Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

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Drucksache 18/12850

Mobilfunk „mittlerweile auch technisch nicht möglich“7959 sei, eine G 10-Maßnahme durchzuführen ohne
das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zu durchlaufen:
„Kommen Sie mal zur Telekom und sagen: Ich habe zwar keinen Beschluss der G-10Kommission, aber ich würde ganz gern mal innerhalb Ihrer Software die Schaltung der
und der Telefonnummer auf unseren Strang als Nachrichtendienst, ob Inland oder Ausland, gelegt haben.“7960
Damals war in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt, dass wohl er selbst es war, der als Abteilungsleiter 6
im Bundeskanzleramt mit seinem Unterstützungsschreiben für das Programm EIKONAL eine solche Praxis
fünf Jahre vor seiner Aussage ermöglicht hatte – freilich ohne G 10-Anordnung und auch nicht auf die Überwachung deutscher Journalist_innen bezogen wie noch Ende der 1990er Jahre.
aa)

Rechtsgrundlagen von TK-Anbietern für Datenausleitung an BND

aaa) Grundrechtsbindung Privater bei der Ausführung hoheitlicher Aufgaben
Art. 1 Abs. 3 GG bindet alle staatliche Gewalt, sei es Gesetzgebung, Exekutive oder Rechtsprechung, an die
Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht. Staatliche Maßnahmen, insbesondere der „vollziehenden Gewalt“, müssen sich also an den Grundrechten ausrichten und bedürfen einer ihrerseits verhältnismäßigen gesetzlichen Grundlage, sobald sie grundrechtlich garantierte Freiheiten tangieren. Dabei spielt es zunächst
keine Rolle, ob sich der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben der von ihm auf verschiedenen Stufen eingerichteten Verwaltungsbehörden bedient, die durch hoheitliche Anordnungen oder durch Vollziehung mit eigenen Mitteln agieren, oder die Erledigung seiner Aufgaben privatrechtlich organisierten Unternehmen überlässt, die auf zivilgesetzliche Handlungsformen ohne hoheitliche Befugnisse verpflichtet sind und vom Staat
lediglich kontrolliert werden. Denn es soll dem Staat verwehrt sein, sich durch „eine Flucht in das Privatrecht“ seiner Grundrechtsbindung zu entziehen.7961 Bis zu einer klärenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Jahre 20117962 war jedoch umstritten, ob und inwieweit die Beteiligung des Staates an Privatunternehmen (sog. gemischt-wirtschaftliche Unternehmen) diese zu Grundrechtsverpflichteten
macht.
Diese Frage ist für die Tätigkeiten der Deutschen Telekom AG in besonderem Maße von Interesse. Denn sie
ist das Ergebnis einer stufenweisen Ausgliederung und Privatisierung der Telekommunikationssparte der bis
1990 als Behörde beim Bundesministerium für Post und Telekommunikation bestehenden Deutschen Bundespost, die als Trägerin der zivilen Fernmeldehoheit auch das Übertragungswegemonopol, das Funkanlagenmonopol und das Telefondienstmonopol innehatte (§ 1 Abs. 2 und 4 FAG a. F.) und damit selbst grundrechtsverpflichtet war. 1994 wurde die zuvor organisatorisch verselbständigte Telekom samt des teilweise

7959)
7960)
7961)
7962)

Uhrlau, 1. Untersuchungsausschuss der 16. Wahlperiode, Protokoll-Nr. 119, S. 135.
Uhrlau, 1. Untersuchungsausschuss der 16. Wahlperiode, Protokoll-Nr. 119, S. 136.
Vgl. Klaus Lederer, Flucht ins Privatrecht, Technokratisierung, Ökonomisierung und Entdemokratisierung als Herausforderung für
die progressive Rechtswissenschaft, in: Plöse/Fritsche/Kuhn/Lüders, Festschrift für Rosemarie Will, Berlin 2016, S. 429 ff.
BVerfGE 128, 226 (244ff.), https://www.bverfg.de/e/rs20110222_1bvr069906.html.

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