Drucksache 18/1200
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des Informationszuganges aus Sicht des Gerichtes
rechtmäßig gewesen wäre.
Um hier den Geheimschutz sicherzustellen und
zugleich dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes gerecht zu werden,
hat der Gesetzgeber ein „Zurückbehaltungsrecht“ der
beklagten Verwaltungsbehörde geregelt und ein besonderes gerichtliches Verfahren zur Prüfung der
Voraussetzungen dieses Rechtes geschaffen, sog.
„In-Camera-Verfahren“. Dieses (Zwischen-)Verfahren wird nicht von dem für die „eigentliche“ Sachentscheidung zuständigen Spruchkörper, sondern von
einem Fachsenat beim Oberverwaltungsgericht bzw.
- sofern eine oberste Bundesbehörde die Aktenvorlage mit einer Sperrerklärung verweigert - vom Fachsenat beim Bundesverwaltungsgericht auf Antrag
einer der beiden Parteien durchgeführt.
Dem Fachsenat beim BVerwG sind die - jedenfalls
aus Sicht der obersten Bundesbehörde - sensiblen
und deshalb geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen
vorzulegen. Der Kläger des Hauptsacheverfahrens
hat in diesem Zwischenverfahren grundsätzlich kein
Recht auf Einsicht in die Gerichts- und Behördenakten.
Damit wird eine Überprüfung durch ein unabhängiges Gericht ermöglicht, wenn auch (nur) in einem
„asymmetrischen“ Verfahren ohne Teilnahme und
ohne Akteneinsicht des Klägers.
Kommt der Fachsenat zu dem Ergebnis, dass die
Verweigerung der Aktenvorlage an das Hauptsachegericht teilweise oder zur Gänze gerechtfertigt ist,
stellt der Fachsenat dies verbindlich fest, ohne in
seinem Beschluss Art und Inhalt der geheimhaltungsbedürftigen Informationen offenzulegen. Das
für die Entscheidung in der Hauptsache zuständige
Gericht ist an diese Entscheidung gebunden und
kann die Vorlage der Verwaltungsvorgänge zu den
Gerichtsakten insoweit nicht (mehr) verlangen.
Im vorliegenden Fall kam der vom Kläger angerufene Fachsenat zu dem Ergebnis, die Weigerung des
als Aufsichtsbehörde beigeladenen Bundeskanzleramtes, die Unterlagen dem Hauptsachegericht vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, sei nur teilweise zu Recht erfolgt. Rechtfertigungsgründe für
die Schwärzung bloßer Querverweise auf andere
Vorgänge oder der Schwärzung mit „Decknamen“
bezeichneter, abgeschlossener Operationen seien
nicht zu erkennen.
Dabei hat der Fachsenat des BVerwG unter Bezugnahme auf frühere Entscheidungen noch einmal betont, dass (auch) „ein grundrechtlich abgesichertes
Interesse betroffener Dritter an einer Geheimhaltung
bestimmter persönlicher Daten ein tragfähiger Grund
(sei), um die Vorlage von Akten in einem gerichtli4. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
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chen Verfahren nach § 99 Absatz 1 Satz 2 VwGO zu
verweigern“ (BVerwG, Beschluss vom 10. Januar
2012 - 20 F 1/11, 7 A 15/10). Allerdings „greift dieser Schutz persönlicher Daten nicht unterschiedslos,
sondern nur soweit, als diese Daten (noch) schutzwürdig sind.“ Daran fehlt es nach Auffassung des
Fachsenates, „wenn es sich um Personen der Zeitgeschichte handelt, die in den Unterlagen nur in ohnehin bekannten Zusammenhängen angeführt werden,
oder wenn es sich um persönliche Daten handelt, die
in allgemein zugänglichen Quellen erwähnt worden
sind, und diese Quellen, etwa Zeitungsberichte oder
sonstige Publikationen, in den Unterlagen lediglich
wiedergegeben sind, ohne dass dadurch weiterführende Rückschlüsse ermöglicht werden.“
Das BVerwG bestätigt damit, dass nicht nur im staatlichen Funktionsinteresse zu wahrende, „originär
staatliche Geheimnisse“, sondern auch grundrechtlich geschützte „Diskretionsinteressen“ Privater zu
einer rechtmäßigen Beschränkung oder sogar zu
einem rechtmäßigen Ausschluss der Aktenvorlage an
das Hauptsachegericht führen können.
Zum Kreis der - auch im verwaltungsgerichtlichen
Verfahren grundsätzlich schutzbedürftigen und im
In-Camera-Verfahren zu prüfenden - Diskretionsinteressen Privater gehören aber nicht nur die durch § 5
IFG vor dem Informationszugang Dritter geschützten
Rechtspositionen, sondern auch exklusives, konkurrenzrelevantes kaufmännisches Wissen und betriebstechnisches Know How, das grundrechtlich durch
Artikel 12 und 14 GG und im Kontext des IFG durch
§ 6 Satz 2 IFG geschützt wird.
„Bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen handelt es
sich um Vorgänge, die nach § 99 Absatz 1 Satz 2
VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind“
(Beschluss des BVerwG vom 11. Juni 2010
- BVerwG 20 F 12.09 -).
Nachdem die Anwendbarkeit des In-camera-Verfahrens nach § 99 VwGO somit auch hinsichtlich der
unterschiedlichen, verfassungsrechtlich gesch��tzten
Geheimnisse Privater durch höchstrichterliche Auslegung der VwGO geklärt ist, würde ich es gleichwohl begrüßen, wenn bei Gelegenheit einer künftigen Überarbeitung der VwGO auch eine entsprechende gesetzliche Klarstellung erfolgen würde.
3.1.4
Welche Behörde ist zur Verfügung
über die begehrten Informationen
berechtigt?
Die Bundesministerien sind nach meiner Auffassung
regelmäßig zur Verfügung über die von den Behörden ihres Geschäftsbereiches im Rahmen der Fachaufsicht vorgelegten amtlichen Informationen berechtigt. „Kehrseite“ der Verfügungsbefugnis ist die
Verpflichtung, IFG-Anträge zu diesen Informationen