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ein Beispiel sein. Schließlich gilt mein besonderes Augenmerk, den Bestrebungen im europäischen und im deutschen
Raum entgegenzuwirken, die eine verdachtsunabhängige
Vorratsdatenspeicherung von Verbindungsdaten bei den Telekommunikationsunternehmen einführen wollen.
11.3.1

Technische Aspekte bei der Überwachung
von E-Mail

Überwachungsmaßnahmen des E-Mail-Verkehrs werden
von den Strafverfolgungsbehörden schon seit längerer Zeit
durchgeführt. Bisher sind die Anforderungen an die Übermittlung der überwachten E-Mails allerdings nicht geregelt,
da kein Standard für die Übertragung besteht und insbesondere keine Verschlüsselung vorgesehen ist. Dies hat zur
Folge, dass die überwachten E-Mails vom Anbieter zur
Strafverfolgungsbehörde offen über das Internet übertragen
werden.
Ich halte die unverschlüsselte Übertragung sensibler E-Mails
für bedenklich (s. auch 17. TB Nr. 8.4 und 18.4). Die Tatsache, dass eine E-Mail-Adresse überwacht wird, ist bereits
eine sehr brisante Information, die eine gesicherte Übertragung der E-Mail erforderlich macht – selbst wenn die ursprüngliche E-Mail unverschlüsselt ist. Deshalb hat die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post im
Sommer 2002 die betroffenen Anbieter, Hersteller und Behörden eingeladen, um eine Regelung für die sichere Übertragung der überwachten E-Mails zu finden. Diese Initiative
wird auch von mir unterstützt. Inzwischen haben hierzu
mehrere Gespräche stattgefunden.
Ich rechne damit, dass die „Technische Richtlinie zur Beschreibung der Anforderungen an die Umsetzung gesetzlicher Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation“ Anfang 2003 geändert und die beschlossene Technik
im Frühjahr 2003 umgesetzt wird. Damit sollte dann eine
ungeschützte Übertragung der Vergangenheit angehören.
Eine schneller umsetzbare Lösung wäre hier zwar wünschenswert gewesen, war aber aus technischen und organisatorischen Gründen nicht möglich.
11.3.2

Die neue TelekommunikationsÜberwachungsverordnung

Mit § 88 Telekommunikationsgesetz (TKG) gibt es seit Juli
1996 eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Verordnung für die technische Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen im Bereich der Telekommunikation. Bereits im
Mai 1998 wurde ein erster Entwurf für eine „Verordnung
über die technische und organisatorische Umsetzung von
Überwachungsmaßnahmen in der Telekommunikation (Telekommunikations-Überwachungsverordnung – TKÜV)”
vorgelegt. Dieser wurde in der Öffentlichkeit sehr kontrovers
diskutiert und aufgrund der dabei geäußerten Kritik vom federführenden BMWi kurzfristig zurückgezogen (s. 17. TB
Nr. 10.1.5.1 und 18. TB Nr. 10.1.3). Im darauffolgenden Jahr
wurden dann vom Ministerium die „Eckpunkte für den Regelungsrahmen der Rechtsverordnung nach § 88 TKG” vorgelegt.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben in einer Entschließung vom 10. Mai 2001 (s. Anlage 16)
darauf aufmerksam gemacht, dass die technikneutrale Formulierung der ersten Entwürfe datenschutzrechtlich problematisch sei. Es bestand zum damaligen Zeitpunkt die Gefahr,

dass nicht nur die Sprachtelefonie und der Telefaxverkehr,
sondern auch alle anderen elektronischen Kommunikationsplattformen und damit insbesondere das Internet erfasst würden.
Die TKÜV ist dann am 29. Januar 2002 in Kraft getreten
und ersetzt die bislang geltende Fernmeldeverkehr-Überwachungs-Verordnung aus dem Jahr 1995. Es wurde ein in langen Diskussionen gefundener tragfähiger Kompromiss zwischen den berechtigten Belangen der Strafverfolgungs- und
Sicherheitsbehörden auf der einen und den nachzuvollziehenden Interessen der verpflichteten Telekommunikationsunternehmen auf der anderen Seite gefunden. So sind etwa
Internetprovider – bis auf die Fälle angeordneter Überwachungen von E-Mails – durch die TKÜV von der gesetzlichen Verpflichtung freigestellt worden, technische Überwachungseinrichtungen vorzuhalten. Gleiches gilt auch für
die Betreiber von Corporate Networks.
Die TKÜV wurde bereits zum 24. August 2002 geändert
und dabei um Vorschriften für die technische und organisatorische Umsetzung von Maßnahmen der strategischen Beschränkung ergänzt. Grund hierfür war die Novellierung des
Artikel-10-Gesetzes (G10), das nunmehr in den §§ 5 und 8
Maßnahmen als strategische Beschränkungen vorsieht, bei
denen die Überwachung eines Teils der Telekommunikation
aus oder zu bestimmten Regionen im Ausland angeordnet
werden kann (s. auch Nr. 19.2). Derartige strategische Beschränkungen unterscheiden sich grundlegend von den übrigen Überwachungsmaßnahmen. Dies wirkt sich bei ihrer
technischen Umsetzung in der Weise aus, dass sie Betreiber
anderer Telekommunikationsanlagen betrifft. Die Vorschriften dazu sind in Teil 3 der TKÜV zusammengefasst. Die
bisherigen Regelungen für die Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen nach den §§ 100a, 100b Strafprozessordnung, dem § 3 G10 sowie den §§ 39 bis 43 Außenwirtschaftsgesetz werden hiervon nicht berührt und sind
inhaltlich unverändert geblieben.
11.3.3

Überlegungen zur Vorratsspeicherung

Es ist sicherlich nicht immer leicht, die richtige Balance
zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und den Sicherheitsinteressen des Staates zu finden. Im Berichtszeitraum wurden von verschiedenen Seiten jedoch Überlegungen angestellt, die das Gleichgewicht zulasten des einzelnen
Bürgers zu verändern drohten und deshalb bei Datenschützern die Alarmglocken schrillen ließen.
Anlass war in erster Linie eine Gesetzesinitiative des Bundesrates, die wesentliche datenschutzrechtliche Grundsätze außer
Acht ließ und aus Datenschutzsicht einen massiven Angriff
auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellte. Nachdem die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden schon zuvor erheblich erweitert worden waren (vgl.
hierzu Nr. 2), sah der Gesetzentwurf (Bundesratsdrucksache 275/02) eine Ermächtigungsgrundlage für die Bundesregierung vor, durch Verordnung Regelungen für eine Vorratsspeicherung im Bereich der Telekommunikation und der
Internetnutzung zu treffen. Durch Aufnahme von Mindestspeicherfristen für Kommunikationsdaten in das Telekommunikationsgesetz und das Teledienstedatenschutzgesetz
sollte gewährleistet werden, dass Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden nicht mehr wie bisher durch gesetzliche

BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002

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