Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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Grenzkontrollverfahren easyPass“ (vgl. u. Nr. 7.3.2) sowie die Einführung der elektronischen Kriminalakte bei
der Bundespolizei (vgl. u. Nr. 7.3.3).
7.3.1

Körperscanner auf deutschen Flughäfen –
Fortschritte und Probleme

Erstmalig werden auf einem deutschen Flughafen Körperscanner erprobt. Dabei sind offensichtlich meine Forderungen nach einem weitgehenden Schutz der Persönlichkeitsrechte bisher berücksichtigt worden.
Bei vielen Maßnahmen, die gegen terroristische und kriminelle Gefahren gefordert werden, steht der Datenschutz
– aber nicht nur er – vor einem Dilemma: In welchem
Maße darf in Persönlichkeitsrechte eingegriffen werden,
um den beschriebenen Gefahren zu begegnen oder zumindest die Risiken zu minimieren? Vielfach geht es dabei um die Auswahl zwischen Alternativen, die jede für
sich bedenkliche Konsequenzen haben könnte. In besonderem Maße gilt dies für die Sicherheit im Flugverkehr,
der bereits wiederholt Ziel terroristischer Aktionen war.
Nach dem gescheiterten Anschlagsversuch auf ein Flugzeug auf dem Weg nach Detroit an Weihnachten 2009 entfaltete sich auch in Deutschland eine intensive Diskussion
über Sinn und Risiko der Einführung von Körperscannern
auf deutschen Flughäfen. Mich erreichten hierzu auch
viele E-Mails von Bürgerinnen und Bürgern mit ganz unterschiedlichem Inhalt. Während einige wenig Verständnis
für datenschutzrechtliche Bedenken zeigten, äußerten viele
andere ihre Sorgen um den Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte. Sie fürchteten eine Verletzung ihres Schamgefühls,
eine Bloßstellung durch eine neue Form der Durchleuchtung, die ihre jeweiligen Leiden oder Besonderheiten,
wenn nicht öffentlich, so doch für Fremde sichtbar machten; zumal damals auch noch Bilder von Körperscannern
in den Medien kursierten, die von echten „Nacktscannern“
gemacht wurden.
Um die öffentliche Debatte über mehr Sicherheit zu versachlichen und gleichzeitig klar zu machen, welche Grenzen beim Ruf nach mehr Sicherheit nicht überschritten
werden dürfen, habe ich datenschutzrechtliche Voraussetzungen formuliert, ohne deren Erfüllung die Einführung
von Körperscannern nicht in Betracht kommen darf. In
diesem Sinne habe ich gemeinsam mit den Datenschutzbeauftragten der Länder während der 79. Datenschutzkonferenz am 17./18. März 2010 eine Entschließung verfasst
(vgl. Kasten zu Nr. 7.3.1.).
Danach gilt: Keine Körperscanner ohne den Nachweis eines Sicherheitsgewinns, keine Speicherung der erhobenen
Daten und optimaler Schutz der Menschenwürde, indem
keine menschlichen Konturen, keine Geschlechtsmerkmale oder medizinische Hilfsmitteln (wie etwa Windeln
oder künstliche Darmausgänge) auf dem Bildschirm als
solche sichtbar gemacht werden.
Gemessen daran halte ich die Geräte, wie sie gegenwärtig
vom zuständigen BMI auf dem Flughafen Hamburg erprobt werden, für deutlich besser als die Vorgängermodelle, insbesondere weil jede überprüfte Person nicht in
ihren wirklichen Körperformen sondern als ein unpersön-

Drucksache 17/5200
K a s t e n zu Nr. 7.3.1

Entschließung der 79. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
vom 17./18. März 2010
Körperscanner – viele offene Fragen
Der Anschlagsversuch von Detroit am 25. Dezember
2009 hat die Diskussion über den Einsatz von sog. Körperscannern bei der Passagierkontrolle am Flughafen
neu entfacht. Mit dieser Technik sollen Sicherheitslücken geschlossen werden. Es ist aber noch weitgehend
unklar, was diese Geräte technisch leisten können und
wie sie sich in ein konsistentes Gesamtsystem zur Flugsicherheit einfügen lassen. Eine Entscheidung über den
Einsatz solcher Geräte, die der Gesetzgeber zu treffen
hätte, setzt zumindest die Erfüllung folgender Bedingungen voraus:
1. Es muss geklärt werden, ob mit diesen Geräten ein
nennenswerter Sicherheitsgewinn erzielbar ist. Derzeit bestehen zumindest ernsthafte Zweifel an der
technischen Leistungsfähigkeit und Effizienz dieser
Technologie, vor allem im Hinblick auf die Detektierbarkeit von Materialien mit geringer Dichte,
etwa pulverförmigen Substanzen, wie sie im Fall
des Anschlagsversuchs von Detroit verwendet worden sind.
2. Es muss sichergestellt sein, dass die beim Einsatz der
Körperscanner erhobenen Daten der Kontrollierten
über den Scanvorgang hinaus nicht gespeichert
werden. Auch die Anzeige der Körperkonturen gegenüber dem Kontrollpersonal und die Speicherung
der erstellten Bilder über den Scanvorgang hinaus
sind technisch auszuschließen.
3. Selbst wenn die vorstehenden Bedingungen erfüllt
werden, darf der Einsatz von Scannern die Grundrechte der Betroffenen, insbesondere die absolut geschützte Menschenwürde und das Recht auf körperliche Unversehrtheit nicht verletzen. So dürften
z. B. Geschlechtsmerkmale oder künstliche Körperteile bzw. medizinische Hilfsmittel (etwa Prothesen
und künstliche Darmausgänge) nicht angezeigt werden. Gesundheitsschäden sind auszuschließen.
4. Die Erfüllung dieser Bedingungen ist in praktischen
Tests und Erprobungen nachzuweisen.
liches Strichmännchen dargestellt wird. Ich sehe allerdings noch weiteren Verbesserungsbedarf. So habe ich
gegenüber dem BMI angeregt, die eingesetzten Körperscanner nach anerkannten Maßstäben (sog. common criteria) durch unabhängige Sachverständige zertifizieren zu
lassen. Ich erwarte von der Bundesregierung außerdem,
dass sie sich auch auf europäischer Ebene für die von ihr
akzeptierten Voraussetzungen als europaweite Mindeststandards einsetzt. Zudem ist nach den bisherigen Erkenntnissen die Fehlerquote der Geräte noch sehr hoch,
so dass der Nachweis eines Sicherheitsgewinns und der
Einsatztauglichkeit noch aussteht.

BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010

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