Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1291 –
Drucksache 18/12850
landsaufklärung und Spionageabwehr nicht für den kommerziellen Wettbewerbsvorteil von US-Unternehmen oder US-Branchen genehmigt sei. Auf die US-amerikanische Rechtslage verwies auch Bundesminister
Dr. Thomas de Maizière bei seiner Befragung am 18. Juni 2015.
Im Fall Großbritannien wird als Indiz für nachrichtendienstliche Wirtschaftsspionage oft das „wirtschaftliche
Wohlergehen“ (economic well-being) zitiert, das sich neben Aspekten der nationalen Sicherheit in der Aufgabenbeschreibung des GCHQ und anderer britischer Nachrichtendienste findet. Es handelt sich dabei jedoch
um nationalökonomische Aspekte wie die Sicherheit von Handelswegen. Fälle von wettbewerbsrelevanter
Vorteilsgewährung für britische Firmen durch Nachrichtendienste wurden nie erkannt oder bekannt.
Im Kontext transnationaler Phänomenbereiche wie Proliferation (also der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägerraketensysteme), Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche oder Terrorfinanzierung können allerdings unter Umständen auch europäische Firmen oder nur einzelne Mitarbeiter dieser
in den Fokus legitimer und notwendiger nachrichtendienstlicher Aufklärung gelangen. Das gilt für den BND
wie für ausländische Nachrichtendienste. Die in den Medien plakativ angeführten Beispiele EADS und Eurocopter zeigen gerade dies beispielhaft: Sie stellen unter anderem Rüstungsgüter her und könnten zum Ziel
von Beschaffungsversuchen werden, die für Deutschland und die NATO-Staaten außen- und sicherheitspolitische Nachteile mit sich bringen. Dass diese Unternehmen gleichzeitig in Konkurrenz zu US-amerikanischen Rüstungsunternehmen stehen, ist unbestritten. Ein kausaler Zusammenhang zu etwaigen Aufklärungsbemühungen der NSA ist jedoch nicht zwingend und aus oben genannten Erwägungen zur rechtlichen Situation auch abwegig. Beim Fall EADS ging aus den Snowden-Dokumenten nach Presseinformationen der Name
eines Mitarbeiters in Saudi-Arabien hervor, der mit Genehmigungen für Rüstungsexporte betraut war. Das
Dokument selbst ist nicht veröffentlicht und lag dem Ausschuss nicht vor. Dies wäre jedoch ein weiteres
Indiz dafür, dass Rüstungsexporte und nicht etwa die Forschungs- und Entwicklungsabteilung oder gar Verkaufsverhandlungen von nachrichtendienstlichem Interesse waren. Die Aufklärung von Unternehmen mit
deutscher Beteiligung war in Kooperationen deutscher mit ausländischen Nachrichtendiensten gleichwohl
für beide Kooperationspartner untersagt.
Als weitere Alternative für die zulässige und notwendige nachrichtendienstliche Beobachtung von Unternehmen kann die volkswirtschaftliche Stabilität eines Ziellandes von erheblicher außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sein. Wirtschaftliche Kennzahlen bis hin zur Leistungsfähigkeit einzelner Schlüsselkonzerne sind in diesem Fall für die Aufklärung von Währungs-, Handels- und Wirtschaftspolitik von Belang
und ebenfalls kein Anzeichen für Wirtschaftsspionage zur Erlangung konkreter Wettbewerbsvorteile.
6.
Mutmaßliche Überwachung des Mobiltelefons der Bundeskanzlerin sowie deutscher
Ministerien
Die Presse machte im Oktober 2013 einen Sachverhalt öffentlich, dessen Grundlage eine angebliche Abschrift aus einer NSA-Datenbank war. Diese zeigte die Rufnummer eines von der Kanzlerin genutzten Mobiltelefons, das angeblich Ziel von Aufklärungsmaßnahmen seitens der NSA war. Die US-Regierung hat dies
indirekt eingestanden: Die öffentliche Erklärung der US-Regierung am 23. Oktober 2013, sie würde die Bundeskanzlerin weder aktuell noch in Zukunft aufklären („is not monitoring and will not monitor”) deutet darauf