sche Grundordnung handelt. Wann dies der Fall ist, regelt § 4 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG
- vgl. Kasten zu Nr. 5.13.8).
Diese Voraussetzungen darf der Verfassungsschutz für Kernkraftgegner nicht allgemein annehmen. Das BMI
hat in seiner Stellungnahme zu meinem Prüfbericht gleichwohl einen Zusammenhang zwischen Kernkraftgegnern und Linksextremismus hergestellt. Es folgert aus der Teilnahme an einer solchen Demonstration, dass die
Nutzung der Kernkraft als Ausdruck des menschenverachtenden kapitalistischen Systems kritisiert werde und
dementsprechend Kernkraftgegner dieses kapitalistische System überwinden wollten. Dies kann Kernkraftgegnern aber keinesfalls pauschal unterstellt werden.
Wer die Nutzung der Atomkraft etwa aufgrund der potentiellen Risiken dieser Technologie oder der ungeklärten
Endlagerung kritisiert, handelt nicht gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Das Gleiche gilt für
diejenigen, die als Betroffene - z. B. eines Zwischenlagers radioaktiv strahlenden Abfalls - gegen diese Lagerung demonstrieren und damit rechtmäßig ihre Grundrechte ausüben. Sofern keine Anhaltspunkte für die oben
genannten Bestrebungen existieren, handeln Demonstranten im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Entsprechende Anhaltspunkte muss der Verfassungsschutz daher in jedem Einzelfall darlegen können,
wenn er eine Person speichern will.
Aber auch Personen, die gewaltsam handeln, in dem sie sich etwa an Schienen, Werkstore etc. ketten oder durch
Sitzblockaden den Verkehr behindern und damit eine strafbare Nötigung begehen könnten, dürfen aufgrund dieser Straftat nicht per se vom BfV erfasst werden. Nicht aus jeder Straftat folgt automatisch ein tatsächlicher Anhaltspunkt für eine Bestrebung im Sinne des BVerfSchG gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung,
der ein Tätigwerden des BfV legitimiert. Andernfalls würde auch jede Körperverletzung, jeder Raubüberfall
oder jede Nötigung im Straßenverkehr das BfV zum Tätigwerden berechtigen.
Erforderlich hierfür ist also stets ein qualifizierter tatsächlicher Anhaltspunkt für eine entsprechende Bestrebung. Gibt es diesen nicht, dürfen die Nachrichtendienste - bildlich gesprochen - nicht aufs Spielfeld. Zuständig
ist dann allein die Polizei. Erlangt diese bei ihren Ermittlungen Anhaltspunkte für derartige Bestrebungen, darf
sie - teilweise muss sie es sogar - die Nachrichtendienste hierüber informieren. Erst dann sind die Nachrichtendienste mit im Spiel.
Indem das BfV die vorgenannten Personendaten nicht nur rechtswidrig erhoben, sondern auch in der Projektdatei gespeichert hat, konnte das an dieser Datei beteiligte BKA hiervon Kenntnis erlangen. Wie der Gesetzgeber
eindeutig festgelegt hat, darf ein Beteiligter an einer Projektdatei Daten darin nur speichern, wenn er diese den
Projektbeteiligten auch übermitteln darf. Rechtswidrig erhobene Daten können per se nicht rechtmäßig übermittelt werden.
Bei meiner Kontrolle bin ich darüber hinaus auf weitere Verstöße gestoßen. So hatte z. B. ein Landesamt für
Verfassungsschutz rechtswidrig lesenden und schreibenden Zugriff auf die Projektdatei, ohne an dieser überhaupt teilzunehmen. Nach dem Gesetz dürfen aber nur die Projekteilnehmer Daten speichern oder abrufen. Ich
habe den für die Datenschutzkontrolle dieses Landesamtes zuständigen Landesbeauftragten für den Datenschutz
über den Vorgang informiert.
Kasten zu Nr. 5.13.8
§ 4 BVerfSchG - Begriffsbestimmungen
(1) Im Sinne dieses Gesetzes sind
a) Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und
zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf ge-

BfDI 25. Tätigkeitsbericht 2013-2014

– 97 –

Select target paragraph3