Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
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Mit der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über
Dienstleistungen im Binnenmarkt (EU-DLRL) wurde der
Bundesregierung aufgetragen, die Inhalte dieser Richtlinie bis zum 28. Dezember 2009 in nationales Recht umzusetzen. Dadurch wird ein europaweites Verfahren zur
grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen
eingeführt. Künftig sollen Handwerker und andere
Dienstleistungserbringer ohne hohe bürokratische Hürden
alle notwendigen Informationen und Genehmigungen erhalten, die sie für die Ausübung ihres (Dienstleistungs-)
Berufes im europäischen Ausland benötigen. Zu diesem
Zweck soll sich der Dienstleistungserbringer elektronisch
an einen sog. Einheitlichen Ansprechpartner (EA) wenden können, bei dem er alle wichtigen Informationen einholen und die notwendigen Verfahren einleiten kann. Der
EA kann in dem Genehmigungsverfahren als Mittler und
„Zuständigkeitsfinder“ agieren, aber auch selbst am Verfahren als verantwortliche Stelle teilnehmen.
In Artikel 43 der EU-DLRL wird zwar darauf hingewiesen, dass die Vorschriften zum Schutz personenbezogener
Daten eingehalten werden müssen, diese jedoch auf nationaler Ebene definiert werden. Insbesondere sind der
Übermittlungsumfang, die Empfänger der Daten, die
Speicherdauer und die Löschungs-/Tilgungsregelungen,
die Auskunfts- und Änderungsrechte von Betroffenen sowie die datenschutzrechtliche Kontrolle zu konkretisieren.
Mit dem Vierten Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (4. VwVfÄndG, BGBl. I 2008
S. 2418) wurde die grundsätzliche Möglichkeit geschaffen, über einheitliche Stellen zu kommunizieren. Im Gesetz wird lediglich das Verfahren, nicht aber die Einrichtung einer einheitlichen Stelle geregelt. Hierfür ist es
erforderlich, dass die Bundesländer zunächst festgelegen,
welche Stelle(n) als EA eingerichtet wird/werden. Aller
Voraussicht nach wird es unterschiedliche Modelle geben, von neu zu schaffenden Behörden bis hin zu Modellen, bei denen mehrere unterschiedliche Behörden diese
Aufgabe übernehmen. Die Entscheidung über die Einrichtung und die Verortung der EA obliegt einzig und
allein den Bundesländern, da dem Bund keine Gesetzgebungskompetenz zusteht. Es sind Regelungen zum datenschutzgerechten Umgang mit personenbezogenen, z. T.
sensiblen Daten von Dienstleitungserbringern erforderlich.
Neben der Neuerung, dass potentielle Dienstleistungserbringer direkt elektronisch mit den zuständigen Stellen
kommunizieren können, wird es im Zusammenhang mit
der Umsetzung der EU-DLRL auch Neuerungen in den
Verwaltungsstrukturen und deren Kommunikation geben. Das Binnenmarktinformationssystem (Internal
Market Information System – IMI), das bereits zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die
Anerkennung von Berufsqualifikationen (Berufsanerkennungsrichtlinie) eingesetzt wird, soll um ein Modul
„Dienstleistungsrichtlinie“ erweitert werden (vgl. Kasten
zu Nr. 3.4.1).
Drucksache 16/12600
K a s t e n zu Nr. 3.4.1
Binnenmarktinformationssystem IMI
Bei IMI handelt es sich um ein elektronisches System
für den Informationsaustausch, das den Mitgliedstaaten
eine effizientere Zusammenarbeit in ihren laufenden
Aktivitäten erlauben und die Kommunikation unter den
Verwaltungen der Mitgliedstaaten der Europäischen
Union verbessern soll. Die Datenbank wird auf einem
Server der Europäischen Kommission in Luxemburg
gespeichert. Der gesamte Datenaustausch wird über diesen Server erfolgen, auf dem auch die ausgetauschten
Daten gespeichert werden sollen. Auf europäischer, nationaler bis hin zur Benutzerebene müssen sog. IMI-Akteure und IMI-Nutzer festgelegt werden. Die Kommunikation zwischen den Behörden soll über einen in jeder
Amtssprache der Europäischen Union vorformulierten
Fragenkatalog weitgehend schematisiert erfolgen.
Neben dem Basismodul zum Informationsaustausch soll
das IMI-Modul „Dienstleistungsrichtlinie“ noch zwei
weitere Funktionen enthalten: Zum einen ein System
zur Verwaltungszusammenarbeit bei Ausnahmen im
Einzelfall, bei dem die Mitgliedstaaten ausnahmsweise
und unter engen Voraussetzungen aus Gründen der Sicherheit der Dienstleistung Maßnahmen gegenüber einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen
Dienstleistungserbringer ergreifen können. Zum anderen der Vorwarnmechanismus, der die Mitgliedstaaten
zu einer Unterrichtung von Amts wegen und ohne Anfrage im Rahmen des Basismoduls bei ernsten Gefahren
für die Gesundheit oder Sicherheit von Personen oder
Umwelt verpflichtet.
Seit Ende Februar 2008 befindet sich IMI im Hinblick auf
die Berufsanerkennungsrichtlinie in der Pilotphase für einige Gesundheitsberufe (Ärzte, Apotheker, Physiotherapeuten) sowie Steuerberater/Wirtschaftsprüfer. Bis Ende
August 2008 wurde IMI EU-weit für knapp 150 Anfragen
genutzt. Deutsche Behörden haben in diesem Zeitraum
25 Anfragen über IMI versandt und sieben Anfragen erhalten. Der Großteil der Anfragen bezog sich auf die Anerkennung von ärztlichen Qualifikationen. Die meiner
Kontrolle unterliegende Wirtschaftsprüferkammer in Berlin hat in diesem Zeitraum noch keine IMI-Anfrage erhalten und selbst nur eine Anfrage allgemeiner Art und ohne
Personenbezug an Großbritannien gestellt. Für das
Jahr 2009 ist ein Pilotprojekt für das IMI-Modul Dienstleistungsrichtlinie unter Einbeziehung von Dienstleistungen im Baugewerbe (incl. Architekten), Dienstleistungen
von Immobilienmaklern, Reiseagenturen, Reiseveranstaltern und Fremdenführern, Catering und Gastronomie sowie Tierärzten vorgesehen. Anschließend soll der vollständige Betrieb für das gesamte System beginnen.
Die Artikel-29-Gruppe der europäischen Datenschutzbehörden hat zu den Datenschutzaspekten des IMI Stellung
genommen (Stellungnahme Nr. 7/2007, WP 140). Die
Gruppe schlägt vor, für den Datenaustausch innerhalb des
BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008