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Ausschuss für Gesundheit
7.1 Einzelthemen
7.1.1 Datenschutz-Grundverordnung in der medizinischen Forschung und im Gesundheitswesen
Der Gesetzgeber muss den erforderlichen Schutz von
Gesundheits- und genetischen Daten auch im Rahmen
der Forschung mit diesen Daten garantieren.
In meinem 26. Tätigkeitsbericht hatte ich bereits darauf
hingewiesen, dass die Digitalisierung des Gesundheits‑
wesens und die rasche technologische Entwicklung
neue Chancen für die Forschung mit Gesundheits- und
genetischen Daten versprechen, für die die DSGVO nun
die Rahmenbedingungen setzt (vgl. dort Nr. 9.1). Seit
Geltung der DSGVO liegen zwar noch keine aussagekräf‑
tigen Erfahrungen im Bereich der medizinischen For‑
schung vor, allerdings ist eine gewisse Verunsicherung
über die rechtlichen Grundlagen für die Forschungstä‑
tigkeit festzustellen. Die Vorgaben des Artikel 89 DSGVO
sind vor dem Hintergrund der generellen Haltung der
EU zum Wissenschaftsbereich und dem in Artikel 179
des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen
Union (AEUV) festgelegten Zieles der Schaffung eines
Europäischen Forschungsraumes dabei als eher for‑
schungsfreundlich zu interpretieren. Gleichwohl darf
gerade bei sensiblen Gesundheits- und genetischen
Daten der Schutz der betroffenen Person(en) nicht aus
dem Auge verloren werden.
Besondere Bedeutung bei der Anpassung der Regelun‑
gen zum Sozialdatenschutz im Zehnten Buch Sozialge‑
setzbuch (vgl. Nr. 3.1.1) kommt dabei der Neufassung
des § 75 SGB X zu. Hier wird die Berechtigung der
Sozialleistungsträger geregelt, Sozialdaten für die wis‑
senschaftliche Forschung zur Verfügung zu stellen (vgl.
auch 25. TB Nr. 9.5). Diese Daten bestehen zwar nicht
nur, aber doch zu einem großen Teil aus Gesundheits‑
daten. Die bisherigen Regelungen über die Genehmi‑
gungspflicht der Bereitstellung von Sozialdaten für die
wissenschaftliche Forschung sowie die Einschränkun‑
gen bei der Verarbeitung dieser Daten für bestimmte
Forschungsvorhaben im Sozialleistungsbereich oder der
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Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für die Jahre 2017 und 2018
wissenschaftlichen Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
wurden grundsätzlich beibehalten. Ich begrüße es auch
ausdrücklich, dass der antragstellende Sozialleistungs‑
träger für das Forschungsprojekt ein Datenschutzkon‑
zept vorzulegen hat. Dies erleichtert sowohl der Geneh‑
migungs-, aber auch der Datenschutzaufsichtsbehörde
die Prüfung des Forschungsprojektes und sorgt letztlich
für einen besseren Schutz sensibler Sozialdaten.
Neu eingefügt wurde in Absatz 2 allerdings eine Rege‑
lung für Folgeforschungen. Danach kann die Frist, die
den Wissenschaftlern zur Verarbeitung der Sozialdaten
für Forschungszwecke gegeben wurde, entweder ver‑
längert oder ganz neu bestimmt werden und es können
weitere Sozialdaten übermittelt werden, wenn sich bei
der wissenschaftlichen Forschung eine weitere For‑
schungsfrage ergibt, die in einem inhaltlichen Zusam‑
menhang mit der ursprünglichen Forschungsfrage steht.
Für die Weiternutzung der aufgrund der ursprünglichen
Genehmigung übermittelten Sozialdaten für andere,
aber noch in einem weiteren Sinn mit der ursprüng‑
lichen Forschungsfrage in Zusammenhang stehende
neue Forschungsfragen, findet danach auch ein er‑
leichtertes Genehmigungsverfahren statt. Die Regelung
lässt Spielraum für missverständliche Interpretationen
und man wird in der Praxis beobachten müssen, wie die
Genehmigungsbehörden die Norm auslegen.
Besonders kritisch sehe ich § 75 Absatz 4 Satz 6 SGB X,
in dem zwei unterschiedliche Regelungen in einem Satz
zusammengefasst wurden. Die zehnjährige Speicherfrist
aus dem ersten Teil des Satzes dient dazu, Forschungser‑
gebnisse reproduzieren zu können. Dies ist ein Ergebnis
der Forderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
und eine Reaktion auf betrügerische wissenschaftli‑
che Veröffentlichungen in den 1990er Jahren. Gegen
diese Regelung bestehen keine datenschutzrechtlichen
Bedenken. Es muss allerdings betont werden, dass der
Zweck der Regelung notwendigerweise bedingt, dass die
Rohdaten, die den wissenschaftlichen Forschungsergeb‑
nissen zugrunde liegen, nicht verändert werden, um Ma‑
nipulationen zu verhindern. Dem widerspricht jedoch
die Regelung im zweiten Teil des Satzes, wonach diese