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staaten teilen einander mit, bei welchen Staatsangehörigen
sie die Erteilung eines Sichtvermerks von einer solchen
Konsultation abhängig machen wollen. Ein Visum kann in
diesen Fällen nur erteilt werden, wenn von der konsultierten
zentralen Behörde die Antwort „keine Bedenken“ kommt,
oder wenn binnen sieben Arbeitstagen keine Antwort vorliegt. Rechtsgrundlage für dieses Verfahren bildet Artikel 17
Abs. 2 SDÜ. Das Verfahren selbst ist für alle SchengenStaaten in den „Gemeinsamen Konsularischen Instruktionen“ geregelt.
Ich habe mich im Jahre 2002 beim AA in Berlin und in dessen Rechenzentrum in Bonn über das Verfahren informiert.
Wie ich hierbei festgestellt habe, werden im nationalen
Konsultationsverfahren durchschnittlich monatlich rund
50 000 Fälle abgewickelt. Das gesamte Nachrichtenaufkommen auf dem zentralen Server des AA (alle eingehenden Anfragen, Weiterleitungen, Antworten der Sicherheitsbehörden und der zentralen Behörden der anderen Staaten
sowie die Rückantworten) liegt im Monatsdurchschnitt bei
mehreren Hunderttausend Datensätzen. Das AA leitet die
Anfragen der eigenen Auslandsvertretungen und die der
zentralen Behörden der anderen Staaten an die Sicherheitsbehörden (BKA, BfV, BND und ZKA) weiter und vermittelt
deren Antworten. Hierbei wird der anfragenden Behörde im
Falle vorliegender Bedenken nur mitgeteilt, dass solche bestehen, nicht jedoch wer diese Bedenken geäußert hat und
auch nicht deren Gründe. Die Informationsverarbeitung
läuft vollautomatisch über das Mail-System VISION im Rechenzentrum des AA in Bonn ab, ohne dass es im Normalfall einer individuellen Bearbeitung bedarf. Das AA in Berlin hat lediglich lesenden Zugriff auf das System. Die Daten
werden drei Monate nach Einleitung des Verfahrens automatisch gelöscht.
Nach dem Ergebnis dieser Informations- und Kontrollbesuche haben sich in verfahrensmäßiger Hinsicht keine datenschutzrechtlichen Probleme ergeben. Für eine abschließende Beurteilung werde ich das Konsultationsverfahren
auch bei den im nationalen Verfahren beteiligten Sicherheitsbehörden kontrollieren.
Kritik habe ich jedoch erneut an der fehlenden Rechtsgrundlage für die Durchführung des in Artikel 17 Abs. 2 SDÜ lediglich institutionalisierten Konsultationsverfahrens geübt
(vgl. 15. TB Nr. 23.2.1.2). Die Einverständniserklärung, die
der Visumsantragsteller im Antrag auf Erteilung eines
Schengen-Visums abgeben muss, kann die fehlende Rechtsgrundlage für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der
für die Durchführung des Verfahrens erforderlichen personenbezogenen Daten nicht ersetzen. Das AA hat hierzu erklärt, es werde die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die
Durchführung der Konsultationen in einem EU-Rechtsakt
weiter verfolgen. Die EU-Kommission habe dieses Anliegen in ihren Arbeitsplan für das Jahr 2003 aufgenommen.
16.3
ZIS-Übereinkommen
16.3.1
Aktennachweissystem – Ergänzung
des Zollinformationssystems
Das mit dem Übereinkommen über die Nutzung der Informationstechnologie im Zollbereich vom 26. Juli 1995 (vgl.
zuletzt 18. TB Nr. 13.4) eingerichtete Zollinformationssystem (ZIS), das zu einer engeren Zusammenarbeit der Zollbehörden der EU-Mitgliedsstaaten im Rahmen der dritten
Säule der EU (Inneres und Justiz) führen soll, hat auch im
Berichtszeitraum seinen Wirkbetrieb nicht aufgenommen.
Die Gründe hierfür sind technischer Natur, zumal die Übereinkunft über die vorläufige Anwendung des Übereinkommens zwischen einigen Mitgliedsstaaten der EU am 1. November 2000 in Kraft getreten ist.
Inzwischen haben die EU-Mitgliedsstaaten ihren Meinungsstreit darüber beigelegt, ob das ZIS als reine Ausschreibungsdatenbank oder gleichzeitig auch als Aktennachweissystem für Zwecke der Recherche genutzt werden kann. Auf
Initiative der damaligen deutschen Präsidentschaft im
1. Halbjahr 1999 wurden Beratungen über eine als „Aktennachweissystem“ bezeichnete automatisierte Datei geführt,
die den für die Zollfahndung zuständigen Stellen der Mitgliedsstaaten Informationen über das Vorhandensein von Akten über abgeschlossene oder laufende Ermittlungsverfahren
in den Mitgliedsstaaten zur Verfügung stellen soll. Ziel ist es,
die für die Zollfahndung in den Mitgliedsstaaten zuständigen
Stellen in die Lage zu versetzen, ihre Ermittlungen untereinander rasch abzustimmen und sich ggf. auf ein gemeinsames
Vorgehen zu verständigen. Hierdurch soll insbesondere die
Bekämpfung der organisierten und grenzüberschreitenden
Kriminalität verbessert werden. Das Aktennachweissystem
ergänzt damit die Datenbank des ZIS zur Koordinierung der
Maßnahmen der Stellen, die für die Kontrolle des Personenund Warenverkehrs zuständig sind (vgl. hierzu Nr. 9.10).
Als Rechtsgrundlage für das Aktennachweissystem wurde
ein Protokoll zur Ergänzung des ZIS-Übereinkommens gewählt. Die Beratungen des Entwurfs in der zuständigen
Ratsarbeitsgruppe sind nach Mitteilung des BMF, das mich
stets an der Abstimmung der deutschen Verhandlungsposition beteiligt hat, abgeschlossen.
Ich begrüße den von den EU-Mitgliedsstaaten gewählten
Weg, für das Aktennachweissystem eine vom ZIS rechtlich
unabhängige Datenbank mit eigener Zweckbestimmung und
eigenem Anwendungsbereich einzurichten. Auch gegen die
im Protokoll vorgesehenen Regelungen habe ich keine Einwände: Der Umfang der im Aktennachweissystem zu speichernden personenbezogenen Daten ist auf das erforderliche
Maß beschränkt; es gelten strenge Zweckbindungsregelungen; der Nutzerkreis ist eng begrenzt und die Dauer der vorgesehenen Speicherfristen trägt dem Stand des jeweiligen
Ermittlungsverfahrens Rechnung.
Mit der zu erwartenden Annahme des Protokolls durch den
Rat und vor dem Hintergrund der Schaffung der innerstaatlichen Voraussetzung durch bereichsspezifische Regelungen
für den Zollfahndungsdienst (s. o. Nr. 15.1) dürften die Hindernisse für eine deutsche Ratifizierung des ZIS-Übereinkommens beseitigt sein. Mit der Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung nach Artikel 59
Abs. 2 GG ist im Laufe des Jahres 2003 zu rechnen.
16.3.2
Gemeinsame Aufsichtsbehörde für das
ZIS – eine weitere Datenschutzinstanz
im Dritten Pfeiler der EU
Am 7. März 2002 hat sich als weitere datenschutzrechtliche
Aufsichtsbehörde neben der gemeinsamen Kontrollinstanz
nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen und
derjenigen nach dem Europol-Übereinkommen die gemeinsame Aufsichtsbehörde gemäß Artikel 18 des ZIS-Übereinkommens konstituiert. Sie setzt sich aus je zwei Vertretern der
BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002