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Kasten b zu Nr. 2.1.15
Bay. VGH, Urteil vom 5. August 2015, 2 BV 15.160, Rdn. 30 - juris
„Die Besorgnis des Beklagten, die Bekanntgabe der Liste könnte zu verstärkten und nicht kontrollierbaren Angriffen und Diffamierungen gegenüber den Mitarbeitern auch in deren persönlicher Sphäre führen, ist nicht nur
fernliegend. Vielmehr zeigen entsprechende, durch Presseveröffentlichungen allgemein bekannt gewordene
Vorgänge bei Jobcentern im gesamten Bundesgebiet, dass Beschimpfungen, Drohungen und Gewalt gegen Sachen und auch Mitarbeiter bis hin zu Tötungsdelikten zum beruflichen Alltag in deutschen Jobcentern gehören
(...) “ (so der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, mit mehreren Beispielen zu Angriffen auf Mitarbeiter von
Jobcentern in den Jahren 2014/15 und weiteren Nachweisen).
Als weiteres Schutzgut des § 3 Nummer 2 sieht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Funktionsfähigkeit
der Verwaltung gefährdet. Eine für den Ausschluss des Informationszuganges hinreichende Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit sieht neben dem Bayerischen VGH auch das OVG NRW in der - mit dem Bekanntwerden der Durchwahlen der dienstlichen Rufnummern drohenden - Störung dienstlicher Abläufe (BayVGH,
a. a. O., Rdn. 33 und OVG NRW, Urteil vom 16.06.2015, Az. 8 A 2429/14, Rdn. 62 ff.). Die Jobcenter nutzen
Servicecenter, die eingehende Anrufe entgegennehmen, steuern und telefonische und andere Termine vergeben,
um den Mitarbeitern ein effektives, störungsfreies Arbeiten und dabei gerade auch konzentrierte, nicht durch
Entgegennahme oder Weiterleitung von Telefonaten gestörte Kundengespräche zu ermöglichen. Der Ablehnungsgrund des § 3 Nummer 2 IFG greife bereits dann ein, wenn die organisatorischen Vorkehrungen staatlicher Stellen zur effektiven Aufgabenerledigung gestört würden und die Arbeit der betroffenen Amtsträger beeinträchtigt bzw. erschwert werde (OVG NRW, a. a. O., Rdn. 69).
Aus meiner Sicht sprechen auch Gesichtspunkte des Datenschutzes für das störungsfreie, konzentrierte Gespräch mit dem Kunden im Jobcenter ohne gleichzeitige, telefonische Erörterung sensibler Sozialdaten mit einem weiteren Kunden.
Der weitere Verfahrensgang mit der Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes bleibt spannend.
Die Entscheidungen der - mittlerweile zahlreichen - erstinstanzlichen und der Berufungsgerichte werfen Grundsatzfragen zur Begrifflichkeit und Systematik des § 5 IFG auf, die - über die Jobcenter hinaus - für eine Vielzahl
von Bundes- und - sofern das Landesinformationsfreiheitsrecht eine ähnliche Terminologie und Systematik wie
das IFG des Bundes verwendet - auch für zahlreiche Landesbehörden relevant sind.
2.1.16 Normenkontrollverfahren zum LFGB
Mehrere Oberverwaltungsgerichte hatten § 40 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch wegen einer fehlenden
Löschungsfrist für verfassungswidrig erklärt und den Behörden Veröffentlichungen auf dieser Grundlage
einstweilen untersagt. Die Klärung der Verfassungsmäßigkeit ist nunmehr Gegenstand eines
Normenkontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht.
Das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) enthält in § 40 Absatz 1a die Befugnis der zuständigen Überwachungsbehörden, die Öffentlichkeit über schädliche Lebens- und Futtermittel zu
informieren. Das Gesetz erlaubt, das Lebens- oder Futtermittel und das Unternehmen, unter dessen Namen oder
Firma dieses hergestellt, behandelt, oder in den Verkehr gebracht wurde, zu nennen.
Nachdem eine Reihe von Verwaltungsgerichten aufgrund fehlender Löschungsvorschriften Bedenken zur Verfassungsmäßigkeit geäußert hatten, reichte das Land Niedersachsen am 21. August 2013 beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einen Normenkontrollantrag ein, um die Verfassungsmäßigkeit des § 40 Absatz 1a des
Gesetzes überprüfen zu lassen.

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