Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1463 –
Drucksache 18/12850
oder durch ihn veranlasst wäre.“7911 Schließlich ist bei der Intensität des Grundrechtseingriffs „die fehlende
Anonymität der Kommunikationsteilnehmer zu berücksichtigen“.7912
Danach bleibt festzustellen, dass die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs durch die Nachrichtendienste in jeder Stufe von der Erhebung über die Verarbeitung bis hin zur Übermittlung, nicht nur aber
insbesondere an nicht-deutsche Stellen, einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die den verfassungsrechtlichen
Anforderungen des Art. 10 GG entspricht.
aaa) Snapshots & Streckeninformationen als Eingriff
Dies betrifft auch Snapshots und Streckeninformationen.
In Vorbereitung der Transitüberwachung erfolgten bereits im Rahmen der Strecken- und Kabelauswahl sowie
zur Einstellung der Erfassungstechnik mehrere Totalerhebungen der auf den betroffenen Leitungen anfallenden Telekommunikationsverkehre („Signale“). Dazu kopierte der BND mit einem „Extragerät“ mittels eines
sog. Snapshots den vollständigen Leitungsfluss an einem bestimmten Punkt direkt vom Kabel.7913 Die so
erhobenen Daten wurden dann von BND und NSA in der JSA in Bad Aibling ausgewertet. Solche, wenn
auch nur kurzzeitigen Totalabgriffe sind ihrerseits grundrechtlich als Datenerhebung von erheblichem Gewicht zu qualifizieren, da gleichermaßen Inhalts- wie Metadaten der zum jeweiligen Zeitpunkt laufenden
Kommunikation unterschiedslos erfasst werden. Das räumte zumindest grundsätzlich auch der im Ausschuss
befragte BND-Mitarbeiter A. F. ein:
„Sie haben damit aufgezeichnete Daten, die unter Umständen Grundrechtsträger betreffen.“7914
Daran ändert auch die Aussage des ehemaligen, für die technische Aufklärung zuständige Abteilungsleiters
2 im BND, Dieter Urmann, gegenüber dem Ausschuss, nichts, dass die Snapshots „in der Regel eher“ dazu
gedient hätten, Streckenkennungen und Ähnliches herauszufinden.7915 Denn sie erklärt nicht, wie personenbezogene Daten erhoben und im Hinblick auf die Treffsicherheit des Datenstaubsaugers ausgewertet worden
sein sollen, ohne zwischendurch (jedenfalls eine gewisse Zeit lang) gespeichert und damit für die vom BND
festgelegten Zwecke „erfasst“ worden zu sein.7916 Die datenschutzrechtlichen Begriffe „Erfassen“ und „Aufnehmen“ (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG)7917 beschreiben jede Form der Transformation einer Information aus der
geistigen oder lebenswirklichen Sphäre in ein speicherbares Medium. Auch die Dauer der Speicherung ist
für die Frage der Grundrechtsrelevanz grundsätzlich unmaßgeblich.7918
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BVerfGE 100, 313-403, https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html, Rn. 231.
BVerfGE 100, 313-403, https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html, Rn. 233.
A. S., Protokoll-Nr. 33 I, S. 101.
A. F., Protokoll-Nr. 41 I, S. 105.
Dr. Urmann, Protokoll-Nr. 39 I, S. 14.
Dass eine Speicherung stattgefunden hat, ist unbestritten und wird durch die Zeugenaussagen von S. L., Protokoll-Nr. 26 II – Auszug
offen, S. 7; A. S., Protokoll-Nr. 33 I, S. 101; Dr. Urmann, Protokoll-Nr. 39 I, S. 14 belegt.
In seinem, die Telekommunikationsüberwachung des BND betreffenden Urteil von 1999 legte sich das BVerfG nicht auf die Begrifflichkeiten des BDSG fest; es spricht allgemein von „erlangten Daten“ (Erhebung), deren „Erfassung und Aufzeichnung“ (Speicherung) sowie „Verwendung“ (Verarbeitung im engeren Sinne oder Nutzung), an anderer Stelle heißt es pauschal „Überwachung
und Aufzeichnung“ (BVerfGE 100, 313-403, https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html, Rn. 186 ff. und 257 ff.).
Vgl. allerdings die Einschränkung in BVerfGE 100, 313-403, https://www.bverfg.de/e/rs19990714_1bvr222694.html, Rn. 186.