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21.2

Massenuntersuchungen bei
Neugeborenen

Seit vielen Jahren gibt es ein sog. NeugeborenenScreening, bei dem in den ersten Lebenstagen entnommenes Blut auf bestimmte Krankheiten untersucht wird. Der
Untersuchungsumfang und die Behandlung der Proben
wird in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt.
Das sog. Neugeborenen-Screening wird zum Teil seit den
60er Jahren durchgeführt. Dabei wird Blut aus der Ferse
des Neugeborenen entnommen und auf eine Testkarte
aufgebracht. Das Blut wird untersucht, um behandelbare
Stoffwechselkrankheiten von Neugeborenen unverzüglich erkennen und heilen zu können. Die Blutentnahme
muss spätestens am dritten Tag nach der Geburt erfolgen,
da nur bis zu diesem Tag das Vorliegen der Krankheiten
erkannt werden kann. Die Aufbewahrung der Restblutmengen und der Befunde erfolgt in einigen Ländern zentral. Datenschutzrechtlich besonders problematisch ist die
Archivierung der Testkarten mit den Restblutmengen. Solange diese den betroffenen Personen noch zugeordnet
werden können, stellen sie eine – auch gentechnisch auswertbare – zentrale Probensammlung dar, die entsprechende Begehrlichkeiten wecken könnte.
Anlässlich der Beratung dieser Thematik auf der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der
Länder stellte sich heraus, dass das Neugeborenen-Screening in den einzelnen Bundesländern völlig unterschiedlich gehandhabt wird. Parallel zu diesen Überlegungen
hat die 75. Gesundheitsministerkonferenz das BMGS aufgefordert, in Anbetracht künftiger diagnostischer Möglichkeiten eine „nationale Screening Kommission“ zu bilden, die Empfehlungen für die Weiterentwicklung von
Screeninguntersuchungen im Kindesalter entwickeln soll.
Daraufhin hat mir der Gemeinsame Bundesausschuss
(vgl. § 91 Abs. 5 SGB V) einen Entwurf einer Ergänzung
der Richtlinie über die Früherkennung von Krankheiten
bei Kindern bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres zur
Stellungnahme vorgelegt. Dieser Entwurf enthält zum einen die Aufzählung der sog. Zielkrankheiten und zum anderen die Regelung zur Vernichtung der Restblutproben
spätestens drei Monaten nach der Entnahme. Eine entsprechende bundeseinheitliche Regelung habe ich in Anbetracht der Sensibilität der Daten im Hinblick auf mögliche spätere gentechnische Analysen und der zentralen
Aufbewahrung stets gefordert. Der vorliegende Entwurf,
insbesondere die Regelung zum Aufbewahrungszeitraum,
ist aus datenschutzrechtlicher Sicht positiv zu bewerten.
Ich werde die Entwicklung auch weiterhin begleiten und
auf eine datenschutzgerechte Ausgestaltung des Verfahrens achten.
21.3

Apotheken-CD

Durch die sog. Apotheken-CD werden personenbezogene
Rezeptdaten unzulässigerweise zu kommerziellen Zwecken verwendet. Eine gesetzliche Klarstellung erscheint
dringend erforderlich.
Die Problematik der Nutzung personenbezogener Rezeptdaten von Apothekenkunden für andere als Abrechnungszwecke in Form der sog. Apotheken-CD hat mich auch

im Berichtszeitraum weiter beschäftigt (vgl. 19. TB
Nr. 28.7.3). Nach § 300 Abs. 2 SGB V ist den Apothekenrechenzentren die personenbezogene Datenverarbeitung allein für Abrechnungszwecke erlaubt. Meine Auffassung wird von dem zuständigen BMGS geteilt.
Dagegen vertreten die Datenschutzaufsichtsbehörden der
Länder überwiegend die Auffassung, dass die Erstellung
und Nutzung der Apotheken-CD dann zulässig sei, wenn
sie sich auf
– die Erstellung von Zuzahlungsbescheinigungen für die
Patienten,
– Möglichkeiten der Rezeptrecherche für Patienten,
Ärzte und Krankenkassen oder
– die Nachvollziehbarkeit der Berechtigung einer Retaxation
beziehen würde.
Das BMGS und ich haben die obersten Datenschutzaufsichtsbehörden wiederholt auf die Unvereinbarkeit der
o. g. Auffassung mit dem geltenden Recht hingewiesen.
Bedeutsam ist insbesondere, dass die Apothekenrechenzentren Rezeptdaten unzulässigerweise zur kommerziellen Vermarktung nutzen. Dies bewirkt nicht nur eine unterschiedliche Auslegung und uneinheitliche Handhabung
sozialrechtlicher Vorschriften in den Ländern. Damit werden auch die strengen Zweckbindungsregeln für sensible
Gesundheitsdaten aufgeweicht, was insbesondere vor
dem Hintergrund der Einführung der Telematik im Gesundheitswesen (z. B. der Gesundheitskarte) von großer
datenschutzrechtlicher Brisanz ist. Die Entwicklung der
IT wird zu zunehmenden Datenbeständen im Gesundheitswesen führen, was die Notwendigkeit verstärkt, die
Nutzung der Gesundheitsdaten auf einen engen Verwendungszweck zu begrenzen.
Aufgrund der beschriebenen Situation halte ich eine klarstellende Änderung des § 300 Abs. 2 SGB V für unumgänglich, um die unterschiedlichen Interpretationen dieser Vorschrift zu beenden.
22

Verkehr

22.1

Mit dem Brummi auf der Datenautobahn
unterwegs

Am 1. Januar 2005 wurde mit der Erhebung der LKWMaut begonnen. Bereits in der Testphase des Systems
wurden personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet; ich habe daher vor dem offiziellen Start an Ort und
Stelle die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben geprüft.
Nachdem die gesetzlichen Grundlagen für die Datenverarbeitung bei der Erhebung der LKW-Maut festgelegt waren (vgl. 19. TB Nr. 29.1), standen nun die technische Gestaltung und die Funktionalität des ausgewählten Systems
sowie die praktische Umsetzung des Autobahnmautgesetzes (ABMG) im Mittelpunkt meines Interesses. Nach
dem Gesetz hatte das Mautsystem die Anforderungen des
Datenschutzes auch bereits im Test- und Probebetrieb zu
erfüllen. Hierzu haben das Bundesamt für Güterverkehr
(BAG) und die Betreiberfirma Toll Collect GmbH
(Toll Collect) Datenschutzkonzepte erstellt, die ich bei

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

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