Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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Bei meiner Kontrolle hatte ich Ausdrucke (Screenshots) der von mir gesichteten Bildschirminhalte (zu
den Datenspeicherungen des Betroffenen) erstellen
lassen. Diese stützen inhaltlich die ursprünglichen,
mündlichen Darlegungen des BND, wonach es sich
um eine Anfrage des vorgenannten Großunternehmens
gehandelt hat, die er beantwortet habe. Deswegen
habe ich den BND aufgefordert, den Betroffenen hierüber in Kenntnis zu setzen. Während der BND mir
dies nach intensiven Erörterungen zugesagt hatte, hat
das Bundeskanzleramt als zuständige Fachaufsichtsbehörde eine Mitteilungspflicht verneint und den BND
angewiesen, keine Mitteilung durchzuführen. Dem
habe ich widersprochen. Eine Stellungnahme des Bundeskanzleramtes stand bei Redaktionsschluss noch
aus.
Diese und weitere Ergebnisse meiner Kontrollen habe
ich aufforderungsgemäß an das Bundesverfassungsgericht übermittelt. Auch mehrere Landesbeauftragte für
den Datenschutz haben dem Gericht ihre Kontrollerfahrungen mitgeteilt.
7.3

Rechtsextremismusdatei

Die Datei zur Bekämpfung des Rechtsextremismus (RED)
ist ebenso wie ihr Vorbild – die Antiterrordatei (ATD –
vgl. Nr. 7.2) – eine gemeinsame Datei der Polizeien und
Nachrichtendienste. Trotz einzelner Verbesserungen gegenüber der ATD sehe ich noch dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Bei ersten Kontrollen habe ich
bereits Verstöße festgestellt.
Gesetzliche Grundlage für diese Datei ist das Gesetz zur
Bekämpfung des Rechtsextremismus (REDG), das weitgehend inhaltlich dem Antiterrordateigesetz (ATDG –
vgl. 21. TB Nr. 5.1.1.) entspricht. Neu ist, dass die in der
RED gespeicherten Daten projektbezogen ausgewertet
werden dürfen (vgl. § 7 REDG). In Kraft getreten ist das
REDG am 31. August 2012.

Drucksache 17/13000

rechte Konsequenzen können sinnvoller Weise nur nach
einer umfassenden und gründlichen Untersuchung aller
Umstände und Ursachen gezogen werden. Wenn Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden nicht erkennen (wollen),
dass eine Tat einen rechtsextremistischen Hintergrund
hat, werden sie diese Erkenntnis nicht in einer entsprechenden Fachdatei ihrer Behörde speichern. Folglich gelangen diese Erkenntnisse dann auch nicht in die RED.
Daher muss man klar feststellen: Vollzugsdefizite können
auch mit der RED nicht beseitigt werden.
Hierauf habe ich auch in meiner Stellungnahme als Sachverständiger in der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages zum REDG am
19. März 2012 hingewiesen (vgl. BT, Innenausschussdrucksache 17(4)460E). Zudem habe ich dort auch kritisiert, dass zur Begründung der RED auf die seit 2007 „erfolgreich“ betriebene ATD verwiesen wird. Für diese
Bewertung sah ich keine valide Erkenntnisgrundlage, solange nicht die gesetzlich vorgeschriebene Evaluierung
des ATDG (vgl. Nr. 7.1) durchgeführt worden ist.
Meine Bedenken richteten sich auch dagegen, dass das
REDG vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu einer dort anhängigen Verfassungsbeschwerde
zum ATDG gefallen ist (vgl. Nr. 7.2). Eine auch nur teilweise Verfassungswidrigkeit des ATDG hätte weitreichende Folgen für die inhaltsgleichen Regelungen des
REDG.
Wie ich in meiner Stellungnahme vor dem Bundesverfassungsgericht ausgeführt habe, müssen insbesondere zum
Schutz unbescholtener (Kontakt-)Personen auch im
REDG einige Regelungen enger bzw. hinreichend bestimmter und verhältnismäßig gefasst werden.

Nach einer Mitteilung des Bundesministeriums des
Innern (BMI) soll die RED „als zweite zentrale Säule [neben dem GAR – vgl. Nr. 7.7.6] den Informationsaustausch zwischen Polizeien und Nachrichtendiensten verbessern“. Zu diesem Zweck verpflichtet das REDG
36 Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder (Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Bundesamt für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst, Landesverfassungsschutzbehörden und Landeskriminalämter), ihre
Daten zum gewaltbezogenen Rechtsextremismus in der
RED zu speichern. Das Bundeskriminalamt (BKA) führt
die Datei, die am 19. September 2012 offiziell in Betrieb
gegangen ist.

Zudem habe ich über meine Kontrollerfahrungen bzgl.
der RED berichtet. Bei den wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung durchgeführten Kontrollen des REDG
beim Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte ich festgestellt, dass das BfV alle
Personen, die es in der RED als dolose Kontaktpersonen
gespeichert hatte, nur als undolose Kontaktpersonen hätten führen dürfen (zur Frage, wann eine Kontaktperson
als „dolos“ einzustufen ist vgl. 23. TB Nr. 7.1.2). Dies ist
für die Betroffenen von erheblicher Bedeutung. Nur zu
dolosen Kontaktpersonen dürfen über Identifizierungsangaben (sog. Grunddaten – z. B. Name, Vorname, Adresse,
Geburtsdatum, etc. – vgl. § 3 Absatz 1 Ziffer 1 Buchstabe a ATDG) hinausgehende sog. erweiterte Grunddaten gespeichert werden (vgl. § 3 Absatz 1 Ziffer 1 Buchstabe b REDG; vgl. Kasten zu Nr. 7.3). Das BfV hat noch
im Kontrolltermin unverzügliche Korrekturen zugesagt.

Für das BMI ist die RED „eine richtige Konsequenz aus
der NSU-Mordserie, da an der einen oder anderen Stelle
die Kommunikation zwischen den Behörden verbesserungsbedürftig“ gewesen sei. Angesichts der noch laufenden Untersuchungen zur Aufklärung der NSU-Taten
sowie möglicher Defizite auf Seiten der Sicherheitsbehörden und der hierfür maßgeblichen Ursachen (vgl.
Nr. 7.7.6) halte ich diese Aussage für gewagt. Sachge-

Wie ich bei meiner Prüfung ferner festgestellt habe, überträgt das BfV nach einem – mit anderen Behörden abgestimmten – Kriterienkatalog systematisch auch Daten in
die RED, die dort nicht gespeichert werden dürfen. Da
dieser Katalog als Verschlusssache eingestuft ist, darf ich
hierüber nicht detaillierter berichten. Folglich darf ich
auch die konkreten Daten (-Kategorien) hier nicht benennen. Ich kann jedoch sagen, dass es sich um äußerst sen-

BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012

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