Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
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schutzaufsicht zu gewährleisten. Dies ist nur mit einer entsprechenden personellen Ausstattung meiner Behörde zu
leisten. Die insoweit zur Aufgabenerledigung notwendigen 15 Planstellen sind mir im Haushalt 2011 nicht gewährt worden. Es wurden lediglich entsprechende Finanzmittel für die Personalausgaben eingestellt, was zunächst
nur befristete Arbeitsverhältnisse zulässt. Dies ist allenfalls für eine Übergangszeit vertretbar. Um meinen gesetzlichen Auftrag erfüllen zu können, sind möglichst bald
Planstellen für diese dauerhafte Aufgabe zu schaffen.
11.5.2
Reform von „Hartz IV“ – Bildungsgutscheine und Datenschutz
Die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ausgelöste
Neubemessung des Regelbedarfs hat auch eine datenschutzrechtliche Komponente. Meinen diesbezüglichen
Forderungen wurde im wesentlichen Rechnung getragen.
Mit dem Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/
09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) wurde dem Gesetzgeber aufgegeben, die Regelbedarfe nach SGB II und SGB XII verfassungskonform neu zu bemessen. Einen besonderen
Stellenwert räumt das Gericht dabei dem Bedarf von Kindern und Jugendlichen ein, für deren größere soziale Integration und bessere Chancen auf Bildung und Teilhabe
künftig besondere Leistungen – wie etwa für Lernförderung, Mittagsverpflegung und Klassenfahrten oder für die
Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben – vorzusehen sind.
Der Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch sah für die Erbringung dieser
Leistungen zunächst die Ausgabe von personalisierten
Gutscheinen vor, während eine anonyme Form von Kostenübernahmeerklärungen gegenüber leistungsberechtigten Personen auf bestimmte Sachverhalte beschränkt war.
Zudem sollte das Bundesministerium für Arbeit und
Soziales (BMAS) pauschal ermächtigt werden, durch
Rechtsverordnung die Entwicklung, das Verfahren und die
Nutzung eines elektronischen Abrechnungssystems zur
Leistungserbringung sowie zur Einlösung und Abrechnung der Gutscheine zu regeln.
Im Rahmen meiner Beteiligung habe ich mit Blick auf die
personalisierten Gutscheine auf das verfassungsrechtliche
Risiko einer Offenbarungspflicht Hilfebedürftiger gegenüber Dritten hingewiesen, deren „Verortung“ als hilfebedürftig ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zuwiderliefe. Stattdessen schlug ich vor, für alle
Leistungen für Bildung und Teilhabe als Alternative zu
personalisierten Gutscheinen die direkte Zahlung an die
Anbieter dieser Leistungen vorzusehen. Dem entspricht
die aktuelle Fassung der §§ 29 bis 30a SGB II-Entwurf
und § 34a SGB XII-Entwurf.
Auch bei der Ausgestaltung der Verordnungsermächtigung zum geplanten elektronischen Abrechnungssystem
für die Leistungserbringung sowie zur Einlösung und Abrechnung von Gutscheinen („Bildungschipkarte“) ist mir
das BMAS entgegengekommen.
Drucksache 17/5200
Ich hatte erhebliche Zweifel, ob die Festlegung der Grundzüge wie der Einzelheiten eines solchen Verfahrens dem
Verordnungsgeber überlassen werden darf. Denn der
Normgeber ist verpflichtet, im Bereich der Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Je intensiver ein Sachverhalt die Grundrechte berührt,
desto eher muss dieser gesetzlich geregelt werden. Dies
gilt vor allem bei technischen Neuerungen, wobei die Einrichtung elektronischer Abrechnungssysteme und der Einsatz der Chipkartentechnik klassische Beispiele für die
Notwendigkeit gesetzlicher Regelungen zur Eingrenzung
technisch bewirkter Grundrechtsrisiken bilden.
Für den Fall, dass es gleichwohl bei einer Regelung durch
Rechtsverordnung bleiben solle, wies ich das BMAS darauf hin, dass eine lediglich pauschale Verordnungsermächtigung – wie ursprünglich vorgesehen – keinesfalls ausreichend sei. Im Rahmen der näheren Darlegung von Inhalt,
Zweck und Ausmaß der beabsichtigten Verordnung müsse
die Ermächtigungsnorm grundrechtswahrend detaillierte
Vorgaben mit Blick auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht enthalten.
Nunmehr sieht der überarbeitete Entwurf einer Verordnungsermächtigung in § 29 Absatz 3 SGB II vor, dass das
BMAS durch Rechtsverordnung auch das Nähere über
die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Sozialdaten
bestimmt, die für den Zweck der Erbringung und Abrechnung von Leistungen mittels eines elektronischen Systems erforderlich sind. In der Rechtsverordnung ist jetzt
auch das Nähere zur Datensicherheit, insbesondere durch
technische Absicherungen im System, zu bestimmen. Damit wird auch in dieser Frage meinen Anregungen Rechnung getragen.
Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
11.5.3
E-Akte der Bundesagentur für Arbeit
Die Bundesagentur für Arbeit will ihre Papier-Kundenakten auf elektronische Akten (E-Akte) umstellen. Die Digitalisierung des Schriftguts soll durch einen Privatdienstleister erfolgen. Dagegen bestehen keine grundlegenden
Datenschutzbedenken.
Die BA will zukünftig ihre Papierakten vollständig durch
elektronische Akten ersetzen. Die Umstellung soll als Pilotprojekt in Sachsen-Anhalt und Thüringen starten, zunächst für die Arbeitslosenversicherung („Arbeitslosengeld I“) und in der Familienkasse („Kindergeld“).
Insgesamt liegen nach Angaben der Bundesagentur über
35 Millionen Kundenakten vor, täglich gehen 400 000 neue
Dokumente ein. Kundenakten und eingehende Briefe sollen in einem Scan-Zentrum der Deutschen Post AG digitalisiert werden, die von der BA dazu beauftragt worden
ist.
Dass auch ein Sozialleistungsträger wie die BA sich eines
privaten Dienstleisters zur Erhebung, Verarbeitung oder
Nutzung von Sozialdaten bedienen will, ist nur unter den
engen Voraussetzungen des § 80 Absatz 5 SGB X (z. B.
bei Störungen im Betriebsablauf oder bei erheblich kostengünstigerer Besorgung durch den Dienstleister) zulässig.
BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010