Drucksache 17/5200
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Finanzamt durchführen lassen. Dieses nur für einen Übergangszeitraum vorgesehene Wahlverfahren soll nach dem
Willen des Gesetzgebers durch ein Verfahren abgelöst
werden, bei dem die auf Kapitalerträge anfallende Kirchensteuer grundsätzlich an der Quelle, d. h. bei den Kreditinstituten, erhoben wird. (vgl. hierzu 22. TB Nr. 9.2)
Dem gesetzlichen Auftrag aus § 51a Absatz 2e EStG folgend und in Vorbereitung der Einführung eines neuen Verfahrens hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
unter Beteiligung von Vertretern der Kirchensteuern erhebenden Religionsgemeinschaften und weiterer Sachverständiger das derzeitige Wahlverfahren evaluiert. Ich
wurde hieran erst zu einem Zeitpunkt beteiligt, als die Evaluierung bereits weitgehend abgeschlossen war. Dies habe
ich gegenüber dem BMF kritisiert, da datenschutzrechtliche Belange im Umgang mit dem besonders sensiblen personenbezogenen Merkmal Religionszugehörigkeit nicht
hinreichend gewahrt wurden.
Kritisch bewertet hatte ich insbesondere, dass sich die
Evaluierung auf ein System fokussiert hat, das es den zum
Kirchensteuerabzug verpflichteten Kreditinstituten künftig ermöglichen soll, die Religionszugehörigkeit ihrer
Kunden unmittelbar beim Bundeszentralamt für Steuern
abzufragen. Zwar ist nach § 51a Absatz 2e EStG die Evaluierung mit dem Ziel durchzuführen, einen umfassenden
verpflichtenden Quellensteuerabzug auf der Grundlage eines elektronischen Informationssystems zu ermöglichen.
Dieser gesetzliche Auftrag entbindet jedoch nicht davon,
alternative Modelle zur Erreichung dieses Zieles zu prüfen. Ich habe daher in enger Abstimmung mit den Landesbeauftragten für den Datenschutz eine Alternative vorgeschlagen, bei der die Kreditinstitute keine Kenntnis von
der konkreten Religionszugehörigkeit ihrer Kunden erlangen. Dieses Modell beschränkt den Abruf im automatisierten Verfahren auf die Angabe des Prozentsatzes des abzuführenden Kirchensteuersatzes. Eine Clearingstelle würde
die Zuordnung der abgeführten Kirchensteuer sowie deren
Veranlagung und Weiterleitung durchführen. Trotz meiner
späten Beteiligung an der Evaluierung konnte ich erreichen, dass mein Vorschlag Eingang in den Bericht fand,
verbunden mit dem Auftrag der weiteren Prüfung (vgl.
Bundestagsdrucksache 17/2865).
Das künftige Verfahren habe ich zwischenzeitlich mit
Vertretern der zuständigen Arbeitsgruppe erörtert und dabei vor allem meine erheblichen Bedenken an den Vorschlägen des BMF deutlich gemacht. Die Kreditinstitute
würden Kenntnis von der konkreten Religionszugehörigkeit von mehr als 90 Millionen Kontoinhabern erhalten,
was zu erheblichen Missbrauchsrisiken führen und Begehrlichkeiten anderer Stellen wecken könnte. Auch habe
ich Zweifel, inwieweit das beabsichtigte Verfahren mit
dem Grundsatz der Datensparsamkeit vereinbar ist. Das
von mir vorgeschlagene alternative Modell, bei dem die
Kreditinstitute keine Kenntnis von der konkreten Religionszugehörigkeit ihrer Kunden erhalten, wurde von der
Arbeitsgruppe jedoch nicht aufgegriffen.
Allerdings konnte ich erreichen, dass datenschutzrechtliche Belange bei der Ausgestaltung des künftigen Verfahrens besondere Berücksichtigung finden sollen: Um dem
BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sensiblen Charakter der Religionszugehörigkeit gerecht zu
werden, sollte die Übermittlung der entsprechenden Angaben an die Kreditinstitute nur mit Einwilligung der Kontoinhaber erfolgen. Zur Verringerung der Missbrauchsrisiken
sollte den Kreditinstituten nicht die konkrete Religionszugehörigkeit, sondern allein eine entsprechend verschlüsselte Kennziffer übermittelt wird. Außerdem muss eine organisatorisch-technische Trennung des Verfahrens vom
operativen Vor-Ort-Geschäft der Banken gewährleisten,
dass beispielsweise der betreuende Bankbearbeiter keine
Kenntnis von der Religionszugehörigkeit seiner Kunden
erhält.
Ich werde die zum Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossenen Überlegungen zur Einführung eines neuen
Verfahrens weiterhin kritisch begleiten.
9.6
Prüfung einer Familienkasse
Aus der Stellung der Familienkasse bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) einerseits und der Wahrnehmung der
Aufgaben einer Finanzbehörde andererseits ergeben sich
datenschutzrechtliche Schwierigkeiten.
Familienkassen sind Finanzbehörden, die für die Durchführung aller mit dem Kindergeld im Zusammenhang stehenden Leistungen zuständig sind. Sie werden von der BA
als sog. Besondere Dienststellen getrennt von ihren übrigen Aufgaben geführt. Dieses Spannungsverhältnis zwischen den Aufgaben einer Finanzbehörde einerseits und
der Zugehörigkeit zur BA andererseits führt zu datenschutzrechtlich kritischen Verflechtungen, die Gegenstand
eines Kontroll- und Beratungsbesuchs waren. Problematisch sind insbesondere die wechselseitigen Zugriffsrechte
auf Datensätze der Familienkasse bzw. der BA und der gemeinsame Versand von Postsendungen.
Bei der Ausgestaltung der Zugriffsrechte führte mein Kontrollbesuch zu dem als positiv zu bewertenden Ergebnis,
dass Mitarbeiter der Familienkasse zwar auf das Vermittlungsprogramm „VerBIS“ der BA (vgl. hierzu 20. TB
Nr. 16.2) zugreifen können, dieser Zugriff aber nur bei
Vorliegen einer Einwilligung der Betroffenen erfolgt und
auf die für die Bearbeitung von Kindergeldangelegenheiten erforderlichen Daten beschränkt ist.
Die Kontrolle offenbarte jedoch Defizite im Hinblick auf
die gemeinsame Archivierung von Akten der Familienkasse und der örtlichen Agentur für Arbeit. Da dieser
Missstand unmittelbar nach meinem Besuch beseitigt
wurde, habe ich von einer Beanstandung abgesehen. Des
Weiteren ergab meine Kontrolle, dass das Berechtigungskonzept für das von den Familienkassen eingesetzte
IT-Verfahren KIWI (Kindergeld-Windows-Implementierung) den datenschutzrechtlichen Anforderungen an eine
transparente Zuordnung von Aufgaben nicht ausreichend
gerecht wird. Ich habe darauf hingewiesen, dass im
Zusammenhang mit der derzeit parallel durchgeführten
Erarbeitung eines neuen einheitlichen Benutzermanagement-Systems für alle Fachverfahren ein Berechtigungskonzept eingeführt werden sollte, das eine klare Zuordnung von Zugriffsbefugnissen zu einer bestimmten
Aufgabe enthält. Dies wurde mir von der Familienkasse