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AO unverzüglich anzugehen und den Betroffenen die datenschutzrechtlichen Informations- und Auskunftsrechte
zuzuerkennen. Nach einem Anwendungserlass zu
§ 91 AO kann die Finanzbehörde zwar nach pflichtgemäßem Ermessen im Einzelfall Auskunft erteilen und
Akteneinsicht gewähren. Dieses Ermessen kann im Einzelfall sogar auf Null reduziert sein, sodass Auskunft zu
erteilen ist. Zwischen den Beteiligten in der Koordinierungsrunde AO war jedoch klar, dass ein darüber hinausgehender gesetzlicher Auskunftsanspruch in die AO aufgenommen werden sollte. Auch das BMI und das BMJ
halten die Aufnahme des Auskunftsrechts in die AO für
unverzichtbar.

noch in dieser Legislaturperiode datenschutzgerecht gestaltet wird.

Ein Ergebnis der Sitzung der Koordinierungsrunde AO
Ende Oktober 2003 war die Zusage des BMF, ein Auskunftsrecht analog § 19 BDSG noch im Jahre 2004 in die
AO aufzunehmen.

Das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember
2003, BGBl. I S. 2645 ff.) sieht die Einführung eines
bundeseinheitlichen Ordnungsmerkmals vor, das der eindeutigen und raschen Identifizierung Betroffener im Steuerverfahren und damit nach Auffassung des BMF einer
erheblichen Effizienzsteigerung dienen soll. Diese Identifikationsnummer (§§ 139a bis 139d Abgabenordnung – AO)
soll jedoch nicht nur im steuerlichen Bereich, sondern
auch von den Meldebehörden bei der Übermittlung von
Daten an das Bundesamt für Finanzen (BfF) genutzt werden, wofür beim BfF eine umfangreiche Datenbank vorgesehen ist. Darin sollen künftig – das BMF spricht von
einer Vorlaufzeit bis 2008 – die in § 139b Abs. 3 AO aufgeführten Daten der Steuerpflichtigen – insbesondere
die aktuellen Adressen – zentral gespeichert werden.
Nach § 1 Einkommensteuergesetz (EStG) fallen auch
Neugeborene darunter. In dieser zentralen Datenbank
als zentralem Register der Gesamtbevölkerung sehe ich
das datenschutzrechtliche Hauptproblem des Steueränderungsgesetzes 2003. Ein derart umfangreiches Bevölkerungsregister weckt Begehrlichkeiten anderer Stellen.

Die Gelegenheit hierfür bot sich beim „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales
Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften
(Richtlinien-Umsetzungsgesetz)“. Der Referentenentwurf
vom 17. Juni 2004 enthielt in dem die AO betreffenden
Artikel 8 nicht nur ein Auskunftsrecht, sondern eine allgemeine Sanktionsvorschrift bei missbräuchlicher Verwendung der steuerlichen Identifikationsnummer (vgl.
Nr. 8.2 und 8.5). Die vom BMF vorgesehene Formulierung des Auskunftsanspruchs fand jedoch weder meine
Zustimmung noch die von BMJ und BMI. Denn es fehlten darin z. B. die Auskunftsverpflichtungen über die
Herkunft der Daten (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 BDSG) und den
Zweck der Speicherung (§ 19 Abs. 1 Nr. 3 BDSG). Die
Kabinettvorlage vom 23. Juli 2004 enthielt den Hinweis,
dass eine Bestimmung über den Auskunftsanspruch in
das parlamentarische Verfahren eingebracht werden
sollte, wenn zwischen den beteiligten Stellen eine Einigung über den Regelungswortlaut erzielt würde. Dies gelang jedoch nicht: Zwar waren in weiteren Gesprächen
zwischen BMF, BMI, BMJ und mir die Auskunftserteilung über die Herkunft und den Zweck der Daten und der
Verweis auf § 19 Abs. 6 BDSG bzw. entsprechende landesrechtliche Regelungen bei Verweigerung der Auskunftserteilung erreicht worden. In diesem Fall wäre die
Auskunft den Datenschutzbeauftragten des Bundes und
der Länder zu erteilen gewesen. Allerdings verweigerten
die vom BMF eingeschalteten Länderfinanzvertreter ihre
Zustimmung hierzu. Als Grund nannten sie einen befürchteten starken Anstieg von Auskunftsersuchen. Gemeinsam mit BMI und BMJ hielt ich jedoch an dem Hinweis zur Überprüfung durch die Datenschutzbeauftragten
fest, da nicht ersichtlich war, dass es in den Ländern zu
der befürchteten „Antragslawine“ gekommen wäre. Auch
Erfahrungen etwa mit den in einigen Ländern bereits in
Kraft getretenen Informationsfreiheitsgesetzen können
derartige Befürchtungen nicht bestätigen.
Im Ergebnis wurde der Auskunftsanspruch nicht in das
Richtlinien-Umsetzungsgesetz eingebracht. Ich habe trotzdem die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die AO

8.2

Identifikationsnummer für steuerliche
Zwecke

Die datenschutzrechtlich problematischsten Aspekte des
Steueränderungsgesetzes 2003 sind das Vorhaben der
Einführung eines bundeseinheitlichen Ordnungsmerkmals (steuerliche Identifikationsnummer) und die Bildung
einer Datenbank beim Bundesamt für Finanzen, die einem Zentralregister der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland gleichkommt.

In Ressortgesprächen wurden einige Verbesserungen erreicht, wie die Reduzierung des Datenkatalogs der Datenbank beim BfF, die Unterrichtungspflicht über die Zuteilung des Identifikationsmerkmals, die Verpflichtung der
Bundesregierung, durch Rechtsverordnung „organisatorische und technische Maßnahmen zur Wahrung des Steuergeheimnisses, insbesondere zur Verhinderung eines unbefugten Zugangs zu Daten“ (§ 139d AO), zu treffen und
Löschungsfristen zu bestimmen sowie die ausschließliche
Übermittlungsbefugnis zwischen den Meldeämtern und
dem BMF.
Ich hatte mit Schreiben vom 17. Oktober 2003 an den
Finanzausschuss darauf hingewiesen, dass ich es für unbedingt erforderlich hielte, Zugriffsmöglichkeiten bzw.
Auskunftsrechte öffentlicher und nicht-öffentlicher Stellen außerhalb der Finanzverwaltung durch strikte Zweckbindungen sowohl bei der Identifikationsnummer (für
natürliche Personen) als auch bei der Wirtschaftsidentifikationsnummer (für wirtschaftlich handelnde natürliche
Personen) auszuschließen. Nur so könne ich den Entwurf,
wenn auch unter Zurückstellung weiterer Bedenken, mittragen. Meiner Empfehlung, ohne drängende Eile eine gesellschafts- und auch datenschutzpolitische Diskussion

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

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