Im 27. TB hatte ich unter Punkt 9.3.3 bereits zum
Pilotprojekt der Deutschen Bahn AG, des BMI und der
Bundespolizei (BPol) berichtet. Hier ging es um das erste
von zwei Teilprojekten. Die BPol hatte biometrische
Gesichtserkennungssoftware von mehreren Unternehmen getestet. Daraufhin wurde ein Abschlussbericht
veröffentlicht. Das Ergebnis ist nach meiner Rechtsauffassung aus mehreren Gründen äußerst bedenklich.
Grundlegenden Vorbehalten begegnet bereits die
Methodik des Testaufbaus und damit die Aussagekraft der Ergebnisse. Die Rate der falsch erkannten
Personen ist für einen flächendeckenden Einsatz im
Wirkbetrieb nach meiner Überzeugung viel zu hoch
(s. https://www.bundespolizei.de/Web/DE/04Aktuelles/
01Meldungen/2018/10/181011_abschlussbericht_gesichts
erkennung_down.pdf?__blob=publicationFile).
Die Analyse biometrischer Daten eines Menschen und
der anschließende Abgleich mit Datenbanken greift
tief in die Grundrechte der betroffenen Person ein.
Eine Rechtsgrundlage für den Einsatz biometrischer
Videoanalyse existiert bisher nicht. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an entsprechende Vorschriften sind aus guten Gründen sehr hoch.
Die Einführung der biometrischen Gesichtserkennung
in den Polizeialltag ist datenschutzrechtlich und gesellschaftspolitisch eine überaus kritisch zu beurteilende
Überwachungstechnologie. Digitale Überwachungskameras sind bereits allgegenwärtig. Die erforderli-

chen Daten sind also bereits vorhanden. Erfahrungen
haben darüber hinaus gezeigt, dass vielfach zunächst
vorgesehene gesetzliche Beschränkungen des Datenzugriffs im Laufe der Zeit sukzessive wegfallen. Wird die
biometrische Gesichtserkennung der Polizei per Gesetz
erlaubt, besteht durchaus eine reelle Gefahr, dass die
Möglichkeiten zur Überwachung der Bevölkerung anhand biometrischer Merkmale nach und nach ausgeweitet werden. Diese Entwicklung berührt den Kern unseres
gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die Frage der
Schaffung einer solchen Möglichkeit braucht eine breite
gesellschaftliche Debatte. Biometrische Videoanalyse ist
nicht bloß ein weiteres Einsatzmittel der Polizei.
Nachdem 2018 das erste Teilprojekt zur Gesichtserkennung abgeschlossen wurde, startete am 18. Juni
2019 der zweite Testteil, der inzwischen ebenfalls beendet ist. Auch hierbei wurde der Einsatz von Software zur
„intelligenten“ Videoanalyse getestet. Es wurden dabei
einzelne Situationen – unter anderem von Darstellern –
simuliert, wie z. B. liegende Person, herrenlose Gepäckstücke, Menschenansammlungen oder das Betreten
bestimmter gesperrter Bereiche. Die Software sollte
die einzelnen Gefahrensituationen erkennen und diese
in der Leitstelle der Deutsche Bahn AG und der BPol
anzeigen. Biometrische Komponenten der Software wie
Gesichtserkennung waren nach Aussage der Hersteller
dabei ausgeschaltet. Die BPol und die Deutsche Bahn AG
werten derzeit die angefallenen Daten und Erkenntnisse

Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für 2019

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