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gegenwärtig weniger in Richtung auf eine Änderung der
Richtlinie als vielmehr auf deren verbesserte Anwendung.
Als relevante Punkte nannte er dabei die Vereinfachung des
Meldeverfahrens, die weitere Angleichung zwischen den
Mitgliedsstaaten, verstärkte Anstrengungen im Bereich der
Privacy Enhancing Technologies, mehr Flexibilität bei der
Drittlandsübermittlung und eine stärkere Rolle der Selbstregulierung.
Im Hinblick auf die noch begrenzten Anwendungserfahrungen ist diese Position der Kommission durchaus nachvollziehbar. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, dass die in
Deutschland teilweise vollzogene, teilweise geplante Modernisierung des Datenschutzes auch auf der europäischen
Ebene ihre Entsprechung finden muss. Bei manchen Themen kann dies ohne Novellierung der Richtlinie gelingen.
So zeigte der Arbeitskreis „Bild- und Tonverarbeitung“,
dass mehrere Mitgliedsstaaten auch ohne Gesetzesänderung
zu einer Handhabung gelangt sind, die der im neuen § 6b
BDSG vorgeschriebenen weitgehend entspricht. Grundsätzlich sollte die Kommission aber eine Novellierung nicht
ausschließen, wenn die sachliche Notwendigkeit evident ist
und für eine umfassende und zügige freiwillige Koordination der Mitgliedsstaaten nur geringe Aussichten bestehen.
4
Technologischer Datenschutz
4.1
Neue Regelungen im BDSG:
Videoüberwachung
4.1.1
Grundsätzliches
Ich habe es sehr begrüßt, dass der Gesetzgeber mit den
neuen Regelungen des § 6b BDSG endlich klare Rechtsnormen für die Videoüberwachung geschaffen hat (s. o. Nr.
3.2.2). Zweifellos hat sich hiermit die Rechtsposition der
betroffenen Bürgerinnen und Bürger verbessert. Neben den
rechtlichen gibt es aber auch technische und psychologische
Aspekte zu beachten. Die Aufstellung neuer Videokameras
im öffentlichen Raum führt immer wieder zu – häufig kontroversen – Diskussionen in der Öffentlichkeit und in den
Medien und die verunsicherten Bürger fragen, ob das denn
sein muss, was eigentlich aufgezeichnet wird und was damit
geschieht.
Unabhängig von einer datenschutzrechtlichen Bewertung
zeigt sich damit vielfach ein gravierendes Versäumnis der
verantwortlichen Stelle: Seit Jahren weise ich immer wieder
darauf hin, dass unerlässliche Voraussetzung für einen wirkungsvollen – und von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptierten – Einsatz von Videoüberwachung die frühzeitige und
angemessene Beteiligung der Betroffenen ist. Das kann
damit beginnen, dass ein beabsichtigtes Projekt in angemessener Form – auch mithilfe der Medien – bekannt gegeben
und den Betroffenen Gelegenheit gegeben wird, sich hierzu
zu äußern. Bereits in dieser Phase könnten Mängel erkannt
und bestehende Besorgnisse durch die Gestaltung des Systems behoben werden. Die Inbetriebnahme des fertigen Systems sollte ebenfalls frühzeitig und in angemessener Form
bekannt gemacht werden. Von besonderer Bedeutung ist
auch die in § 6b Abs. 2 BDSG geforderte Kenntlichmachung der Videoüberwachung: Wer sich in einen überwachten Bereich begibt oder sich in ihm aufhält, muss über
diesen Umstand unmissverständlich und deutlich informiert
werden.
BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002
4.1.2
Datenschutz durch Technik
Bei der Videoüberwachung muss in besonderer Weise dem
Grundsatz der Datensparsamkeit und Datenvermeidung
Rechnung getragen werden, wie er nach der Novellierung
des BDSG in § 3a geregelt ist. Für die technische Ausgestaltung eines Videoüberwachungssystems ergeben sich
hieraus eine Reihe von Anforderungen:
Grundsätzlich unzulässig ist – über die Beobachtung hinaus –
eine permanente Aufzeichnung aller gewonnenen Bildsequenzen oder auch nur der Bildsequenzen einzelner Kameras. Die Aufzeichnung ist nur zulässig, „wenn sie zum
Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist (§ 6b
Abs. 3 BDSG)“. In diesem Sinne muss der Umfang der
gespeicherten Daten technisch – gegebenenfalls durch
„menschliche Mitwirkung“ – auf das Unerlässliche begrenzt
werden. Dies kann z. B. dadurch geschehen, dass der Aufzeichnungszeitraum für eine bestimmte Kamera auf einen
kurzen Zeitraum, z. B. 30 Minuten, begrenzt wird, wonach
die gespeicherten Daten automatisch durch die Daten der
danach folgenden Bildsequenzen überschrieben werden. Als
Alternative bietet es sich an, erst im „Alarmfall“ mittels
Knopfdruck eine Aufzeichnung zu starten.
Für die Wahrung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen
ist es von besonderer Bedeutung, dass der Aufnahmewinkel
der Kameras bzw. die dadurch bestimmten Bildausschnitte
sich strengstens am Zweck der Videobeobachtung orientieren. Dabei dürfen Sichtwinkel und Brennweite der Kameras
keineswegs einen Einblick in Wohn- und Geschäftsräume
ermöglichen, der eine Identifikation der dort wohnenden
bzw. arbeitenden Menschen erlaubt.
Besonders beeindruckt hat mich das Konzept eines deutschen
Anbieters von Videobeobachtungssystemen, wonach die Gesichter der beobachteten Personen in der Aufzeichnung
grundsätzlich durch eine computergestützte Bildbearbeitung
unkenntlich gemacht werden: Das eingesetzte Programm erkennt in den Videobildern mit hoher Zuverlässigkeit
menschliche Gesichter und verdeckt diese mit einem geometrischen Muster, wie wir dies – allerdings von Menschen
gesteuert – bereits aus dem Fernsehen etwa beim Interview
von Personen kennen, die nicht erkannt werden wollen. Die
Unkenntlichmachung kann durch eine erneute Bearbeitung
der Aufzeichnung wieder aufgehoben werden, etwa durch
den Warenhausdetektiv, wenn durch die Videobeobachtung
ein Diebstahl aufgezeichnet wurde. Die Unkenntlichmachung der Gesichter der Kaufhauskunden kann von ihm
jedoch nur dann aufgehoben werden, wenn er dafür einen
kryptographischen Schlüssel benutzt, der Unbefugten nicht
zur Verfügung steht.
Durch intensive Kontakte zu Anbietern und Mitarbeit in
verschiedenen Gremien von Anbietern und wissenschaftlichen Einrichtungen setze ich mich für datenschutzfördernde
Maßnahmen bei der Videotechnik ein.
4.2
Mehr Sicherheit mit Biometrie?
„Password oder PIN vergessen?“ oder „Handelt es sich
wirklich um die Person, für die sie sich ausgibt?“.
Wer kennt nicht das Problem? Sicherheit – angefangen von
Zugangsschutz zu Gebäuden oder Einrichtungen bis hin zur
Anmeldung am PC – bekommt einen immer größeren Stellenwert in unserer Gesellschaft. Nicht erst seit dem 11. Sep-