geringerem Maße als heute
genutzt wurden. Die Vorschrift erlaubt auch Zugriffe auf
Verbindungsdaten wegen unbedeutenden Straftaten, bei
denen eine inhaltliche Überwachung der Telekommunikation unzulässig wäre. Unter Berücksichtigung der Digitaltechnik, der vollständigen Datenerfassung und der
Möglichkeit zur Bildung von Verhaltensprofilen verstößt
§ 12 FAG daher gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist somit nicht mehr geeignet, Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis zu rechtfertigen.
In einem früheren Gesetzesentwurf war vorgesehen, den
Zugriff auf Verbindungsdaten grundsätzlich auf nicht
unerhebliche Straftaten zu beschränken. Beschlossen
wurde aber lediglich die unveränderte Fortgeltung des
§ 12 FAG, zuletzt befristet bis zum 31. Dezember 1999.
Nunmehr wollen der Bundesrat und die Justizministerkonferenz die Befristung für die Weitergeltung dieser Vorschrift aufheben und es damit beim bisherigen, verfassungsrechtlich bedenklichen Rechtszustand belassen.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
wenden sich entschieden gegen eine Verlängerung der
Geltungsdauer des § 12 FAG und fordern statt dessen eine
Neufassung der Eingriffsbefugnis unter Beachtung der
grundrechtlichen Bindungen und Anforderungen, die sich
aus dem von Art. 10 Grundgesetz geschützten Telekommunikationsgeheimnis ergeben.
Die gesetzliche Ermächtigung für den Zugriff auf Verbindungsdaten gehört sachlich in die Strafprozessordnung.
Die gesetzlichen Zugriffsvoraussetzungen sollten in Abstimmung mit § 100a StPO neu geregelt werden.

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