Drucksache 18/12850
– 1540 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
„Um jetzt noch einmal klar etwas dazu zu sagen, was wir über angebliche Überwachungen auch von EU-Einrichtungen usw. gehört haben: Das fällt in die Kategorie
dessen, dass man das unter Freunden nicht macht. Das geht nicht.“8291
Alle großen Print- und Online-Medien berichteten damals über die Äußerungen der Bundesregierung.8292
Das wird auch den beiden Unterabteilungsleitern im BND nicht entgangen sein. Vermutlich war es sogar
Auslöser dafür, überhaupt erstmals das NSA-Selektoren-Profil genauer zu betrachten.8293
Dann jedoch stellte sich am 12. August 2013 der damalige Chef des Kanzleramtes, Ronald Pofalla, nach der
Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums vor die Kameras und erklärte die NSA-Affäre sechs Wochen vor der Bundestagswahl für beendet: Die Vorwürfe seien haltlos und „vom Tisch“:
„Die NSA hat uns schriftlich versichert, dass sie Recht und Gesetz in Deutschland
einhält. Ich zitiere aus einem NSA-Papier, das uns zu den Gesprächen in Washington
übermittelt worden ist: ‚Die NSA hält sich an alle Abkommen, die mit der deutschen
Bundesregierung, vertreten durch die deutschen Nachrichtendienste, geschlossen wurden, und hat sich auch in der Vergangenheit stets daran gehalten.‘ Bereits in einem
Memorandum of Agreement zwischen der NSA und den BND vom 28. April 2002 hat
die NSA versichert, und ich muss wieder zitieren: ‚Die NSA erklärt ihr Einverständnis,
sich an die deutschen Gesetze und Bestimmungen zu halten, die die Durchführung von
Fernmelde- und elektronischer Aufklärung und Bearbeitung in Deutschland regeln.‘
Am 23. Juli dieses Jahres hat uns die NSA schriftlich zugesagt: ‚Die NSA unternimmt
nichts, um deutsche Interessen zu schädigen.‘ Das bedeutet, unsere zentrale Forderung, dass auf deutschem Boden deutsches Recht eingehalten werden muss, wird demnach durch die NSA erfüllt. Das haben wir jetzt nicht nur mündlich, sondern auch noch
einmal schriftlich bestätigt bekommen.“8294
Auch darüber berichteten die Medien ausgiebig. Dass das alles nur Makulatur war, wusste D. B. noch in
derselben Augustwoche 2013 – seiner Zeugenaussage nach vermutlich spätestens am 13. August.8295 An jenem Tag kam Dr. M. T., den er mit der NSA-Selektorenprüfung beauftragt hatte, mit einer Selektoren-Liste
zu ihm. Die Liste enthielt annähernd 2.000 E-Mail-Adressen von europäischen Regierungseinrichtungen sowie EU-Stellen.8296 Diese Liste belegte, dass sich die NSA weder an das MoA noch an deutsches Recht
gehalten hat und ihr deutsche Interessen ziemlich gleichgültig waren. Das vollmundige Statement von Pofalla
8291)
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8296)
Mitschrift der Sommerpressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel vom 19. Juli 2013, http://archiv.bundesregierung.de/ContentArchiv/DE/Archiv17/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/07/2013-07-19-merkel-bpk.html, abgerufen am 5. Juni 2017.
Beispielhaft: Süddeutsche.de vom 1. Juli 2013; Zeit Online vom 1. Juli 2013; Bildzeitung vom 2. Juli 2013; Süddeutsche Zeitung
vom 2. Juli 2013; Frankfurter Allgemeine vom 2. Juli 2013; Welt Online vom 13. Juli 2013; Spiegel Online vom 19. Juli 2013; ntv vom 19. Juli 2013.
So auch Graulich, der die Berichterstattung über NSA-Lauschangriffe auf EU-Vertretungen Ende Juni 2013 sowie die Berichte
über die Erhebung von Millionen von Telefon- und Internetverbindungen Deutscher durch die NSA Ende Juli 2013 als Anlass
ausmacht, siehe: Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 104.
Pressestatement von Kanzleramtsminister Pofalla nach der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums am 12. August 2013,
https://www.bundesregierung.de/ContentArchiv/DE/Archiv17/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/08/2013-08-12-pofalla.html,
abgerufen am 5. Juni 2017.
D. B., Protokoll-Nr. 47 II – Auszug offen, S. 33.
Graulich, Bericht vom 23. Oktober 2015, MAT A SV-11/2, S. 127: „Es handelt sich um europäische E-Mail-Adressen, unter denen
sich die Namen zahlreicher Mitglieder europäischer Regierungen sowie deren Mitarbeiter befinden. Außerdem enthält sie Namen
von Parlamentsabgeordneten und sonstiger öffentlicher Dienststellen aus solchen Ländern.“