Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1673 –
Drucksache 18/12850
Terrorismus. Die Unterscheidung zwischen dem Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und Gefahrenabwehr- oder Strafverfolgungsmaßnahmen ist allerdings von zentraler Bedeutung, da im bewaffneten Konflikt das Rechtsregime des humanitären Völkerrechts anwendbar ist, der anderes Recht teilweise verdrängt. Insbesondere gelten
für gezielte Tötungen als Kriegshandlungen im humanitären Völkerrecht niedrigere
Schranken als für die Anwendung tödlicher Gewalt durch Polizei und andere zivile
Sicherheitskräfte.“8998
Vor dem Hintergrund dieser rechtlich schwierigen Bewertungslage ist der Bundesregierung vorzuwerfen,
dass sie mit ihren hierzu vertretenen Rechtsauffassungen hinter den gegenwärtigen völkerrechtlichen Diskussionen über die Rechtmäßigkeit von Drohneneinsätzen zurückbleibt. Insbesondere betrifft dies die folgenden Anforderungen:
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Anwendung des Friedensvölkerrecht (ius ad bellum) und des humanitären Völkerrechts (ius in bello),
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Menschenrechtliche Verpflichtungen bei Kampfhandlungen,
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Vereinbarkeit des Einsatzes bewaffneter Drohnen mit dem Völkerrecht,
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Zulässigkeit gezielter Tötungen in- und außerhalb von bewaffneten Konflikten,
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Qualifizierung bewaffneter Gruppen als legitime militärische Ziele,
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Reichweite der Verpflichtung zur Minimierung von zivilen Opfern und Kollateral-Schäden (Unterscheidungsgebot und Verbot unnötigen Leidens).
aa)
Recht zum Krieg (ius ad bellum)
Als erstes ist auf das in Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta verbürgte Gewaltverbot hinzuweisen, das zwingendes
Völkerrecht ist (ius cogens). Gemäß dieser Vorschrift ist jede Androhung und Anwendung von Gewalt in
den internationalen Beziehungen der Staaten untereinander verboten.
Gegenstand des Gewaltverbots sind die territoriale Unversehrtheit, die politische Unabhängigkeit eines Staates und die Ziele der Vereinten Nationen. Das Gewaltverbot entfällt dann, wenn vom angegriffenen Staat
eine wirksame Einladung zur Intervention vorliegt, deren grundsätzliche Zulässigkeit jedoch umstritten ist
und wenn überhaupt nur unter strengsten Voraussetzungen diskutiert wird.8999
8998)
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Andreas Schüller (2013): Rechtsschutzmöglichkeiten bei gezielten Tötungen durch Drohnen, S. 2 f., Download: http://www.ialana.de/files/pdf/nato-kongress-doku/_Rechtsschutzmglichkeiten_bei_gezielten_Ttungen_durch_Drohnen_Andreas_Schueller.pdf
(abgerufen am 16. Juni 2017).
Städele, J.P. (2014): Völkerrechtlicher Implikationen des Einsatzes bewaffneter Drohnen (Duncker & Humblot, Berlin), S. 158. In
diesem Sinne ist auch der Ansicht des Referats V I 2 des BMI zu widersprechen, wonach neben der Zustimmung eines Staates noch
eine weitere Ausnahme vom Gewaltverbot gegeben sei, wenn der Staat „das Agieren nichtstaatlicher Akteure von seinem Staatsgebiet aus nicht unterbinden könne oder wolle“.