In der Datei gleicht das BKA personenbezogene Da‑
ten ab, die die Strafverfolgungsbehörden in Bund und
Ländern im Rahmen von Funkzellenabfragen erhoben
haben. Die Datei enthielt zum Zeitpunkt der Kontrolle
rund 5,5 Mio Verkehrsdatensätze. Diese betreffen etwa
eine halbe Million Mobilfunkteilnehmer, die sich zu
bestimmten Zeitpunkten in den jeweiligen Funkzellen
aufgehalten haben.
Das Vorgehen ist in dieser Form nicht durch die Gene‑
ralklausel des § 7 Absatz 1 Bundeskriminalamtgesetz
(BKAG) a.F. für die „Zentralstellentätigkeit“ des BKA ge‑
deckt. Der Zentralstellentätigkeit kommt nur die Funkti‑
on zu, die Tätigkeit der verschiedenen Polizeibehörden
in Bund und Ländern informationell zu verzahnen und
zu koordinieren. Sie kann nur leichte Grundrechtsein‑
griffe legitimieren, wie etwa die gegenseitige Informati‑
on über aktuelle Ermittlungsverfahren.
Das Bundesverfassungsgericht fordert für eingriffsin‑
tensive Maßnahmen eine normenklare und verhältnis‑
mäßige Regelung. Je schwerer der Grundrechtseingriff
ist, desto genauer muss der Gesetzgeber die Vorausset‑
zungen und Eingriffsschwellen regeln. Der Sache nach
dient die Funkzellendatei einem äußerst umfassenden
Datenabgleich.
Die Funkzellenabfragen erfassen eine Vielzahl von
Betroffenen. Konkret wird nicht nur durch die Vorratsda‑
tenspeicherung eine Vielzahl von Personen gespeichert,
die dafür keinen konkreten Anlass gegeben haben. Mit
der Funkzellenabfrage greifen die Ermittlungsbehörden
auch auf diese umfangreichen Daten vieler Personen
zu. Damit erfassen sie alle Menschen, die sich mit ihrem
aktiven Mobiltelefon in einem bestimmten Zeitraum in
einer bestimmten Funkzelle aufgehalten haben. Je nach
Funkzelle und Zeitraum kann dies tausende oder hun‑
derttausende Menschen betreffen. In das Visier konkre‑
ter Ermittlungen kommt dann derjenige, der bei einem
„Kreuz- oder Mehrfachtrefferabgleich“ auffällig wird (vgl.
dazu auch BT-Drs. 17/14794). Mit Pech genügt es also, zur
falschen Zeit am falschen Ort zu sein, um schwerwie‑
gende Ermittlungshandlungen erdulden zu müssen. Je
mehr Daten abgeglichen werden, desto höher das Risiko.
Deshalb kann die Generalklausel die umfangreiche Datei
für den Datenabgleich nicht legitimieren.
Hier hätte zunächst geprüft werden müssen, ob eine
Rasterfahndung in Betracht kommt. Diese ist in der
Strafprozessordnung speziell geregelt. Sie greift ein,
wenn die Polizeibehörden Daten aus unterschiedlichen
Quellen erheben, um diese dann abzugleichen. Das ist
bei der Funkzellenabfrage der Fall. Denn diese Daten
werden bei einem Provider mit dem Ziel erhoben, die
Daten mit anderen Datenbeständen – ggf. aus einer
weiteren Funkzellenabfrage – abzugleichen. Teilwei‑

se erlassen die Gerichte deshalb gleichzeitig mit dem
Funkzellenbeschluss einen Rasterfahndungsbeschluss.
Die Praxis scheint aber uneinheitlich. Sie ist auch des‑
halb schwer nachzuvollziehen, weil die Beschlüsse der
Ermittlungsrichter in der Regel nicht in der Fachpresse
veröffentlicht werden.
Den polizeilichen Ansatz konnte ich in der konkreten
Datei durchaus nachvollziehen. Es ging zudem darum,
besonders schwere Straftaten zu verfolgen. Dies ändert
jedoch an der rechtlichen Beurteilung nichts, da sich die
polizeiliche Tätigkeit innerhalb der gesetzlichen Gren‑
zen bewegen muss. Für einen übergreifenden Abgleich
gibt es ohne Anordnung einer Rasterfahndung keine
Rechtsgrundlage.
Bereits im Jahr 2015 hatte ich beim Gesetzentwurf zur
Vorratsdatenspeicherung auf das Risiko hingewiesen,
dass Funkzellendaten für Strukturermittlungen oder
zur Speicherung von Prüffällen gespeichert werden
könnten (abrufbar unter www.datenschutz.bund.de;
https://www.bfdi.bund.de/DE/Datenschutz/Themen/
Telefon_Internet/TelefonArtikel/Voarratsdatenspeiche‑
rungReloaded.pdf?__blob=publicationFile&v=3). Der
Gesetzgeber hat es jedoch bislang nicht für notwendig
erachtet, den Umgang mit Funkzellendaten genauer zu
regeln. Konkret wurde ich auf diese Datei aufmerksam,
weil nach BKAG a.F. zu jeder Datei eine Errichtungsan‑
ordnung erstellt werden musste. Diese Anforderung ist
im neuen Recht weggefallen. Ob mir deshalb auch in
Zukunft derartige Datensammlungen auffallen, kann ich
derzeit noch nicht abschließend beantworten.
9.3.7 Akkreditierungsverfahren beim G‑20‑Gipfel
Am 6. und 7. Juli 2017 wurde 32 Journalisten, denen die
Akkreditierung zur journalistischen Begleitung des in
Hamburg durchgeführten G‑20‑Gipfels zunächst erteilt
worden war, diese wieder entzogen. In der Folge wurde
der Vorwurf von datenschutzrechtlichen Verstößen
im Zusammenhang mit der Durchführung des Akkreditierungsverfahrens und bei der Speicherung personenbezogener Daten in Dateien der Polizeien und der
Sicherheitsbehörden erhoben. Dies hat mich veranlasst, sowohl das Akkreditierungsverfahren wie auch
den Umgang mit den personenbezogenen Daten der
betroffenen Journalisten zu überprüfen.
Das Akkreditierungsverfahren wurde vom Bundes­
kriminalamt (BKA) durchgeführt. Grundlage der
Entscheidungen waren personenbezogene Daten, die
von den Polizeibehörden des Bundes, vom Bundesamt
für Verfassungsschutz (BfV) und von den Polizei- und
Verfassungsschutzbehörden der Länder übermittelt bzw.
in die bundesweiten Informationssysteme eingespeist
worden waren.

Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für die Jahre 2017 und 2018

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