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erfahren, dass die Kreditinstitute in der Praxis generell
abgelehnte Kreditanträge in eine Warndatei aufnehmen
und sich dabei auf diese „Empfehlung“ berufen, die sie
allerdings nicht als bloße Empfehlung, sondern als bankenaufsichtliche Weisung der BaFin verstehen.
Ich habe daraufhin der BaFin dargelegt, dass es im Regelfall nicht erforderlich sei, abgelehnte Kreditanträge zu
speichern und damit eine Art „schwarze Liste“ von Kreditantragstellern anzulegen. Zwar könne es Einzelfälle
geben, bei denen es bestimmte Anhaltspunkte für eine
wiederholte Kreditantragstellung gäbe und die Kreditinstitute vermeiden wollten, den gleichen Kreditantrag
mehrfach zu prüfen, aber generell müsse die Speicherung
abgelehnter Kreditanträge die Ausnahme bleiben. Dieses
Regel/Ausnahme-Verhältnis müsse in der Empfehlung
deutlich zum Ausdruck kommen. Darüber hinaus fehle
für die Einzelfälle, in denen die Speicherung zulässig sei,
eine Frist, da eine unbegrenzte Speicherung unverhältnismäßig sei.
Die BaFin hat vor diesem Hintergrund zugesagt, im Rahmen der ohnehin anstehenden Überarbeitung der MAK,
auch die in Frage stehende Empfehlung zu überdenken;
nach derzeitigem Stand scheint sie erfreulicherweise ganz
darauf verzichten zu wollen.
11.4
Die SCHUFA erweitert ihr Geschäftsfeld
Die SCHUFA plant die Erweiterung ihres Geschäftsfeldes. Es sollen nunmehr auch Wirtschaftsbereiche an das
Auskunftssystem angeschlossen werden, die nicht zu den
„klassischen“ Vertragspartnern der kreditgebenden Wirtschaft gehören.
Die SCHUFA verfolgte im Berichtszeitraum weiter das
Ziel, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Während der
SCHUFA bislang ausnahmslos Vertragspartner der kreditgebenden Wirtschaft angeschlossen waren (Banken,
Telekommunikationsunternehmen, Versandhandel, Handel), plant die SCHUFA laut eigener Aussagen nunmehr,
alle diejenigen Unternehmen, „die Kredite im weiteren
Sinne gewähren, von den SCHUFA-Daten profitieren zu
lassen“. Sie öffnet sich daher verstärkt auch Wirtschaftssparten, deren berechtigtes Interesse an den SCHUFADaten zweifelhaft ist. Konkret ging es im Berichtszeitraum um den Anschluss der Wohnungswirtschaft, der
Versicherungswirtschaft und des Inkassobereichs. Der
Anschluss dieser Bereiche war im sog. B-Verfahren geplant, d. h. die Vertragspartner melden Negativmerkmale
in den Datenbestand ein, die dann auch von allen anderen
Vertragspartnern abgerufen werden können. Auf der anderen Seite wären sie berechtigt, Negativmerkmale aus
dem gesamten Datenbestand zu erhalten. Gegen den Anschluss dieser Sparten an den Datenbestand der SCHUFA
habe ich große Bedenken geäußert.
Hinsichtlich der Wohnungswirtschaft verweise ich auf die
Ausführungen in meinem 19. Tätigkeitsbericht (vgl.
19. TB Nr. 10.5.1; s. auch u. Nr. 11.6). Den in Aussicht
genommenen Anschluss der Versicherungswirtschaft
halte ich für inakzeptabel, da ein Kreditrisiko für die Ver-
sicherungen in aller Regel nicht gegeben ist. Versicherungen können bei Nichtzahlung der Versicherungsprämie
den Vertrag kündigen mit der Folge, dass dadurch der
Versicherungsschutz erlischt. Zudem hat auch die
SCHUFA eingeräumt, dass ein Zusammenhang zwischen
einem Schadensrisiko der Versicherung und der Bonität
eines Versicherungsinteressenten nicht nachgewiesen sei.
Einen SCHUFA-Anschluss von Inkassounternehmen
kann ich mir nur in den eng begrenzten Fällen vorstellen,
in denen das Inkassounternehmen als „verlängerter Arm“
eines anderen Vertragspartners der SCHUFA tätig wird.
Alle darüber hinausgehenden Fälle wären meiner Meinung nach eine unzulässige Ausdehnung der Vertragspartner der SCHUFA ohne das Vorliegen eines berechtigten Interesses.
Die SCHUFA hat derzeit Daten von über 60 Mio. Bundesbürgern gespeichert. Eine weitere Ausdehnung der
Vertragspartner bedeutet vor diesem Hintergrund eine
noch breitere Streuung von Bonitätsdaten praktisch aller
Erwerbstätigen in Deutschland mit all ihren Konsequenzen (vgl. dazu Nr. 11.7). Ich werde mich deshalb weiterhin dafür einsetzen, dass die Begrenzung des Kreises der
Anschlussnehmer auf solche, die ein berechtigtes Interesse an der Kreditwürdigkeit der Betroffenen haben, erhalten bleibt.
11.5
Score- und Rating-Verfahren –
Kaffeesatz statt harter Fakten?
Score- und Rating-Verfahren erlangen eine zunehmende
Bedeutung für kommerzielle Entscheidungen, die den einzelnen Bürger betreffen. Rechtliche Rahmenbedingungen
auf diesem Gebiet wären hier hilfreich.
In zunehmendem Maße werden sog. „Score“- und „Rating“-Verfahren für wirtschaftliche Entscheidungsprozesse genutzt. Es handelt sich dabei um Verfahren, die auf
mathematisch-statistischer Grundlage Risikoklassen bilden, denen dann Kreditsuchende, Kaufinteressenten etc.
zugeordnet werden und die dann angeblich ein Bild deren
Bonität zeichnen. Mit den Verfahren soll die Kreditwürdigkeit weitgehend unabhängig vom tatsächlichen Verhalten des Betroffenen beurteilt werden, selbst dann,
wenn keinerlei negative Informationen über das Zahlungsverhalten einer Person aus der Vergangenheit vorliegen. Es gibt heute kaum noch wirtschaftliche Entscheidungen, die ohne Hinzuziehung solcher Verfahren
getroffen werden. Bestellt man eine Ware per Internet,
läuft in der Regel bereits während des Erhebungsvorgangs der Adressdaten ein Scoring-Verfahren ab, von
dessen Ergebnis es der Händler abhängig macht, ob er nur
Lieferung per Nachnahme oder auch Zahlung gegen
Rechnung anbietet.
Die Zunahme der Scoring-Verfahren ist datenschutzrechtlich, aber auch gesellschaftspolitisch bedenklich.
Scoring-Verfahren nehmen dem Einzelnen die Möglichkeit, selbst über sein Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit zu entscheiden oder dieses durch eigenes rechtstreues
Verhalten auch nur beeinflussen zu können.
BfD
20. Tätigkeitsbericht
2003–2004