Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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jeden Programmerstellungsvertrag eine Auslieferung des
Quellcodes verlangt, und das schon vor der Abnahme
(LG Frankfurt, BB Beilage 1993, Nr. 3, 4 und 5 [ODER
Computer und Recht 1993, 693]). Besonders bei „Datenschutz-kritischen“ Anwendungen werde ich die Einhaltung der Dokumentationspflichten weiterhin genau beobachten.
K a s t e n z u N r. 4 . 9
Ich empfehle allen verantwortlichen Stellen grundsätzlich folgende Teile vor dem Wirkbetrieb bereitzuhalten:
– Installationsdokumentation,
– Benutzerdokumentation,
– Bedienungsanleitungen (Fehlerbeschreibungen etc.),
– Datenflussdokumentation,
– Programmdokumentation (Quellcode, Beschreibung
zur Übersetzung des Quellcodes etc.),
– Methodendokumentation (Beschreibung verwendeter Algorithmen, mathematischer Modelle etc.),
– Datendokumentation (welche Daten wie bearbeitet
werden, Wertebereiche, Löschkonzept, Datenflussdiagramm, Import-/Exportschnittstellen etc.),
– Testdokumentation (Nachweis über den erfolgreichen Testlauf vor Beginn des Wirkbetriebs, Testdatenbestand) und
– Entwicklungsdokumentation.
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Internet

5.1

Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG –
Zeig mir Deine IP und ich sage Dir, 
wer Du bist

Aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs
(BGH) zu den Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs
nach § 101 Urheberrechtsgesetz (UrhG) werden künftig
wohl mehr Kundendaten von Internetzugangsanbietern
an Rechteinhaber übermittelt werden. Der Gesetzgeber
ist zur Überprüfung der gesetzlichen Regelungen aufgerufen.
Nach wie vor erreichen mich Eingaben von Bürgerinnen
und Bürgern, die kostenpflichtig abgemahnt wurden, weil
sie widerrechtlich Dateien über das Internet heruntergeladen hätten. Die Abmahngebühren können sich dabei im
Einzelfall auf mehrere tausend Euro summieren. In den
Abmahnschreiben wurde den Anschlussinhabern mitgeteilt, die Rechteinhaber hätten ihre Adresse über die Internetzugangsanbieter erhalten. Diese haben bei Verdacht
von Urheberrechtsverletzungen die Möglichkeit, auf
Grund gerichtlicher Anordnung die Kundendaten eines
Anschlussinhabers zu erfahren. Wenn der Internetzugangsanbieter aufgrund einer solchen Anordnung die
Kundendaten (Name und Anschrift) an den Rechteinha-

Drucksache 17/13000

ber weitergibt, ist dies datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. 23. TB Nr. 4.8).
Gleichwohl sehe ich die Entwicklungen in diesem Bereich weiterhin kritisch. Von den Rechteinhabern beauftragte Unternehmen setzen spezielle Software ein, um
Internettauschbörsen systematisch nach Urheberrechtsverletzungen zu durchsuchen. Spezielle gesetzliche Regelungen hierzu existieren nicht. Die Gerichte sehen die
automatisierte Ermittlung der IP-Adressen möglicher
Rechteverletzer jedoch als zulässig an.
Darüber hinaus wurden die Voraussetzungen, unter denen
die Internetzugangsanbieter zur Auskunft verpflichtet
werden können, auf Grund der am 10. August 2012 veröffentlichten BGH-Entscheidung zu den Voraussetzungen
des § 101 UrhG (I ZB 80/11), weiter abgesenkt. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung des
Auskunftsanspruchs hatte ich zum Ausdruck gebracht,
dass dieser auf gravierende Fälle zu begrenzen sei (vgl.
21. TB Nr. 6.5). Mit dem neuen § 101 UrhG wurde dann
eine komplizierte Regelung des Auskunftsanspruches geschaffen, zu dessen Voraussetzungen auch in der Rechtsprechung unterschiedliche Meinungen vertreten wurden.
Einige Gerichte gingen von dem Verdacht einer „Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß“ als Voraussetzung
für die gerichtliche Anordnung aus und lehnten Anträge
von Rechteinhabern zum Beispiel dann ab, wenn es sich
um ältere Musiktitel handelte. Seit der BGH-Entscheidung ist die Schwere des Rechtsverstoßes nicht zu prüfen,
sondern es genügt der Verdacht einer einfachen Rechtsverletzung.
Da die Instanzgerichte sich an der Entscheidung des BGH
orientieren werden, dürfte die Zahl der Auskunftsersuchen zunehmen. Deshalb stellt sich die Frage, ob diese
Rechtslage nicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in
das Fernmeldegeheimnis der Anschlussinhaber darstellt.
Da nach meiner Ansicht der Auskunftsanspruch auf gravierende Rechtsverletzungen beschränkt werden sollte,
empfehle ich dem Gesetzgeber, die geltende Rechtslage
zu überprüfen und sie unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit anzupassen.
5.2

„ACTA“ – ad acta!?

Nach europaweiten Protesten hat das Europäische Parlament am 4. Juli 2012 das Handelsübereinkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie (Anti-Counterfeiting Trade Agreement – ACTA) mit großer Mehrheit
abgelehnt. Das Übereinkommen wird bis auf weiteres
nicht in Kraft treten.
In meinem 23. TB (Nr. 4.7) hatte ich über die Verhandlungen zu ACTA berichtet, dessen endgültige Version seit
Dezember 2010 vorlag. Als bekannt wurde, dass die
Europäische Union und 22 ihrer Mitgliedstaaten ACTA
am 26. Januar 2012 gezeichnet hatten, wurde die Kritik
gegen das Übereinkommen lauter. Die Kritiker von
ACTA sorgten sich, das Urheberrecht würde zu Lasten

BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012

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