Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1473 –
Drucksache 18/12850
auch faktisch enge Grenzen setzt (vgl. §§ 76, 119 Abs. 2 AktG).7973 Das gilt umso mehr, wenn der Staat das
gemischtwirtschaftliche Unternehmen nicht beherrscht, sondern wie im Fall der Telekom lediglich eine
Sperrminorität besitzt.
Wegen dieser geringen zivilrechtlichen Durchgriffsrechte des Staates auf die Unternehmen hat das BVerfG
in seiner FRAPORT-Entscheidung 2011 alle mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand stehen Unternehmen einer unmittelbaren Grundrechtsbindung unterworfen. Diese „können sich umgekehrt gegenüber
Bürgern nicht auf eigene Grundrechte stützen.“7974 Auch für nicht staatlich beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen stellte das BVerfG klar, dass diese wie reine Privatunternehmen auch jedenfalls mittelbarer Grundrechtsbindung unterliegen. Diese führe auch nicht zu weniger Grundrechtsschutz, sondern könne
„je nach Gewährleistungsinhalt und Fallgestaltung […] einer Grundrechtsbindung des Staates vielmehr nahe
oder auch gleich kommen.“7975 Für die Telekom ist insbesondere die direkt daran anschließende Überlegung
von Relevanz:
„Für den Schutz der Kommunikation kommt das insbesondere dann in Betracht, wenn
private Unternehmen die Bereitstellung schon der Rahmenbedingungen öffentlicher
Kommunikation selbst übernehmen und damit in Funktionen eintreten, die – wie die
Sicherstellung der Post- und TK-dienstleistungen – früher dem Staat als Aufgabe der
Daseinsvorsorge zugewiesen waren.“7976
Diese Prämisse des BVerfG gilt für die Wahrung der Vertraulichkeit der vermittels technischer Hilfsmittel
und durch die Dienstleistungen der Telekom ermöglichten Kommunikation in besonderem Maße. Der Gesetzgeber hat die vormals staatlich wahrgenommenen Schutzpflichten für die Wahrung des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG daher den TK-Unternehmen gesetzlich übertragen (§§ 85–87 TKG a. F.)
und sie damit – wie Beliehene7977 – dem Dienst der Grundrechte unterworfen, der nur in den gesetzlich bestimmten Fällen im Interesse höherwertiger Schutzgüter der Allgemeinheit gelockert ist (Art. 10 Abs. 2 GG,
Art. 10-Gesetz, § 88 TKG a. F.).
bbb) Fernmeldegeheimnis, § 88 Telekommunikationsgesetz (TKG)7978
Als Telekommunikationsunternehmen trägt die Telekom eine besondere rechtliche Verantwortung und ist
dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses nach § 88 TKG verpflichtet.7979 Die unbefugte Datenweitergabe ist
zudem nach StGB, TKG sowie BDSG eine rechtswidrige Tat und strafbewehrt.7980 Es bestehen explizite
Verbote gegen die unbefugte Verschaffung, Kenntnisnahme und Weitergabe. Gem. § 4 Abs. 1 BDSG stehen
7973)
7974)
7975)
7976)
7977)
7978)
7979)
7980)
Vgl. Klaus Lederer Flucht ins Privatrecht, Technokratisierung, Ökonomisierung und Entdemokratisierung als Herausforderung für
die progressive Rechtswissenschaft, in: Plöse/Fritsche/Kuhn/Lüders, Festschrift für Rosemarie Will, Berlin 2016, S. 429 (432 f.)
BVerfGE 128, 226 (246 f.), https://www.bverfg.de/e/rs20110222_1bvr069906.html; dazu Jan Philipp Schaefer, Neues vom Strukturwandel der Öffentlichkeit, Gewährleistungsverwaltung nach dem Fraport-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Der Staat Vol.
51 (2012), No. 2, S. 251–277 (259 f.).
BVerfGE 128, 226 (249), https://www.bverfg.de/e/rs20110222_1bvr069906.html.
BVerfGE 128, 226 (249 f.), https://www.bverfg.de/e/rs20110222_1bvr069906.html.
Zur schon damals anerkannten unmittelbaren Grundrechtsbindung von Beliehenen vgl. Hans Dieter Jarass, in: Jarass/Pieroth,
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 6. Auflage, München 2002, Art. 1 Rn. 30 m.w.N.
Das TKG wurde am 22. Juni 2004 neu gefasst; die Regelungen des § 88 waren bis zu diesem Zeitpunkt in § 85 TKG a. F. angelegt.
§ 88 Abs. 2 Satz 1 TKG: „Zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses ist jeder Diensteanbieter verpflichtet.“ (vor 22. Juni 2004: § 85
TKG a. F.).
Vgl. §§ 201–206 StGB (teils in den Fassungen von 13. November 1998 u.a.), § 148 TKG (in der Fassung vom 26. Juni 2006), § 43
BDSG (in der Fassung vom 14. Januar 2003); BGH 2 StR 591/11, Rn. 21.