Drucksache 16/12600

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K a s t e n zu Nr. 13.3.4
Das Schengener Informationssystem (SIS)
Das Schengener Informationssystem (SIS) ist das Kernstück der Ausgleichsmaßnahmen für den Wegfall der
Binnengrenzkontrollen zwischen den Schengen-Staaten.
Es enthält Sach- und Personenfahndungen sowie Ausschreibungen zur Einreiseverweigerung gemäß dem
Schengener Durchführungsübereinkommen. Technisch
besteht das SIS aus einer zentralen Unterstützungseinheit, dem sog. C.SIS in Straßburg und – als Kopie des
Zentralbestandes – den jeweiligen nationalen Teilen in
den Schengen-Staaten, dem sog. N.SIS.
Durch die Erweiterung des Schengen-Raumes um die
nordischen Länder Dänemark, Finnland, Schweden,
Norwegen und Island und dem damit einhergehenden
erhöhten Datenvolumen im SIS waren technische Anpassungen erforderlich, die mit der Inbetriebnahme des
SIS I+ Anfang 2000 realisiert wurden.
Um den zum 1. Mai 2004 der EU beigetretenen Mitgliedstaaten die Teilnahme am SIS zu ermöglichen, aber
auch, um das System an die wachsenden Anforderungen
bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität, des internationalen Terrorismus und der illegalen
Zuwanderung anzupassen, wurde im Jahr 2001 das
SIS II-Projekt begonnen. Das SIS II soll neue Funktionalitäten enthalten, die u. a. Abfragen nach biometrischen Daten, wie Fingerabdrücke und Lichtbilder, ermöglichen.
Da eine Inbetriebnahme des SIS II wegen technischer
und logistischer Probleme zum vorgesehenen Einführungstermin nicht möglich war, wurde als Zwischenlösung eine erweiterte Version des SIS I+, dass sog.
SISone4all, parallel zum SIS II entwickelt und im
Sommer 2007 in Betrieb genommen. Damit konnten die
neuen EU-Mitgliedstaaten am Schengener Fahndungsverbund als Voraussetzungen für den Wegfall der Binnengrenzkontrollen teilnehmen. Das SIS II soll, sobald
es betriebsbereit ist, das SISone4all ersetzen.
Mit der Inbetriebnahme des neuen SIS wird die datenschutzrechtliche Kontrolle für die technische Unterstützungseinheit und die SIS II-Datenbank in Straßburg auf
den Europäischen Datenschutzbeauftragten übergehen,
während die Kontrolle des nationalen Systems in
Deutschland, des N. SIS II, mir als für das BKA zuständige Kontrollinstanz obliegen wird. Ab diesem Zeitpunkt
werden auch die Regelungen der Artikel 92 bis 119 SDÜ
(Titel IV) außer Kraft treten, die bisher als Rechtsgrundlage für das SIS dienen. Damit wird die Gemeinsame
Kontrollinstanz von Schengen, beruhend auf Artikel 115 SDÜ, ihre Existenzberechtigung verlieren. Bevor
das SIS II in Wirkbetrieb gehen kann, bedarf es noch einer technisch komplexen Datenmigration vom geltenden
SIS I+ zum SIS II. Ich habe im Hinblick auf die schwerwiegenden Änderungen, die mit dem SIS II verbunden
sind, u. a. die Einführung weiterer biometrischer Daten

BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

wie Lichtbilder und Fingerabdrücke, eine umfassende
Vorabkontrolle der dadurch für den nationalen Teil des
SIS II entstehenden Folgen vom BMI bzw. BKA gefordert.
Die erheblichen Verzögerungen beim SIS II hätten bewirkt, dass die zehn neuen Mitgliedstaaten, die der EU im
Jahre 2004 beigetreten waren, weiterhin vom SchengenRaum ausgeschlossen wären. Um auch den Bürgerinnen
und Bürgern dieser Staaten die Grenzkontrollen an den
EU-Binnengrenzen zu ersparen, hat der JI-Rat am
6. Dezember 2007 beschlossen, die Kontrollen an den
Land- und Seegrenzen zu neun der neuen Mitgliedstaaten
ab dem 21. Dezember 2007 aufzuheben. Für den Luftverkehr wurde der 30. März 2008 als Stichtag für den Wegfall der Binnengrenzkontrollen bestimmt. Als Zwischenlösung musste jedoch das geltende SIS I+ auf bestehender
Plattform zu einem SISone4all-System ausgebaut werden, auf das auch die neuen Mitgliedstaaten lesenden und
schreibenden Zugriff erhalten. Am 12. Dezember 2008 ist
die Schweiz dem Schengen-Raum beigetreten, so dass
der Grenzverkehr zwischen Deutschland und seinen
Nachbarstaaten auf dem Landweg frei von Personenkontrollen abläuft.
Der von der Bundesregierung im September 2008 beschlossene Gesetzentwurf zum Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) war bis Redaktionsschluss noch nicht vom Bundestag verabschiedet. Er
enthält im Wesentlichen die notwendige Anpassung innerstaatlicher Vorschriften als Konsequenz der o. g. europäischen Rechtsakte zur Einrichtung des SIS II. Bei der
Vorbereitung des Gesetzentwurfs habe ich darauf gedrängt, dass die fortlaufende Duplizierung eines Teils des
Schengener Fahndungsbestandes für Zwecke des Ausländerzentralregisters (AZR) im Gesetz klargestellt werden
sollte. Das BMI hat diesen Vorschlag leider nicht aufgegriffen.
Der Entwurf des SIS-II-Gesetzes enthielt auch eine Anpassung des § 17 Absatz 3 BVerfSchG, eingefügt durch
das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 5. Januar 2007
(BGBl. I 2007 S. 2), mit dem den Nachrichtendiensten
erstmals die Befugnis zur Ausschreibung von Personen
und Sachen in INPOL sowie im SIS eingeräumt wurde
(21. TB Nr. 5.1.2). Da die Bezugnahme auf Artikel 99
Absatz 3 SDÜ wegen Aufhebung von Titel IV des Schengener Durchführungsübereinkommens obsolet wird, erfolgt nunmehr eine entsprechende Bezugnahme auf den
Beschluss 2007/533/JI des Rates vom 12. Juni 2007
(s. o.). Die Nachrichtendienste haben im Berichtszeitraum mit der Einstellung solcher Ausschreibungen im
SIS begonnen. Allerdings erfolgen diese vorerst im Wege
der Amtshilfe durch das BKA. Den Diensten steht jedoch
ein lesender Zugriff auf ihre Ausschreibungen offen. Ich
werde diese Praxis mit Blick auf das Trennungsgebot
sorgfältig beobachten.
Das SIS II wird in Folge neuer Funktionalitäten und erweiterter Daten, u. a. weiterer biometrischer Daten (s. o.),
zu einem Kernelement der Sicherheitsarchitektur der
25 angeschlossenen Vertragsparteien werden. Damit besteht die Gefahr, dass es sich zu einem zentralen polizeili-

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