Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1677 –
Drucksache 18/12850
bbb) Anforderungen an den Einsatz bewaffneter Drohnen in bewaffneten Konflikten
1)
Drohnen als verbotene Mittel der Kriegsführung? – Die Position der Bundesregierung und die Kritik in der völkerrechtlichen Literatur
Ob es sich beim Einsatz bewaffneter Drohnen an sich bereits um ein Mittel verbotener Kriegsführung handelt
oder deren Verwendung nur im konkreten Einzelfall gegen Bestimmungen des humanitären Völkerrechts
oder internationale Pakte zum Schutze der Menschenrechte verstoßen kann, darüber wird in Politik, Literatur
und vor Gerichten gestritten.
Der Leiter der Rechtsabteilung im Auswärtigen Amt, Ministerialdirektor Michael Koch, hob bei seiner Anhörung vor dem Ausschuss hervor, dass Drohnen als Waffentypus im Prinzip nicht völkerrechtswidrig seien.
Anders als Chemiewaffen, Streubomben oder Laser unterlägen sie keiner Ächtung durch die Staatengemeinschaft. Die Drohne sei keine Waffe, die „bei bestimmungsmäßigem Gebrauch regelmäßig zu völkerrechtswidrigen Ergebnissen“ führe.9007 Die Rechtmäßigkeit von Drohnenattacken sei daher immer nur im Einzelfall
zu beurteilen.
Demgegenüber wird häufig die Kritik geäußert, dass die Drohne eine enthemmende Wirkung entfalte, die
das Geschäft des Tötens zu einem Videospiel macht.9008 Hinzu komme die verwerfliche Art der asymmetrischen Kriegsführung, bei der Piloten von Drohnen keiner Lebensgefahr ausgesetzt sind.
Völkerrechtlich ist es nach Art. 36 des Protokoll I geboten, „neue Waffen oder neue Mittel oder Methoden
der Kriegsführung“ auf ihre Völkerrechtskonformität hin zu prüfen. Damit verbindet sich ein Verbot des
Einsatzes solcher Technologien, wenn festgestellt wird, dass deren „Verwendung stets oder unter bestimmten
Umständen“ durch eine „Regel des Völkerrechts verboten wäre“. Wenngleich die Drohne nicht als solche an
sich eine Waffe darstellt und die von den Drohnen aus abgefeuerten Raketen oder Präzisionsbomben völkerrechtlich zulässig sind, stellt gerade die Verbindung beider Bestandteile eine neue Dimension der Kriegsführung dar. Hauptkritikpunkt ist weiterhin, dass Drohnenangriffe erhebliche Verluste unter der unbeteiligten
Zivilbevölkerung verursachen, die im Hinblick auf das Verbot überflüssigen Leidens und unnötiger Verletzungen sowie unter dem Gesichtspunkt des Unterscheidungsgebots eine Verletzung des humanitären Völkerrechts darstellen können.9009 Der letztgenannte Grundsatz verlangt zum Schutze der Zivilbevölkerung eine
Differenzierung zwischen zulässigen militärischen Zielen und unzulässigen zivilen Personen und Objekten.
Der erstgenannte stellt jeden Einsatz unter den Vorbehalt einer Verhältnismäßigkeitsabwägung, die ausschließen soll, dass Verluste unter der Zivilbevölkerung oder die Beschädigung ziviler Objekte gegenüber
dem erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil in deutlichem Missverhältnis steht.9010
Dabei werden die Frage aufgeworfen, ob der Drohnenangriff zwangsläufig zivile Personen in der Nähe von
9007)
9008)
9009)
9010)
Dazu Michael Koch, Protokoll-Nr. 80 I, S. 31
Dazu Jahn-Koch, I./Koch, M., Bewaffnete Drohnen – Teufelszeug oder Waffen wie andere?, in Delbrück, J. u. a. (Hg.) (2014):
(Duncker & Humblot, Berlin), S. 268 ff. m.w.N.
International Court of Justice, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Gutachten vom 8.7.1996, ICJ Reports, 1996, S.
226 ff.; vgl. Robert Frau, Der Einsatz von Drohnen, Eine völkerrechtliche Betrachtung, Vereinte Nationen 3/2013, S. 99 (102).
Artikel 51 Absatz 5, lit. b) des Protokolls I.