Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– 1571 –

Drucksache 18/12850

Das BVerfG hat in seiner Entscheidung von 1999 ausgeführt, dass ein Bezug bereits bestehe, wenn sich die
Empfangsanlagen des Telekommunikationsverkehrs auf deutschem Boden befänden.8479 Dies ist hier der
Fall. Die Datenströme werden in der Praxis von der sich auf dem Gelände der Außenstelle Bad Aibling
befindenden Satellitenempfangsanlage erhoben.8480 Bad Aibling liegt in Deutschland. Es handelt sich hierbei
um eine deutsche Dienststelle mit territorialem Bezug zur Bundesrepublik, die daher dem Geltungsbereich
des BNDG unterliegt. Auch stellt der Abgriff in Bad Aibling eine Datenerhebung gem. § 3 Abs. 3 BDSG
dar, da der BND hier aufgrund seines aktiven Handelns zumindest die Möglichkeit einer Kenntnisnahme von
den Daten erlangt – soweit dies nicht vorher schon geschehen ist – und zudem sogar eine Verfügung über
diese begründet.8481 Bei der Verwendung von BND-eigenen Datenleitungen und Datenträgern ist hiervon
immer auszugehen. Dass der BND die Metadaten ohne vorherige Einsicht an die NSA übermittelt, ist hier
folglich irrelevant, er ist dennoch an das BDSG gebunden.
Auch im Kanzleramt wusste man eigentlich „dass der Datenaustausch (…) auf deutschem Recht basiert.“8482
Es bleibt also die Frage, warum der BND sich nicht „auf deutschem Boden an deutsches Recht“ hielt.
Das Vorgehen des BND verdeutlicht die Relevanz, sowohl inländische und internationale als auch ausländische Telekommunikation rechtlich nach dem Artikel 10-Gesetz zu behandeln.8483 Die hier vorgefundende
Strategie des Anpassens der Rechtsinterpretation an rechtswidrige BND-Praxis erinnert an die „Theorie des
offenen Himmels“, die von Zeugen im Zusammenhang mit der Operaiton EIKONAL genannt wurde (vgl.
Feststellungsteil F.II.4.c)).
An den Vorgängen im Sommer 2013 wird erneut deutlich, dass sowohl BND als auch Kanzleramt nicht daran
interessiert waren, die rechtswidrige Praxis an das geltende Recht anzupassen. Vielmehr versuchten sie, wie
auch der Obmann der SPD-Fraktion Christian Flisek zutreffend in der Vernehmung des Zeugen Schindler
feststellte, „mit sehr viel Kreativität in der Rechtsauslegung der bestehenden Gesetze (…), den Spielraum
des BND durch Aushebelung geltenden deutschen Rechts massiv zu erweitern. Und das ist kein Einzelfall;
das zieht sich wie eine rote Linie durch viele, viele Problembereiche, die wir hier vorfinden“.8484 In der Bewertung der Mehrheit (Dritter Teil des Berichts) liest sich das im Ergebnis jedoch völlig anders.
bbb) Versuch Nr. 2: Umetikettierung der Metadaten
Nach Auffassung des BND sind ���[...]8485“ mehr.8486 Begründet wird dies mit dem Argument, dass eine Bestimmbarkeit des Personenbezugs dann nicht gegeben sei, wenn die Person nur mit unverhältnismäßigem
8479)
8480)
8481)
8482)
8483)
8484)
8485)

8486)

BVerfG, 1 BvR 2226/94 vom 14. Juli 1999, Absatz-Nr. 176, http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs19990714_1bvr222694.html;
vgl. Bäcker, http://verfassungsblog.de/der-bnd-baut-sich-einen-rechtsfreien-raum-erkenntnisse-aus-dem-nsa-untersuchungsausschuss/.
Vgl. auch handschriftlicher Vermerk von H. F. auf einem Ausdruck des Kurzgutachtens, MAT A BND-40a, Bl. 136 (VS-NfD).
Vgl. Damman, in: Simitis, Kommentar zum BDSG, § 3, Rn. 102.
Bundeskanzleramt, Referat 601, Ergebnisprotokoll, Vorbesprechung des Kontrollbesuchs des BfDI in Bad Aibling am 2. und 3.
Dezember 2013, MAT A BK-1/6b, Bl. 292 f. (293).
Vgl. auch Christoph Gusy, Vortrag auf der Fachtagung: Grund- und menschenrechtliche Anforderungen an die Kommunikationsüberwachung des BND am 10. Mai 2016 (mp3, 28 MB) ab Minute 25:50, http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/v/338/.
Abgeordneter Flisek, Protokoll-Nr. 54 I, S. 8 f.
Der dieser Textfassung entnommene Text ist in der im Parlamentssekretariat (PD 1) des Deutschen Bundestages von den Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie von den Fraktionen beauftragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einsehbaren, als Verschlusssache „NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ (VS-NfD) eingestuften Textfassung enthalten. Zudem ist er in der von den
Mitgliedern des Deutschen Bundestages in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages auf A-Drs. 596 unter Tgb.-Nr.
301/17-GEHEIM einsehbaren Textfassung enthalten.
BND-interne E-Mail von U. K. (Leitungsstab),vom 5. August 2013, MAT A BND-40a, Bl. 99 (VS-NfD).

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