Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– 1385 –

Drucksache 18/12850

April 2014 im Eilverfahren als Notstandsgesetz eingebracht worden war, durch eine „Verfallsklausel“ (Sunset Clause) bis Ende 2016 befristet war. Wie die bisherige Gesetzesgrundlage räumt dieses Gesetz den Nachrichtendiensten einen weiten Ermessensspielraum ein. Auch eine Massenerfassung der Kommunikationsdaten von britischen Staatsbürgern ist vorgesehen (bulk collection bzw. interception). Kritiker sehen es zumindest als Fortschritt an, dass alle derzeit eingesetzten Überwachungsinstrumente aufgeführt und öffentlich
bekannten Regeln unterliegen. Materiell schreibt der IPA jedoch nicht nur die bestehende Vorratsdatenspeicherung durch britische Kommunikationsanbieter auf zwölf Monate fort, sondern weitet sie auf Internetprotokolle aus und erlaubt damit, das Verhalten im Netz zu überwachen. Auch werden britische Provider verpflichtet, Daten bei besonderem Interesse der Behörden zu entschlüsseln. Erlaubt wird ferner, Computer und
Mobiltelefone zu hacken sowie Schadsoftware einzusetzen.
Ebenso werden im Bereich der Kontrolle mehrere Organe in einer neuen gestärkten Behörde zusammen geführt: Der Investigative Powers Commission (IPC) unter dem Vorsitz eines unabhängigen Regierungsbeauftragten (Chief Judicial Commissioner). Während früher nur eine ex post-Kontrolle bei Beschwerden gegen
die Überwachungsanordnungen des zuständigen Außenministers vorgesehen war, ist nun eine Überprüfung
ex ante vorgesehen, also vor Umsetzung der Maßnahme, ähnlich wie in Deutschland durch die G 10-Kommission. Noch bei einer Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im
Jahr 2010 hatte die Regierung sich entschieden gegen ein solches Verfahren ausgesprochen.
Der vom Ausschuss angehörte Experte David Anderson soll in seiner Funktion als Independent Reviewer of
Terrorism Legislation die Regierung von dieser Konzession überzeugt haben, um die weitgehenden Kompetenzen zu rechtfertigen (Report of the Bulk Powers Review vom August 2016). Ebenso hat er für die Schaffung eines technischen Beratungsgremiums (Technical Advisory Panel) gesorgt, welches sich aus unabhängigen Wissenschaftlern und Industrieexperten zusammensetzt und durch das IPC ernannt wird. Dieses Gremium soll das IPC und die zuständigen Minister in Fragen des technischen Wandels und der Ausübung von
Ermittlungspraktiken beraten. Dadurch soll es möglich sein, Überwachungsmethoden immer auf dem neuesten Stand der Technik zu kontrollieren.
Mehrere Sachverständige kritisierten, dass der neue Rechtsrahmen die Rechte britischer Bürger nur unzureichend schütze und im Wesentlichen die bisherige geheim gehaltene Praxis nachträglich legitimiere. Die
Befugnisse für Polizei und Nachrichtendienste beim Zugriff auf Telefone und Computer seien zu weitreichend („ohne hinreichenden Verdacht“). Zentrale Kategorien wie „nationale Sicherheit“ seien weiterhin unbestimmte Rechtsbegriffe. Die sogenannten bulk powers, die eine Massenerfassung verschiedener Kommunikationsdaten gestatten, enthielten keine klare Definition der Zielgruppe. Demzufolge liefe auch die neue
Gesetzgebung auf eine „Massenüberwachung“ britischer und europäischer Bürger hinaus. Dieser Vorwurf
ist Gegenstand von Beschwerden vor dem EGMR in Straßburg. In diesem Zusammenhang hat jedoch der
Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am 21. Dezember 2016 bereits eine wichtige Entscheidung
getroffen. Der Gerichtshof entschied, dass die britische und schwedische Gesetzgebung zur Vorratsdatenspeicherung EU-Recht widerspricht. Er stellte fest, dass eine universelle Massendatenerhebung unrechtmäßig sei und es einer vorherigen Anordnung durch ein Gericht oder eine andere unabhängige Instanz bedürfe
um auf diese Daten zuzugreifen.

Select target paragraph3