– 113 –
tenpool mit Sozial- bzw. Steuerdaten entsteht, der fast
zwangsläufig neue Begehrlichkeiten hervorruft.
Hinzu kam, dass der erste Gesetzentwurf ein Datenabgleichsverfahren vorsah. Hierfür sollte die zentrale Stelle
berechtigt sein, die ihr zur Verfügung stehenden Angaben
mit den von den Sozialleistungsträgern übermittelten Daten automatisiert abzugleichen und das Ergebnis den Sozialleistungsträgern mitzuteilen, um einen Sozialleistungsmissbrauch zu verhindern.
Ich habe die Frage gestellt, ob eine solche Regelung überhaupt erforderlich und verhältnismäßig ist. Grundsätzlich
sind derartige staatliche Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erst bei Vorliegen bestimmter Anhaltspunkte für rechtswidriges Handeln zulässig.
Das BMF konnte jedoch nicht darlegen, dass ein nicht unerheblicher Missbrauch von derartigen Sozialleistungen
zu befürchten ist. Durch die beabsichtigte Öffnung für einen Datenabgleich sollte mithin ohne substanzielle Begründung die Möglichkeit einer Überprüfung geschaffen
werden. Rentenbezieher wären dadurch mit dem Verdacht
belastet worden, Sozialbezüge zu Unrecht zu erhalten.
Regelungen, die einen umfassenden und vollständigen
Datenabgleich ermöglichen (vgl. 14. TB Nr. 1.1), können
daher immer nur ultima ratio sein. Sofern ein Abgleichsverfahren eingeführt werden soll, bedarf dies einer umfassenden Begründung bzw. Abwägung, die auch darlegt,
warum die bisherigen gesetzlichen Möglichkeiten wie
§ 117 Bundessozialhilfegesetz (jetzt § 118 SGB XII) nicht
(mehr) ausreichen.
Das BMF hat schließlich meine Bedenken berücksichtigt
und die vorgesehene Vorschrift aus dem Entwurf gestrichen.
Eine neue Diskussion begann Ende Februar 2004 mit der
Absichtserklärung des BMF, die steuerliche Identifikationsnummer des § 139b AO von allen Sozialversicherungsträgern, d. h. auch den privaten, zwingend erheben
zu lassen (im Ersten Entwurf sollte nur die jetzige Steuernummer, soweit bekannt, angegeben werden). Meine
Frage war, wie die vorgesehene Möglichkeit der Versicherungsträger, die steuerliche Identifikationsnummer
beim Bundesamt für Finanzen (BfF) abzufragen (wenn
der Betroffene seiner Verpflichtung zu ihrer Angabe nicht
nachkommt), mit dem strikten Zweckbindungsgrundsatz
in § 139b AO in Einklang zu bringen sei (vgl. Nr. 8.2).
Diese strikte Zweckbindung schließt die Verwendung der
Daten in der beim BfF vorgesehenen Datenbank für andere Zwecke als den in § 139b Abs. 4 AO genannten gesetzlich aus. Meine Befürchtung, dass mit einer solchen
Datenbank beim BfF weitere Begehrlichkeiten geweckt
und hierfür eine rechtliche Grundlage geschaffen werden
soll, hätte sich auf diese Weise in einem ersten Schritt bewahrheiten können. Auf die Entschließung der 67. Datenschutzkonferenz zu Personennummern weise ich in diesem Zusammenhang besonders hin (vgl. Kasten zu
Nr. 8.2).
Inzwischen hat das BMF meine Bedenken in dieser Frage
aufgegriffen. Das Alterseinkünftegesetz vom 5. Juli 2004
(BGBl. I S. 1427) enthält nunmehr eine strikte Zweckbin-
dungsregelung. Die Identifikationsnummer darf nur für
Zwecke der Rentenbesteuerung verwendet werden. Auch
das Prinzip der Ersterhebung beim Betroffenen wurde
berücksichtigt. Erst wenn der betroffene Leistungsempfänger nach Unterrichtung über seine Mitteilungsverpflichtung nach § 22 Abs. 3 EStG den Rentenversicherungsträgern seine Identifikationsnummer trotz
Aufforderung nicht mitteilt, ist eine Abfrage beim BfF
zulässig.
Besonders erfreulich ist, dass meine Forderung nach einer
Sanktion einer missbräuchlichen Verwendung der steuerlichen Identifikationsnummer, die ich bereits beim
Steueränderungsgesetz 2003 erhoben hatte, in die Neuregelung des EStG Aufnahme fand. Danach handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig entgegen
der Zweckbindung in § 22a Abs. 2 Satz 4 EStG die Identifikationsnummer für andere als die dort genannten Zwecke verwendet. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit einer
Geldbuße bis zu 10 000 Euro geahndet werden (vgl. auch
§ 383a AO, Nr. 8.2).
8.6
Elektronische Steuererklärung –
ELSTER
Die Lücken in der Sicherheit von ELSTER müssen dringend geschlossen werden.
In 1999 hat die Finanzverwaltung die ELektronische
STeuerERklärung ELSTER zunächst als Verfahren zur
elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung der Steuerzahler eingeführt. In der Folgezeit wurden
mit dem kostenfreien Programm „ELSTER-Formular“
schrittweise immer mehr Möglichkeiten zur elektronischen
Abgabe weiterer Steuererklärungen (z. B. Lohnsteuer-Anmeldung, Umsatzsteuer-Voranmeldung) geschaffen. Seit
1. Januar 2004 können Unternehmer Lohnsteuerbescheinigungen gem. § 41b Abs. 1 Einkommensteuergesetz
(EStG) elektronisch übermitteln. Nach Aussagen des
BMF sind mittels ELSTER bereits mehr als 32 Millionen
Steueranmeldungen übermittelt worden. Die Arbeitgeber
mit maschineller Lohnabrechnung sind gem. § 41b Abs. 1
Satz 2 EStG verpflichtet, spätestens bis zum 28. Februar
2005 durch Datenfernübertragung an die amtlich bestimmte Übermittlungsstelle eine elektronische Lohnsteuerbescheinigung zu übermitteln und den Arbeitnehmer
hierüber zu informieren.
Mit der Übermittlung gem. § 41b Abs. 1 Satz 2 EStG ist
eine Zuordnung zur eindeutigen Identifikation des Steuerpflichtigen unabdingbar. Deshalb war bereits zu einem
frühen Zeitpunkt durch das BMF beabsichtigt, die Sozialversicherungsnummer als Ordnungsnummer für steuerliche Zwecke im Rahmen von ELSTER zur Identifikation
der Steuerpflichtigen zu nutzen. Hiergegen machte ich erhebliche Bedenken geltend. Weder ließ die Rechtslage
eine Verwendung der Sozialversicherungsnummer als
Ordnungsmerkmal bei der Übermittlung von Lohnsteuerbescheinigungsdaten durch Arbeitgeber an die Finanzverwaltung zu, noch war eine diese Möglichkeit eröffnende
Rechtsänderung zum damaligen Zeitpunkt angestrebt. Ich
konnte erreichen, dass das BMF auf die Sozialversicherungsnummer als Ordnungsmerkmal verzichtete.
BfD
20. Tätigkeitsbericht
2003–2004