Drucksache 18/12850

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

„§ 2 BNDG enthält die Befugnis zur Verarbeitung aller Informationen, unabhängig
davon, ob diese im In- oder Ausland erhoben worden sind. Bei der Verarbeitung wird
nicht wie bei der Erhebung nach dem Ort der jeweiligen Tätigkeit differenziert. Bei
der Übermittlung sind jedoch stets die §§ 9, 10 BNDG zu beachten.“4604
Die Zeugin Christina Polzin, die von Juli 2011 bis Dezember 2014 das für das Recht der Nachrichtendienste,
den Datenschutz, G 10, Personal und Organisation zuständige4605 Referat 601 im Bundeskanzleramt leitete,
hatte gegen die Auffassung des Leitungsstabes des BND starke Bedenken.4606 Diese sei rechtlich „kaum
vertretbar“.4607 Auch wenn Daten im Ausland erfasst würden, sei die Erhebung dieser Daten erst vollendet,
wenn die erhebende Stelle von ihnen Kenntnis erlange; erst dann sei der Erhebungsvorgang technisch abgeschlossen.4608 Zudem stelle – unabhängig von der Datenerhebung im Ausland – jede weitere Verarbeitung,
insbesondere auch die Übermittlung von personenbezogenen Daten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einen grundrechtsrelevanten Eingriff in das Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes) dar, der fraglos in Deutschland
erfolge.4609 Eine schriftliche Darlegung dieser Auffassung lag dem Zeugen Günter Heiß, Leiter der Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes, am 8. August 2013 vor.4610
Auf einer Vorlage zu den Rechtsgrundlagen der Übermittlung von im Ausland gewonnenen Daten an ausländische öffentliche Stellen vermerkte die Zeugin Polzin handschriftlich:
„Rechtsmeinung wird von Ref 601 nicht mitgetragen“4611
Vor dem Ausschuss hat sie bestätigt, dass der Vermerk von ihr stamme und ihre nach wie vor bestehende
Rechtsauffassung ausdrücke.4612 Es habe zu dieser Frage eine Besprechung zwischen ihr und dem Zeugen
Heiß sowie eine weitere Besprechung zwischen ihr und den Zeugen Heiß und Schindler gegeben, in deren
Rahmen in offener Atmosphäre die Argumente für die verschiedenen Sichtweisen ausgetauscht worden
seien.4613 Aus einem Vermerk der Zeugin ergibt sich, dass die letztere Besprechung am 6. August 2013 stattfand und weiterhin der stellvertretende Leiter der Abteilung 6 teilnahm.4614 In dem Vermerk heißt es:
„AL 6 und PRäs BND bekräftigten die im beiliegenden Vermerk dargestellte Rechtsauffassung zu Punkt 1 und 2 (keine Geltung BNDG, keine personenbezogene Daten).
Ich habe mehrfach ausführlich begründet, warum diese Rechtsauffassungen m.E. nicht
vertretbar sind. Zudem habe ich darauf hingewiesen, dass es aus meiner Sicht keine
gute Beratung von ChefBK darstellt, ihm diese Argumentation vorzuschlagen (Gefahr

4604)
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4614)

Weisung des BK vom 13. Juli 1995, MAT A BND-40a, Bl. 108 (110).
Polzin, Protokoll-Nr. 72 I, S. 139.
Handschriftlicher Vermerk auf einer Bewertung des Kurzgutachtens des BND zur Weitergabe von Metadaten an AND, MAT A
BK-1/6b, Bl. 82.
Bewertung des Kurzgutachtens des BND zur Weitergabe von Metadaten an AND, MAT A BK-1/6b, Bl. 82 (83).
Bewertung des Kurzgutachtens des BND zur Weitergabe von Metadaten an AND, MAT A BK-1/6b, Bl. 82 (83).
Bewertung des Kurzgutachtens des BND zur Weitergabe von Metadaten an AND, MAT A BK-1/6b, Bl. 82 (85).
Bewertung des Kurzgutachtens des BND zur Weitergabe von Metadaten an AND, MAT A BK-1/6b, Bl. 82 (85).
Verfügung einer Leitungsvorlage des Zeugen Heiß vom 7. August 2013, MAT A BK-1/6b, Bl. 79 (VS-NfD – insoweit offen).
Polzin, Protokoll-Nr. 72 I, S. 141 f.
Polzin, Protokoll-Nr. 72 I, S. 142.
Vermerk der Zeugin Polzin vom 6. August 2013, MAT A BK-1/6b, Bl. 69.

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