Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1273 –
Drucksache 18/12850
Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellt einerseits unzweideutig klar, dass völkerrechtliche
Verpflichtungen keine unmittelbare Schranke des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts begründen können, da sie als solche keinen Verfassungsrang besitzen und das parlamentarische Informationsinteresse auch
die NSA-Selektorenlisten umfasst. Dies stärkt die Position parlamentarischer Untersuchungsausschüsse.
Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht aber auch deutlich gemacht, dass dem Beweiserhebungsrecht
des Untersuchungsausschusses im konkreten Einzelfall das Interesse der Regierung an funktionsgerechter
und organadäquater Aufgabenwahrnehmung entgegen steht und im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung
angesichts der im Falle der Offenlegung der Selektorenlisten drohenden erheblichen Beeinträchtigung der
Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit auch der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zurücktreten muss. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die von der Ausschussmehrheit beschlossene neuartige Verfahrensweise der Einsetzung einer unabhängigen sachverständigen Vertrauensperson und deren gutachterliche Stellungnahme das
aus dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses grundsätzlich folgende Recht auf Vorlage der
NSA-Selektorenlisten nicht ersetzen konnte, weil diese nicht als Hilfsorgan des Ausschusses handelte, sondern – anders als etwa bei Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten – anstelle der eigenständigen Einsichtnahme in die Selektorenlisten treten sollte. Aber das Bundesverfassungsgericht vertritt auch die Auffassung
– die der Ausschuss teilt und ausdrücklich hervorhebt – dass dieses Verfahren entscheidend dazu beigetragen
hat, dem Informationsinteresse des Untersuchungsausschusses so präzise, wie es ohne eine Offenlegung von
Geheimnissen möglich war, Rechnung zu tragen.
7.
Erweiterung des Untersuchungsauftrags
Nachdem im Frühjahr 2015 aufgrund eines Beweisbeschlusses des 1. Untersuchungsausschusses bekannt
wurde, dass der BND im Rahmen der BND-eigenen technischen Aufklärung Selektoren mit Bezug zu EUbzw. NATO-Partnerstaaten einsetzte, wurde im Ausschuss mit den Vertretern der Bundesregierung diskutiert, ob hier der Untersuchungsgegenstand berührt war. Obwohl die Bundesregierung grundsätzlich Aufklärungsbereitschaft erklärte, erteilte sie den Zeugen dazu zunächst keine Aussagegenehmigung und verwies
auf eine laufende Untersuchung des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Daraufhin legte die Opposition
mit Bundestags-Drucksache 18/7565 vom 7. Februar 2016 einen Antrag auf Ergänzung des Untersuchungsauftrags des 1. Untersuchungsausschusses vor. Hilfsweise für den Fall der Nichtannahme des Hauptantrags
beantragte sie die Einsetzung eines (weiteren) Untersuchungsausschusses.
Dies erfolgte vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung zuvor zwei Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses abschlägig beschieden hatte, die auf die Beiziehung von Beweismitteln zielten, „die im
Zusammenhang mit den seit dem 1. Juni 2013 vorgenommenen Überprüfungen und Aussonderungen bzw.
Löschungen von Selektoren für das BND-eigene Suchprofil“ entstanden oder in behördlichen Gewahrsam
genommen worden waren. Zur Begründung verwies das Bundeskanzleramt darauf, dass es das BND-eigene
Suchprofil für von dem ursprünglichen Untersuchungsauftrag des 1. Untersuchungsausschusses der
18. Wahlperiode (Bundestags-Drucksache 18/843) nicht umfasst ansah.