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n o c h Anlage 13 (zu Nr. 2 und Nr. 8.1)
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heitsrechten so gewährleistet werden kann, dass unser
Rechtsstaat nicht zum Überwachungsstaat wird. Dazu
ist eine umfassende und systematische Evaluierung
der im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung eingefügten Eingriffsbefugnisse der Sicherheitsbehörden notwendig.
Anonyme Internetnutzung
Das Surfen im World Wide Web mit seinen immensen
Informationsmöglichkeiten und das Versenden von eMails sind heute für viele selbstverständlich. Während
aber in der realen Welt jeder Mensch zum Beispiel in
einem Buchladen stöbern oder ein Einkaufszentrum
durchstreifen kann, ohne dass sein Verhalten registriert wird, ist dies im Internet nicht von vornherein
gewährleistet. Dort kann jeder Mausklick personenbezogene Datenspuren erzeugen, deren Summe zu einem
aussagekräftigen Persönlichkeitsprofil und für vielfältige Zwecke (z. B. Marketing, Auswahl unter Stellenbewerbungen, Observation von Personen) genutzt
werden kann. Das Recht auf Anonymität und der
Schutz vor zwangsweiser Identifizierung sind in der
realen Welt gewährleistet (in keiner Buchhandlung
können Kundinnen und Kunden dazu gezwungen werden, einen Ausweis vorzulegen). Sie werden aber im
Bereich des Internet durch Pläne für eine umfassende
Vorratsspeicherung von Verbindungs- und Nutzungsdaten bedroht.
Das Recht jedes Menschen, das Internet grundsätzlich
unbeobachtet zu nutzen, muss geschützt bleiben. Internet-Provider dürfen nicht dazu verpflichtet werden,
auf Vorrat alle Verbindungs- und Nutzungsdaten über
den betrieblichen Zweck hinaus für mögliche zukünftige Strafverfahren oder geheimdienstliche Observationen zu speichern.
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Unabhängige Evaluierung der Eingriffsbefugnisse der
Sicherheitsbehörden
Schon vor den Terroranschlägen des 11. September
2001 standen den deutschen Sicherheitsbehörden nach
einer Reihe von Antiterrorgesetzen und Gesetzen gegen die Organisierte Kriminalität weitreichende Eingriffsbefugnisse zur Verfügung, die Datenschutzbeauftragten und Bürgerrechtsorganisationen Sorgen
bereiteten: Dies zeigen Videoüberwachung, Lauschangriff, Rasterfahndung, langfristige Aufbewahrung der
Daten bei der Nutzung des Internet und der Telekommunikation, Zugriff auf Kundendaten und Geldbewegungen bei den Banken.
Durch die jüngsten Gesetzesverschärfungen nach den
Terroranschlägen des 11. September 2001 sind die
Freiräume für unbeobachtete individuelle oder gesellschaftliche Aktivitäten und Kommunikation weiter
eingeschränkt worden. Bürgerliche Freiheitsrechte
und Datenschutz dürfen nicht immer weiter gefährdet
werden.
Nach der Konkretisierung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden und der Schaffung neuer Befugnisse im
Terrorismusbekämpfungsgesetz sowie in anderen gegen Ende der 14. Legislaturperiode verabschiedeten
Bundesgesetzen ist vermehrt eine offene Diskussion
darüber notwendig, wie der gebotene Ausgleich zwischen kollektiver Sicherheit und individuellen Frei-
BfD
20. Tätigkeitsbericht
2003–2004
Die Datenschutzbeauftragten halten darüber hinaus
eine Erweiterung der im Terrorismusbekämpfungsgesetz vorgesehenen Pflicht zur Evaluierung der neuen
Befugnisse der Sicherheitsbehörden auf andere vergleichbar intensive Eingriffsmaßnahmen – wie Telefonüberwachung, großer Lauschangriff und Rasterfahndung – für geboten.
Die Evaluierung muss durch unabhängige Stellen und
an Hand objektiver Kriterien erfolgen und aufzeigen,
wo zurückgeschnitten werden muss, wo Instrumente
untauglich sind oder wo die negativen Folgewirkungen überwiegen. Wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse zur Evaluation des Richtervorbehalts z. B.
bei Telefonüberwachungen machen deutlich, dass der
Bundesgesetzgeber Maßnahmen zur Stärkung des
Richtervorbehalts – und zwar nicht nur im Bereich der
Telefonüberwachung – als grundrechtssicherndes Verfahrenselement ergreifen muss.
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Stärkung des Schutzes von Gesundheitsdaten
Zwar schützt die Jahrtausende alte ärztliche Schweigepflicht Kranke davor, dass Informationen über ihren
Gesundheitszustand von denjenigen unbefugt weitergegeben werden, die sie medizinisch betreuen. Medizinische Daten werden aber zunehmend außerhalb des
besonderen ärztlichen Vertrauensverhältnisses zu Patienten und Patientinnen verarbeitet. Telemedizin und
High-Tech-Medizin führen zu umfangreichen automatischen Datenspeicherungen. Hinzu kommt ein zunehmender Druck, Gesundheitsdaten z. B. zur Einsparung
von Kosten, zur Verhinderung von Arzneimittelnebenfolgen oder „zur Qualitätssicherung“ einzusetzen. Die
Informatisierung der Medizin durch elektronische Aktenführung, Einsatz von Chipkarten, Nutzung des Internets zur Konsultation bis hin zur ferngesteuerten
Behandlung mit Robotern erfordern es deshalb, dass
auch die Instrumente zum Schutz von Gesundheitsdaten weiterentwickelt werden.
Der Schutz des Patientengeheimnisses muss auch in
einer computerisierten Medizin wirksam gewährleistet
sein. Die Datenschutzbeauftragten begrüßen deshalb
die Absichtserklärung in der Koalitionsvereinbarung,
Patientenschutz und Patientenrechte auszubauen. Dabei ist insbesondere sicherzustellen, dass Gesundheitsdaten außerhalb der eigentlichen Behandlung soweit
wie möglich und grundsätzlich nur anonymisiert oder
pseudonymisiert verarbeitet werden dürfen, soweit die
Verarbeitung im Einzelfall nicht durch ein informiertes Einverständnis gerechtfertigt ist. Das Prinzip des
informierten und freiwilligen Einverständnisses ist
insbesondere auch für eine Gesundheitskarte zu