Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
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wurden überwiegend Falschzustellungen, angeblich unberechtigterweise geöffnete Briefe sowie Missstände bei
der Zwischenaufbewahrung von Postsendungen.
Im Unterschied zu den Beschwerden über die Deutsche
Post AG wurden hier allerdings auch Versäumnisse bei
der Sortierung beklagt. Jedoch zeigt die Anzahl der Eingaben hier ebenfalls – gemessen an dem riesigen Volumen des täglich zu transportierenden Brief- und Paketaufkommens –, dass sich die Beschwerden glücklicherweise
im untersten Promillebereich bewegen. Dennoch bin ich
natürlich auch diesen relativ wenigen Eingaben nachgegangen.
Wie ich mich bei mehreren Kontroll- und Informationsbesuchen überzeugen konnte, wird bei diesen Unternehmen
datenschutzkonform gearbeitet. Wurden einmal kleinere
Mängel festgestellt, so sind diese – unter Berücksichtigung meiner vor Ort gegebenen Hinweise – umgehend
abgestellt worden. Oft führte alleine meine Besuchsankündigung schon zu einem höheren Datenschutzbewusstsein und zur Behebung von Datenschutzmängeln. Überwiegend sind die Beschwerden auf Unzulänglichkeiten
bei der Qualität der Zustellung zurückzuführen, verursacht durch Fehlverhalten im menschlichen Bereich. Es
ist nicht zuletzt der Mensch der Faktor, der datenschutzgerechte Leistungen erbringen muss.
Es bleibt aber festzustellen, dass große und kleine Postdienstleister ihre Aufgaben insgesamt datenschutzgerecht
erfüllen.
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Innere Sicherheit und Strafrecht
7.1
Evaluierung von Sicherheitsgesetzen
Die Evaluierung von Sicherheitsgesetzen bleibt eine der
Kernforderungen des Datenschutzes. Das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz hat die Bundesregierung nur
unzureichend evaluiert, die Evaluierung des Antiterrordateigesetzes ist noch nicht abgeschlossen. Für künftige
Evaluierungen habe ich beim Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung einen Leitfaden in Auftrag gegeben. Dieser steht nunmehr allen Interessierten
zur Verfügung.
Sicherheitsgesetze enthalten Befugnisse, die oftmals intensiv in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen. Beispiele sind verdeckte Ermittlungsmaßnahmen wie die Telekommunikationsüberwachung oder die umfassenden
Befugnisse der Nachrichtendienste, bei denen die Rechtsschutzmöglichkeiten des Einzelnen nur eingeschränkt bestehen. Solche neuen Befugnisse werden oftmals unter
dem Eindruck aktueller Ereignisse oder Gefahren mit
großer Eile eingeführt. Daher ist es notwendig, in regelmäßigen Abständen gründlich zu überprüfen, ob die Befugnisse sich als effektiv, notwendig und verhältnismäßig
erwiesen haben. Immer wieder habe ich deswegen gefordert, die Sicherheitsgesetze umfassend zu evaluieren (vgl.
ausführlich 23. TB Nr. 7.1.1). Wichtig ist dabei auch, die
vom Gesetzgeber gewählten legislativen Mittel insgesamt
in ihren Wechselwirkungen zu berücksichtigen und nicht
nur die Folgen des einzelnen Gesetzes („Überwachungsgesamtrechnung“). Die Evaluierung muss anhand einer
Drucksache 17/13000
umfassenden Sachverhaltsauswertung die tatsächlichen
– auch mittelbaren – Auswirkungen auf die Betroffenen
analysieren. Eine Analyse des Ist-Zustandes kann auch
im Vorfeld umfassender Reformen hilfreich sein. Zuerst
muss geklärt werden, ob bestehende Vorschriften in der
Vergangenheit richtig angewandt, Arbeitsschwerpunkte
richtig gesetzt und Ressourcen zielgerichtet verwendet
worden sind. Erst dann kann entschieden werden, ob und
welche gesetzgeberischen Schritte notwendig sind (vgl.
dazu Nr. 7.7.6).
Die Deutungshoheit darf dabei nicht bei den Stellen liegen, die mit zusätzlichen Befugnissen ausgestattet wurden. Vielmehr muss der Deutsche Bundestag auf Basis
unabhängiger und nach wissenschaftlichen Kriterien
durchgeführter Evaluationen darüber entscheiden, ob einmal beschlossene Möglichkeiten weiterhin gerechtfertigt
sind. Kritisch sehe ich es deshalb, wenn die Bundesregierung oder eines ihrer Ressorts die Evaluierungen selbst
durchführt.
So legte das Bundesministerium des Innern 2011 einen
von ihm selbst erstellten Evaluierungsbericht zum Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG) vor, für
den es sich nur externe Methodenberatung eingeholt
hatte. Der Bericht war zudem inhaltlich unzureichend. Im
Mittelpunkt der Analysen hatte nicht die Frage gestanden,
welche Auswirkungen das Gesetz auf die Grundrechte
der Betroffenen hatte. Genau das wäre aber notwendig
gewesen, um die Verhältnismäßigkeit der Befugnisse beurteilen zu können. Der Evaluierungsbericht hätte also
soweit wie möglich die Frage beantworten müssen, ob
das Gesetz seine Ziele erreicht und der Gesetzgeber dabei
das jeweils mildeste geeignete Mittel gewählt hat. Der
vorliegende Bericht machte jedoch schon nicht hinreichend deutlich, auf welcher tatsächlichen Grundlage er
beruht. Es ist insbesondere nicht zu erkennen, ob zumindest exemplarische Einzelfälle gründlich ausgewertet
worden sind. Insgesamt haben sich die Autoren mit den
Grundrechten der Betroffenen nur oberflächlich auseinandergesetzt. Für das Antiterrordateigesetz lag bis Redaktionsschluss noch kein abschließender Evaluierungsbericht vor. Die Frist dafür war am 31. Dezember 2011
abgelaufen. Zu den im Koalitionsvertrag vorgesehenen
Evaluierungen (vgl. 23. TB Nr. 7.1.1) liegt bislang ebenfalls kein Bericht vor – die hierfür erst Anfang Januar 2013 eingesetzte Regierungskommission wird diese
Aufgabe in der in dieser Legislaturperiode noch zur Verfügung stehenden Zeit kaum in der gebotenen Gründlichkeit erledigen können.
Immerhin hat der Gesetzgeber aufgrund der negativen Erfahrungen mit der Evaluierung des Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetzes eine neue Evaluierungsklausel
geschaffen („Gesetz zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes“). Danach ist künftig ausdrücklich zu evaluieren, wie häufig und mit welchen Auswirkungen die
Nachrichtendienste aufgrund der mit diesem Gesetz
geschaffenen Befugnisse in die Grundrechte der Betroffenen eingegriffen haben. Dies ist mit der Frage abzugleichen, wie wirksam und effektiv mit Hilfe dieser Befugnisse terroristische Aktivitäten aufgespürt oder bekämpft
BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012