Um das Ausmaß der zu erwartenden Speicherungen in Deutschland zu verstehen, ist ein Blick auf die folgenden
Zahlen hilfreich. Nach den Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat wären in Deutschland im Jahr
2014 PNR-Daten zu etwa 164 Millionen Fluggästen analysiert und gespeichert worden. Dass die Zahl so hoch
ist, liegt wesentlich an dem erklärten Willen der europäischen Innenminister, auch Flüge zu erfassen, deren
Abflug- und Landeort innerhalb der Europäischen Union liegen. Die Erfassung dieser Flüge ist nach der Richtlinie nicht verbindlich. Für Deutschland bedeutet dies, dass PNR-Daten zu fast 100 Millionen Flugpassagieren
mehr erhoben werden, als wenn man die Erfassung auf die Flüge in oder aus Drittstaaten begrenzen würde.
An meiner von Anfang an bestehenden Skepsis hat sich nichts geändert: Mit der Richtlinie schaffen die Mitgliedstaaten riesige Datenbanken, für deren Erforderlichkeit in diesem Umfang wenig Konkretes vorgetragen
worden ist. Ich erkenne an, dass während der jahrelangen Verhandlungen verschiedene zusätzliche Verfahrenssicherungen eingebaut worden sind, um die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Hierzu zählen etwa die Depersonalisierung der Daten nach sechs Monaten, ein besonderer Genehmigungsvorbehalt für den Zugriff danach oder
das Verbot, bestimmte sensible Daten zur Grundlage für den Abgleich mit Gefährdungsmustern zu machen.
Bei der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht werde ich mich dafür einsetzen, die vorhandenen Spielräume datenschutzfreundlich zu nutzen. Dabei wird der Blick auch auf den EuGH in Luxemburg gerichtet bleiben. Zum Thema PNR habe ich bereits in meinem letzten Tätigkeitsbericht auf die Rechtsprechung des EuGH
zu grundrechtssensiblen Eingriffen hingewiesen, die mehr und mehr der des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Das letzte Wort darüber, ob und wie die europäischen Fluggastzentralen personenbezogene Daten verdachtslos analysieren und speichern dürfen, wird der EuGH haben. Nachdem der EuGH die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten aufgehoben hatte, hat das Europäische Parlament den
EuGH um ein Gutachten gebeten, mit dem die Rechtmäßigkeit eines Abkommens überprüft werden soll, auf
dessen Grundlage PNR-Daten in ähnlicher Art und Weise an die kanadischen Sicherheitsbehörden übermittelt
werden dürfen.
2.3.3
Schengen-Evaluierung in Deutschland
Die Expertengruppe zur Prüfung der Umsetzung des Schengener Besitzstandes hat auch meine Arbeit unter die
Lupe genommen.
Bereits im Sommer 2015 hat eine Expertengruppe die Umsetzung des sog. Schengener Besitzstandes in
Deutschland geprüft. Die Gruppe bestand aus Vertretern der Europäischen Kommission und Mitarbeitern der
Datenschutzbeauftragten der Mitgliedstaaten. Hierbei wurde untersucht, inwieweit die jeweiligen Institutionen
in Deutschland zur effizienten Umsetzung des Schengen-Raumes und der dazu erlassenen Rechtsakte beitragen
(Verordnung (EU) Nr. 1053/2013 des Rates vom 07.10.2013, Artikel 2). Dies betraf neben meiner Tätigkeit und
der der Datenschutzbeauftragten der Länder u. a. auch die der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts und des
Auswärtigen Amts.
In meinem Zuständigkeitsbereich wurde u. a. meine Kontroll- und Beratungstätigkeit beim Schengener Informationssystem, dem Visainformationssystem sowie Projekten im Bereich des Grenzschutzes geprüft. Hierzu zählt
auch meine Hilfestellung bei Ersuchen von betroffenen Bürgern und von mir zur Verfügung gestelltes Informationsmaterial zu diesen Themen.
Ein weiterer sehr wichtiger Prüfpunkt war meine Unabhängigkeit, hinsichtlich derer bei der vorherigen Schengen-Evaluierung Bedenken bestanden. Da ich seit dem 1. Januar 2016 vollkommen unabhängig bin, ist diese
wichtige Voraussetzung jetzt endlich erfüllt.
Dem vorläufigen Prüfbericht der Expertengruppe zufolge sehe ich alle an mich gestellten Anforderungen erfüllt.
Zu erwähnen ist jedoch, dass für die Erledigung der an mich gestellten Anforderungen immer auch eine ausreichende Personalstärke hinterlegt sein sollte. Dies auch, um Kontrollen in den vorgegebenen Intervallen und in
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BfDI 26. Tätigkeitsbericht 2015-2016