Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

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Drucksache 16/12600

Dieser weit reichende Grundrechtsschutz verpflichtet
nicht nur den Staat zur bestmöglichen Schutzgewährung,
sondern auch die Hersteller dieser Systeme. Angesichts
der stetig fortschreitenden technischen Entwicklung ist
die Erfüllung dieser verfassungsgerichtlichen Verpflichtung ein dynamischer, d. h. fortwährender Prozess. Ich
hoffe, dass die Konsequenzen aus dieser weit reichenden
Entscheidung von den politisch Verantwortlichen erkannt und zügig umgesetzt werden.

Als Reaktion auf die 2008 bekannt gewordenen Missstände beim Handel mit personenbezogenen Daten hat
die Bundesregierung in einem weiteren, vom Kabinett
am 10. Dezember 2008 beschlossenen Entwurf eines
Gesetzes zur Regelung des Datenschutzaudits und zur
Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften (Bundesratsdrucksache 4/09) eine Reihe von Änderungen im
BDSG und die Einführung eines bundesweiten Datenschutzaudits vorgesehen (vgl. Nr. 2.3, 2.4, 3.4.5).

Die Bundesregierung hat punktuell datenschutzrechtliche
Probleme aufgegriffen. So hat sie im Sommer 2008 den
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (Bundestagsdrucksache 16/10529) in das
Gesetzgebungsverfahren eingebracht, durch das ScoringVerfahren für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger
transparenter und die Tätigkeit von Auskunfteien besser
geregelt werden sollen (vgl. Nr. 2.3 und Nr. 3.4.4).

Damit ist zwar insgesamt Bewegung in die datenschutzrechtlichen Regelungen gekommen, was ich durchaus
begrüße. Diese notwendigen Änderungen im Detail können aber eine grundlegende Überarbeitung des Datenschutzrechts einschließlich seiner Kontroll- und Sanktionsmechanismen nicht ersetzen. Die Forderung nach
einer grundlegenden Revision verliert deswegen nicht an
Bedeutung, sondern wird noch dringlicher.

K a s t e n zu Nr. 2.1
75. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 3./4. April 2008
Berliner Erklärung:
Herausforderungen für den Datenschutz zu Beginn des 21. Jahrhunderts
Regelungen insbesondere zum großen Lauschangriff, zur Telekommunikationsüberwachung, zur Rasterfahndung,
zur Online-Durchsuchung, zur automatischen Auswertung von Kfz-Kennzeichen und zur Vorratsspeicherung von
Telekommunikationsdaten haben die verfassungsrechtlich zwingende Balance zwischen Sicherheitsbefugnissen der
staatlichen Behörden und persönlicher Freiheit der Bürgerinnen und Bürger missachtet. Das Bundesverfassungsgericht hat mit einer Reihe von grundlegenden Entscheidungen diese Balance wieder hergestellt und damit auch den
Forderungen der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder größtenteils Rechnung getragen.
Die Herausforderungen für den Datenschutz gehen aber weit über die genannten Bereiche hinaus. Datenverarbeitungssysteme dringen immer stärker in alle Lebensbereiche ein und beeinflussen den Alltag. Das Internet ist zum
Massenmedium geworden. Vielfältig sind dabei die Möglichkeiten, das persönliche Verhalten zu registrieren und zu
bewerten. Der nächste Quantensprung der Informationstechnik steht unmittelbar bevor: Die Verknüpfung von Informationstechnik mit Körperfunktionen, insbesondere bei der automatisierten Messung medizinischer Parameter und
bei der Kompensation organischer Beeinträchtigungen. Die Miniaturisierung von IT-Systemen geht so weit, dass
demnächst einzelne Komponenten nicht mehr mit bloßem Auge wahrgenommen werden können (Nanotechnologie).
Das Handeln staatlicher und nicht-öffentlicher Stellen ist verstärkt darauf gerichtet, viele Daten ohne klare Zweckbestimmung zu sammeln, um sie anschließend vielfältig auszuwerten, beispielsweise um versteckte Risiken aufzudecken oder um persönliches Verhalten unbemerkt zu beeinflussen. Geht es der Wirtschaft etwa darum, durch
Scoring-Verfahren die Kundinnen und Kunden vorab einzuschätzen, gewinnt die immer exzessivere Registrierung
und automatisierte Beobachtung für staatliche Stellen an Bedeutung. In beiden Bereichen wird ganz normales Verhalten registriert, unabhängig von konkreten Gefahren oder Verdachtsmomenten. Auch diejenigen, die sich nichts haben
zu schulden kommen lassen, werden einem verstärkten Kontroll- und Anpassungsdruck ausgesetzt, der Einschüchterungseffekte zur Folge haben wird.
Der Schutz der Grundrechte, nicht zuletzt des Datenschutzes, dient in einer demokratischen Gesellschaft auch dem
Gemeinwohl und ist zunächst Aufgabe jeglicher Staatsgewalt. Darüber hinaus ist er eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe. Schließlich ist jede Bürgerin und jeder Bürger auch zur Eigenverantwortung aufgerufen. Hilfen zum informationellen Selbstschutz müssen zur Verfügung gestellt werden, die es den Betroffenen ermöglichen, eine Erfassung
ihres Verhaltens zu vermeiden und selbst darüber zu entscheiden, ob und wem gegenüber sie Daten offenbaren. Von
zunehmender Bedeutung sind auch Projekte, die das Datenschutzbewusstsein fördern, um vor allem jüngere Menschen von einem fahrlässigen Umgang mit ihren persönlichen Daten abzuhalten.
Alle diese Maßnahmen tragen zur Entwicklung einer neuen Datenschutzkultur bei. Voraussetzung dafür ist auch, dass
nicht länger versucht wird, die verfassungsrechtlichen Grenzen und Spielräume auszureizen. Stattdessen muss dem
Gebot der Datenvermeidung und -sparsamkeit Rechnung getragen werden.

BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008

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