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Wegen der großen Bedeutung, die mit der Erhebung und
Übermittlung von sensiblen Daten behinderter Menschen
von und an verschiedene Stellen verbunden ist, werde ich die
weitere Entwicklung der Organisation und der Aufgabenstellung in den Servicestellen weiterhin im Auge behalten.
28

Gesundheit

28.1

Telematik im Gesundheitswesen

Die Entwicklung im Gesundheitswesen ist im Berichtszeitraum durch demographische Veränderungen, Fortschritte in
medizinischer Forschung und Technik und nicht zuletzt
durch eine zunehmende europäische Integration und Globalisierung geprägt worden. In meinem letzten Tätigkeitsbericht habe ich über die langsam anlaufenden Aktivitäten auf
dem Gebiet der Gesundheitstelematik, worunter Anwendungen von Telekommunikation und Informatik im Gesundheitswesen zu verstehen sind, berichtet (Nr. 25.1). Es ist also
nicht weiter überraschend, dass dieses Thema inzwischen
ein zentrales gesellschaftspolitisches Anliegen geworden ist,
das auch im politischen Bereich große Aufmerksamkeit findet. Das Aktionsforum für Telematik im Gesundheitswesen,
in dem Vertreter aller Selbstverwaltungspartner zusammenarbeiten, hat inzwischen so genannte Managementpapiere zu
den Themen elektronisches Rezept, elektronischer Arztbrief,
Sicherheitsinfrastruktur und internationale Perspektiven von
Telematik beschlossen. Diese Papiere enthalten eine Bestandsaufnahme der Ist-Situation, beschreiben den Handlungsbedarf und zeigen auch Lösungsansätze auf. Eine Umsetzung dieser Vorschläge ist jedoch noch nicht erfolgt.
Der Einsatz moderner Informationstechnologie soll die
Qualität der medizinischen Versorgung optimieren, patientenorientierte Angebote verbessern und Wirtschaftspotenziale im Gesundheitswesen erschließen. Vorgesehen ist somit
eine Leistungsverbesserung bei gleichzeitiger Effienzsteigerung und Kostenreduzierung, und alles soll insgesamt zum
Wohle und Nutzen der Patienten sein. Vor dem Hintergrund
des allgemeinen Misstrauens gegenüber dem Einsatz neuer
Techniken wird über Erfolg oder Misserfolg des Einsatzes
von Informationstechnik im Gesundheitswesen die Akzeptanz bei den Menschen entscheiden. Die Patienten müssen
sich mit ihren Daten im Netz eines modernen Gesundheitswesens geborgen fühlen, sie dürfen nicht den Eindruck haben als seien sie Objekte, die in diesem Netz gefangen sind.
Aus Sicht des Datenschutzes ist ein entscheidender Punkt,
dass die Patienten nicht schlechter gestellt werden dürfen
als sie vorher standen. Wenn alles nur dem Wohle der Patienten dienen soll, dann darf sich auch deren datenschutzrechtliche Position nicht verschlechtern. Der Patient ist bislang Herr seiner Daten und das muss auch so bleiben. Das
bedeutet, dass die Patienten – im Rahmen der gesetzlichen
Vorschriften – über eine Teilnahme an und einen Ausstieg
aus einem Projekt selbst entscheiden können müssen. Wenn
die Akzeptanz für die neuen Techniken vorhanden ist, weil
die Patienten die sich für sie ergebenden Vorteile erkennen,
werden sie sich auch freiwillig beteiligen.
In einer „Gemeinsamen Erklärung des Bundesministeriums
für Gesundheit und der Spitzenorganisationen zum Einsatz
von Telematik im Gesundheitswesen“ vom 3. Mai 2002
(s. Anlage 29) haben sich alle Partner für einen verstärkten
Einsatz von Telematikanwendungen ausgesprochen. Die Erklärung enthält auch die Aussage, dass Modellversuche nur

BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002

unter strenger Beachtung des Datenschutzes und des Selbstbestimmungsrechts der Patienten durchgeführt werden dürfen. Es besteht ferner Einigkeit, dass die mit dem Ausbau zur
Gesundheitskarte verbundene Speicherung und Verarbeitung
von Gesundheitsdaten als freiwilliges Angebot an die Versicherten zu gestalten ist. Schließlich finden sich in dieser Erklärung meine zentralen datenschutzrechtlichen Forderungen, an denen sich alle vorgesehenen Vorhaben messen
lassen müssen. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
– Die Datenhoheit der Patienten und der Grundsatz der
Freiwilligkeit der Speicherung von Gesundheitsdaten
müssen bewahrt werden.
– Die Patienten müssen darüber entscheiden können, welche ihrer Gesundheitsdaten aufgenommen und welche
gelöscht werden.
– Die Patienten müssen darüber entscheiden können, ob
und welche Daten sie einem Leistungserbringer zugänglich machen.
– Es dürfen keine zentral gespeicherten Datensammlungen
über Patienten entstehen.
– Die Patienten müssen das Recht haben, die über sie gespeicherten Daten zu lesen.
– Die Verwendung der gespeicherten Patientendaten muss
sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens unter Wahrung
des bestehenden Schutzniveaus (z. B. Beschlagnahmeschutz in der Arztpraxis) bewegen.
Diese datenschutzrechtlichen Parameter gilt es bei der Einführung telematischer Anwendungen zu erfüllen, gleichgültig ob es sich um das elektronische Rezept, die Gesundheitskarte oder die elektronische Patientenakte handelt.
28.2

Elektronisches Rezept – Wie kommt
das Rezept zur Apotheke?

Das elektronische Rezept soll nach übereinstimmender Auffassung aller in diesem Bereich tätigen Akteure den Einstieg
in die Gesundheitstelematik bilden. Die Gründe für diese
dem elektronischen Rezept zugedachte Schuhlöffelfunktion
liegen in erster Linie in dem enormen finanziellen Einsparungspotenzial, das bei jährlich durchschnittlich 600 Millionen Rezepten mit 900 Millionen Verordnungen im Wert von
über 20 Milliarden Euro erwartet wird. Darüber hinaus
dürfte dieses Projekt – im Vergleich zu anderen telematischen Vorhaben – bei den Patienten leichter zu vermitteln
sein und damit auf die erforderliche Akzeptanz stoßen. Ungeachtet dieser positiven Vorzeichen ist aber im Berichtszeitraum der entscheidende Durchbruch noch nicht gelungen.
Bereits in meinem letzten Tätigkeitsbericht habe ich die
mögliche technische Ausgestaltung eines elektronischen
Rezepts ausführlich beschrieben (s. Nr. 25.1.3). Unverändert sind zwei Grundmodelle im Gespräch, die sich wie
folgt kurz zusammenfassen lassen:
1. Das Rezept wird auf einer Chipkarte gespeichert, auf der
neben der aktuellen Verschreibung auch weitere Rezepte
gespeichert werden können. Die Chipkarte bleibt im Besitz des Patienten, sodass nur mit dessen Einwilligung der
Apotheker oder der Arzt auf den Inhalt zugreifen können.
2. Der Arzt übermittelt das Rezept elektronisch an einen
speziellen Server, auf den – neben den Ärzten – auch

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