Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– 1675 –

Drucksache 18/12850

Fragen nach der Rechtmäßigkeit der Kriegsführung mittels Drohnen und insbesondere von gezielten Tötungen fehlt. Dabei ist für die Frage nach der Verantwortung der Bundesregierung durchaus von Relevanz, ob
die im Mehrheitsbericht dargestellte Sichtweise der US-Regierung völkerrechtlich Bestand haben kann. Denn
eine Aufweichung dieser für die internationale Friedenswahrung zentralen völkerrechtlichen Frage öffnet
Tür und Tor für eine Erosion des Kriegsvölkerrechts insgesamt. So berief sich Frankreich nach den Terroranschlägen in Paris 2015 auf sein Selbstverteidigungsrecht und rechtfertigte damit das Bombardement auf
Stellungen des IS in Syrien und dem Irak, ohne dass hierzu von den jeweiligen Regierungen Einladungen
ausgesprochen wurden oder ihnen diese nicht-staatlichen Akteure als eigene Einheiten zugerechnet werden
könnten.9004 In Großbritannien wird diskutiert, ob eine Selbstverteidigung des Vereinigten Königreichs nicht
auch gegen Einzelpersonen, z.B. britische sogenannte Gefährder in Syrien ausgeübt werden dürfe, ohne dass
es sich überhaupt noch um eine nicht-staatliche bewaffnete Gruppe handeln muss.
bb)

Humanitäres Völkerrecht (ius in bello)

aaa) Allgemein
Wenn man der Bundesregierung in ihrer Auffassung folgen würde und unterstellte, dass es sich bei den Einsatzgebieten der US-Drohnenangriffe um Konfliktzonen handelt, die im völkerrechtlichen Sinne als bewaffnete Konflikte gelten können, wären jedenfalls die Anforderungen des humanitären Völkerrechts (ius in
bello) zu beachten. Dessen Ziel ist es,
„die zerstöririschen Auswirkungen militärischer Gewalt auf die unmittelbar betroffenen Personen zu mildern, menschliches Leid im Krieg soweit möglich zu vermeiden
und übermäßige Schäden an zivilen Gütern, insbesondere auch an der zivilen Infrastruktur, zu verhindern. Damit sucht es, die Sicherheit der vom Konflikt betroffenen
Menschen zu stärken und ihre grundlegenden Rechte und Menschenwürde zu schützen.“9005
Die zentrale Frage lautet dabei, ob die Drohnenangriffe diese Anforderungen, insbesondere auch den Schutz
der Menschenwürde, erfüllen.
Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass in der Regel nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann,
dass in den Einsatzgebieten bewaffneter US-Drohnen tatsächlich bewaffnete Konflikten bestehen. Vielmehr
stellt sich der gezielte Einsatz von Waffengewalt gegen Terrorverdächtige als Gefahrenabwehrmaßnahme in
Gebieten bestehender wenn auch begrenzter Staatlichkeit dar, der nach polizei- bzw. strafrechtlichen und
damit strengeren Maßstäben zu messen wäre.

9004)
9005)

Vgl. dazu Alexander Schwarz (2015): Die Terroranschläge in Frankreich – Ein Fall für das Recht auf Selbstverteidigung?, JuWissBlog vom 17. November 2015: https://www.juwiss.de/83-2015/ (abgerufen 8. Juni 2017).
Daniel Thürer, in Hans-Peter Gasser/ Nils Melzer (Hg.) (2012): Humanitäres Völkerrecht. Eine Einführung, 2. Überarb. Aufl.,
Nomos/Schulthess, Zürich, S. 22.

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