Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
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Drucksache 18/12585
Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Das BfV leitete im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion innerhalb
des Verfassungsschutzverbundes relevante Informationen vor allem von einzelnen Polizei- und Verfassungsschutzbehörden im Zusammenhang mit AMRI an die zuständigen Verfassungsschutzbehörden der Länder weiter.
Das BfV führte eigene nachrichtendienstliche Maßnahmen durch, wertete Informationen von Behörden zu AMRI
aus und speicherte relevante Erkenntnisse, glich Informationen ab und führte eine Personenakte zu AMRI. Eine
umfassende Unterrichtung des BfV über polizeiliche Maßnahmen gegen ARMI und daraus gewonnene Erkenntnisse hat nicht stattgefunden. Anhaltspunkte, dass AMRI vom BfV als Quelle oder für andere Formen der Kooperation geworben wurde oder dass es Überlegungen für ein solches Vorgehen gab, finden sich nicht.
In der Retrospektive lassen sich im Verfassungsschutzverbund vor dem Anschlag Ansatzpunkte für eine weitergehende nachrichtendienstliche Bearbeitung AMRIs finden:
In der ganzen Zeit hätten Quellen intensiver einbezogen werden können – Anknüpfungspunkte hierfür hätten
sich für die Verfassungsschutzbehörden aus der Beobachtung islamistischer Personenkreise ergeben.
Die Inhalte aus dem beschlagnahmten Mobiltelefon AMRIs hätten Ansatzpunkte für weitere Nachforschungen des BfV ergeben können. So hätten etwa eine E-Mail-Adresse und ein Facebook-Account AMRIs, die
sich aus der Auswertung des Mobiltelefons ergaben, vor dem Anschlag in weitere Überprüfungen einbezogen werden können. Das gilt auch für die arabischsprachigen Chatverläufe, die aus dem Mobiltelefon AMRIs
extrahiert wurden.
Eine Verfassungsschutzbehörde hätte etwa eine G 10-Maßnahme zu AMRI prüfen können. Im Rückblick
bieten dafür zwei Zeitpunkte Anlässe: Zum einen das Auslaufen der TKÜ-Maßnahme der Berliner Polizei
im Rahmen der Strafverfolgung im September 2016 und zum anderen die marokkanischen Erkenntnisanfragen im September/Oktober 2016.
Im Verfassungsschutzverbund und beim BfV hätte es weitere Ansätze für Aufklärungsmaßnahmen gegen
AMRI geben können. Diese sind nicht von federführenden Strafverfolgungsbehörden angefordert, allerdings auch nicht eigenständig angeboten worden. Auch bei polizeilicher Zuständigkeit muss der Informationsfluss zu den Nachrichtendiensten sichergestellt sein. Umgekehrt entbindet eine polizeiliche Federführung die Nachrichtendienste nicht davon, ihre spezifischen Fähigkeiten im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten einzubringen.
VI.
Kenntnislage und Tätigwerden des BND
Am 4. Februar 2016 erhielt der BND durch ein Schreiben des BKA erstmalig Kenntnis von AMRI. In dem Schreiben übermittelte das BKA einen Hinweis des LKA Nordrhein-Westfalen zu geplanten Anschlägen mit Kalaschnikows durch AMRI. Das Schreiben enthielt auch zwei libysche Kontaktnummern. Der BND prüfte ergebnislos
seine Datenbestände auf Erkenntnisse zu den libyschen Nummern. Am 18. Februar 2016 veranlasste er eine Rückmeldung an das BKA, dass keine Erkenntnisse zu den angefragten libyschen Rufnummern vorliegen. Im GTAZ
wurde vereinbart, dass der BND weitere Maßnahmen in eigener Zuständigkeit prüft. In der Folge schuf der BND
die rechtlichen und technischen Voraussetzungen, um die libyschen Rufnummern strategisch aufzuklären. Die
technische Maßnahme dauerte über den Untersuchungszeitraum hinaus an, erbrachte aber in dieser Zeit keine
Ergebnisse.
Das BKA las das bei AMRI am 18. Februar 2016 sichergestellte gestohlene Mobiltelefon aus. Die ausgelesenen
Daten wurden dem LKA Berlin, LKA Nordrhein-Westfalen sowie dem BfV zur Auswertung übermittelt. Die
Auswertung ergab zahlreiche ausländische Kontakte des AMRI. Dem BND wurden diese auslandsbezogenen
Sachverhalte zu AMRI nicht übermittelt. Der BND wäre mit diesen bei Kenntnis von den konkreten Auslandskontakten analog zu den libyschen Rufnummern verfahren.
Am 18. Februar 2016 fragte das BKA in Tunesien zu Kommunikationsmitteln des AMRI an. Das BKA übermittelte am 26. September 2016 tunesische Erkenntnisse zu Telekommunikationsmitteln des AMRI an das LKA
Nordrhein-Westfalen. Anfang Oktober 2016 teilten tunesische Behörden mit, dass AMRI in der Vergangenheit
syrische Rufnummern kontaktiert habe, welche von tunesischen Staatsbürgern in Libyen genutzt wurden, die sich
vermutlich terroristischen Gruppierungen angeschlossen hatten. Im BND lagen diese tunesischen Mitteilungen
über syrische Kontakte AMRIs nicht vor. Der BND hat erst im Nachgang zu dem Anschlag von diesen Mitteilungen Kenntnis erlangt.