Drucksache 18/12850
– 1486 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
möglicherweise deutsches Gebiet nur durchquert, einen eigenen Zweck erhält und an einen eigenen Zielort
gesendet wird. Die Ausnahme des internationalen Transitverkehrs vom Anwendungsbereich des deutschen
Datenschutzregimes gem. § 1 Abs. 5 Satz 4 BDSG findet für die gedoppelten Daten, die einem neuen Verwendungszweck zugeführt werden, keine Anwendung.8044 Damit bewegt sich die Maßnahme auch nicht außerhalb der Bestimmungen des deutschen Datenschutzrechts. Aus datenschutzrechtlicher Perspektive ist die
Doppelung zumindest als Nutzung i.S.d. § 3 Abs. 5 BDSG und die Übermittlung als Verarbeitung i.S.d. § 3
Abs. 4 Nr. 3 BDSG zu werten, mit der Folge, dass die Vorgänge gemäß § 4 BDSG einer gesetzlichen Grundlage oder einer Einwilligung der Betroffenen bedürfen.8045 Die Weitergabe an den BND ist als Übermittlung
und damit Datenverarbeitung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 BDSG zu einzuordnen. Sie hätte daher nach § 88 Abs. 3
TKG einer gesetzlichen Grundlage bedurft. Doppelung und Weitergabe sind mangels expliziter Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig erfolgt.
ccc) Rechtliche Bedenken innerhalb der Telekom
Nach Darstellung des Zeugen Köbele, hatte dieser konzernintern die Rechtsauffassung des BND bis zum
Schreiben des Bundeskanzleramts in Frage gestellt. Durch das Schreiben des Bundeskanzleramts war für
eine verantwortungsvolle rechtliche Prüfung bei der Telekom offenbar der Boden entzogen. Dies illustrieren
die nachfolgenden Aussagen des Zeugen:
„Die Bedenken mitteilen und sagen, was das Bundeskanzleramt schreibt, ist aber
falsch. Raten Sie mal, was der Vorstand dann gemacht hätte. Der hätte mir einen schönen „Edeka-Vermerk“ ausgestellt: Ende der Karriere.“8046
„Nachdem ich mir das Antwortschreiben, was vom Vorstand rausgegangen war in
Richtung Bundeskanzleramt, in Kopie habe geben lassen, sage ich mal, war das so ein
bisschen die Lebensversicherung.“8047
„Der Ober sticht den Unter, und zwar in doppelter Hinsicht.“8048
Auch auf der nachgeordneten operativen Ebene wurden Bedenken geäußert. Der Zeuge Alster, seit 1994
Dienststellenleiter ReSA, bekundete mit Blick auf den Vertragsschluss rechtliche Bedenken, die von höheren
Stellen im Konzern für unbeachtlich erklärt wurden. Er berief sich auf seinen Eid auf das Fernmeldegeheimnis und betonte gegenüber dem Ausschuss, dass seit seinem Dienstantritt 1980 immer G 10-Anordnungen
Grundlage für BND-Überwachungsmaßnahmen waren.8049 Der sog. Transitvertrag sei ein einmaliger Sonderfall ohne G 10-Anordnung gewesen.8050
8044)
8045)
8046)
8047)
8048)
8049)
8050)
Ullrich Dammann, in: Simitis (Hrsg.), Bundesdatenschutzgesetz, Kommentar, 7. Auflage, § 1, Rn. 238: „Werden solche Daten
jedoch für andere Zwecke verwendet, weitergehend aufbewahrt oder zur Kenntnis genommen, so entfällt die Privilegierung. Auf
die Auftragsdatenverarbeitung ist die Transitregelung nicht, auch nicht entsprechend, anzuwenden.“
Die BND-Ausnahme gemäß § 11 BNDG, in der Fassung vom 18. Mai 2001, ist bezüglich der Berechtigung der Datennutzung durch
die Telekom nicht einschlägig.
Dr. Köbele, Protokoll-Nr. 33 I, S. 142.
Dr. Köbele, Protokoll-Nr. 33 I, S. 128.
Dr. Köbele, Protokoll-Nr. 33 I, S. 142.
Alster, Protokoll-Nr. 30 I, S. 94: „So sind sie aufgestellt, geschult, dass, wenn sie merken, dass am Fernmeldegeheimnis was eckt,
sie mauzen.“; anders sein Stellvertreter, vgl. Helfrich, Protokoll-Nr. 30 I, S. 31.
Alster, Protokoll-Nr. 30 I, S. 77.