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bislang nicht gefolgt. Ich werde mich daher weiter bemühen, mit den einzelnen Berufsgenossenschaften und auch
mit dem HVBG eine praktikable und datenschutzfreundliche Lösung zu finden. Ein abschließendes Ergebnis konnte
in dieser Frage bislang nicht erzielt werden.
26.1.4
Auswahlrecht auch bei Zusatzgutachten
Aus einer Vielzahl von Eingaben und auch bei Kontrollen
habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Gutachterauswahlregelung des § 200 Abs. 2 SGB VII insbesondere bei
der Vergabe von Zusatzgutachten Schwierigkeiten bereitet.
Der Wortlaut der Vorschrift ist insoweit eindeutig. Bei Zusatzgutachten handelt es sich ebenfalls um Gutachten im
Sinne der Vorschrift, die zwischen Haupt- und Zusatzgutachten nicht unterscheidet.
In vielen Fällen hatten die UVT den Versicherten drei Gutachter zur Auswahl benannt. Dabei war den Versicherten
mitgeteilt worden, der ausgewählte Gutachter werde den
weiteren Verlauf mit ihnen absprechen, wenn Begutachtungen auf anderen Fachgebieten erforderlich seien. Dies
wurde sogar bei äußerst schweren Unfällen so gehandhabt,
obwohl absehbar war, dass Gutachten auf mehreren Fachgebieten benötigt wurden. So wurden beispielsweise einem
schwer verletzten Versicherten drei Gutachter auf chirurgischem Fachgebiet vorgeschlagen. Der hieraus ausgewählte
Gutachter vergab dann Gutachten auf neurologischem, psychiatrischem, HNO-ärztlichem und augenärztlichem Fachgebiet, ohne dass der Versicherte für diese weiteren Aufträge einen von drei benannten Gutachtern auswählen oder
selbst einen von ihm gewünschten Gutachter vorschlagen
konnte.
Der von einem UVT unter Beachtung des § 200 Abs. 2
SGB VII beauftragte Gutachter ist nicht befugt, eigenmächtig einen oder mehrere Zusatzgutachter zu beauftragen. Ein
solches Vorgehen berücksichtigt nicht, dass die Berufsgenossenschaft in allen Verfahrensschritten die Herrin des
Verfahrens bleibt. Es ist auch nicht mit der Intention des
§ 200 Abs. 2 SGB VII vereinbar, durch einen Gutachter
ohne Wissen des Versicherten weitere Zusatzgutachter beauftragen zu lassen, weil dieser seine Mitwirkungsrechte
und sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 SGB X gegen
die Übermittlung seiner Sozialdaten an die Zusatzgutachter
nicht ausüben kann. Daher sind dem Versicherten vor jeder
Beauftragung mit einem Zusatzgutachten auch insoweit
mindestens drei Gutachter zur Auswahl zu benennen. Das
gilt auch dann, wenn ein von der Berufsgenossenschaft beauftragter Gutachter erst im Laufe der Untersuchung oder
Bearbeitung feststellt, dass er ein weiteres Gutachten benötigt. Auch in diesem Fall müssen die Rechte des Versicherten beachtet werden. Bei meinen Kontrollen habe ich mit
den meisten Berufsgenossenschaften eine Einigung darüber
erzielt, dass der Versicherte zumindest in dem Schreiben zur
Gutachterauswahl auf sein Recht hingewiesen wird, auch
die Zusatzgutachter auswählen bzw. selbst vorschlagen zu
können.
26.2
Verwertungsverbot bei unzulässiger
Datenerhebung: Erschleichung eines
Obduktionsergebnisses
Einer Petentin wurden Leistungen für Hinterbliebene nach
dem SGB VII versagt, weil die Berufsgenossenschaft der
BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002
chemischen Industrie sich unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften den Obduktionsbericht ihres verstorbenen Mannes beschafft hatte. Nach dem Tode des Ehemanns, der seit längerer Zeit an einer als Berufskrankheit
anerkannten Asbestose erkrankt war, ermittelte die Berufsgenossenschaft hinsichtlich der Todesursache. Nach § 63
Abs. 2 SGB VII besteht bei bestimmten Erkrankungen, zu
denen auch eine Asbestose zählt, eine Rechtsvermutung dafür, dass der Tod des Versicherten infolge der Berufskrankheit eingetreten ist. Das Gesetz stellt ausdrücklich klar, dass
eine Obduktion zum Zwecke einer solchen Feststellung
nicht gefordert werden darf.
Im vorliegenden Fall hatte die Petentin auf Anfrage des behandelnden Arztes einer Obduktion zu ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken zugestimmt. Den entsprechenden
Obduktionsbefund wollte die Berufsgenossenschaft trotz
der bestehenden Rechtsvermutung unbedingt zur Klärung
von Kausalitätsfragen nutzen: Wenige Tage nach der Obduktion forderte sie die Petentin telefonisch unter Hinweis
auf eine Verkürzung der Bearbeitungsdauer auf, den Obduktionsbericht zu übersenden. Dieses Vorgehen steht nicht im
Einklang mit den datenschutzrechtlichen Voraussetzungen
für eine Einwilligung. Nach § 67b SGB X ist eine Einwilligung des Betroffenen nur wirksam, wenn er auf den Zweck
der vorgesehenen Verarbeitung oder Nutzung hingewiesen
wird, die Einwilligung auf freier Entscheidung beruht und –
entsprechend dem in Satz 3 der Vorschrift normierten
Schriftformerfordernis – schriftlich erteilt worden ist. Auch
die Anforderung des Obduktionsbefundes beim Krankenhaus war datenschutzrechtlich nicht zulässig. Der Obduktionsbericht konnte ausschließlich aufgrund der Zustimmung
der Angehörigen zu der Obduktion erstellt werden, sodass
eine Auskunftsverpflichtung der Ärzte nur im Umfang dieser Einwilligung bestehen konnte. Die Landesbeauftragte
für den Datenschutz Nordrhein-Westfalen hat in ihrer Zuständigkeit für die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften durch das Krankenhaus die Übersendung des
Obduktionsbefundes an die Berufsgenossenschaft als unzulässig bewertet. Die Petentin war auch nicht – wie von der
Berufsgenossenschaft behauptet – verpflichtet, den Obduktionsbericht aufgrund einer Mitwirkungsobliegenheit an die
Berufsgenossenschaft herauszugeben, da sie die Einwilligung zur Obduktion auf die Entnahme des Tumors zu wissenschaftlichen Zwecken beschränkt hatte. Diese eindeutige
Zweckbindung kann keine Mitwirkungsverpflichtung begründen.
Der somit unter Verletzung zahlreicher datenschutzrechtlicher Vorschriften erhobene Obduktionsbericht ist nach § 84
Abs. 2 SGB X zu löschen. Diese Auffassung wird von dem
Bundesversicherungsamt geteilt sowie auch vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages befürwortet. Dennoch
hat die Berufsgenossenschaft den Antrag der Petentin abgelehnt. Der gegen diese Entscheidung erhobenen Klage wurde
in erster Instanz stattgegeben. Die Berufsgenossenschaft hat
hiergegen indes Berufung eingelegt. Ich werde mich auch im
weiteren Verlauf dieser Angelegenheit für die Beachtung der
datenschutzrechtlichen Vorschriften einsetzen.
26.3
Sozialdaten in Regressfällen
Eine Petentin war auf dem Weg zur Arbeit unverschuldet in
einen Autounfall verwickelt worden und hatte dabei
schwerste, bleibende Gesundheitsschäden erlitten. Sie