Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

– 115 –

gesetzliche Aufgaben der Krankenkasse auf einen Dritten
übertragen werden und von diesem selbstverantwortlich
wahrgenommen werden. Bereits eine eigenständige Entscheidungskompetenz des Dritten oder der Umstand, dass
seine Arbeit mit einem Erfolgshonorar vergütet wird,
spricht dafür, dass keine Auftragsdatenverarbeitung vorliegt.
Deshalb muss im Einzelfall sorgfältig geprüft werden, ob
ein Dritter überhaupt eingeschaltet werden darf. Nach
§ 197b SGB V können Krankenkassen ihnen obliegende
Aufgaben durch Dritte wahrnehmen lassen, wenn dies
wirtschaftlicher ist, es im wohlverstandenen Interesse der
Versicherten liegt und deren Rechte nicht beeinträchtigt
werden (s. Kasten b zu Nr. 10.2.2). Kernaufgaben der
Kassen dürfen allerdings nicht Dritten in Auftrag gegeben
werden. So dürfen z. B. Beratungs- und Aufklärungsleistungen der Krankenkassen über Rechte und Pflichten der
Versicherten nach dem Sozialgesetzbuch, die die Kassen
gegenüber ihren Versicherten erbringen müssen (§§ 11
bis 15 SGB I), nicht an Dritte vergeben werden.
K a s t e n a zu Nr. 10.2.2
§ 80 Abs. 5 SGB X:
Die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten im Auftrag durch nichtöffentliche Stellen ist nur
zulässig, wenn
1. beim Auftraggeber sonst Störungen im Betriebsablauf auftreten können oder
2. die übertragenen Arbeiten beim Auftragnehmer erheblich kostengünstiger besorgt werden können und
der Auftrag nicht die Speicherung des gesamten Datenbestandes des Auftraggebers umfasst. Der überwiegende Teil der Speicherung des gesamten Datenbestandes muss beim Auftraggeber oder beim
Auftragnehmer, der eine öffentliche Stelle ist und die
Daten zur weiteren Datenverarbeitung im Auftrag an
nichtöffentliche Auftragnehmer weitergibt, verbleiben.
Hat die Kasse eine ihr obliegende Aufgabe zulässigerweise an einen Dritten übertragen, stellt sich die Frage, ob
und ggf. welche Versichertendaten dazu weitergegeben
werden dürfen. Sofern es sich um Angebote an die Versicherten für Patientenschulungsmaßnahmen, besondere
Behandlungsprogramme etc. handelt, dürfen Versichertendaten nicht ohne Weiteres dem Dritten übermittelt
werden. Hier muss zunächst die Kasse die Einwilligung
ihrer Versicherten zum Datentransfer einholen (s. hierzu
auch Beitrag unter Nr. 10.2.1).
Bei der Überprüfung von Krankenhausrechnungen durch
private Dienstleistungsunternehmen ist der Dienstleister
bei der Aufgabenerfüllung an die rechtlichen Grenzen gebunden, die auch für die Krankenkasse selbst gelten
(§ 284 SGB V). In manchen Fällen haben die Kranken-

Drucksache 16/12600

kassen keine eigene Befugnis zur Datenerhebung, wenn
es z. B. um medizinische Fragen und Beurteilungen geht.
Hier muss der medizinische Dienst der Krankenkassen
nach § 275 SGB V eingeschaltet werden, was dann auch
für den Dienstleister gilt. Ihm stehen keine gesonderten
Rechte zu.
Ein spezieller Fall der Public Private Partnership hat mich
in Form von sog. Arzt-Patienten-Potenziallisten beschäftigt, mit denen Teilnehmer an strukturierten Behandlungsprogrammen gewonnen werden sollen. So hat eine
große Krankenkasse niedergelassene Ärzte angeschrieben
und jeweils eine Liste der bei ihr versicherten Patienten
des betreffenden Arztes beigefügt. Diese Liste sollte der
Arzt um die Angaben ergänzen, ob bei dem Patienten
eine chronische Erkrankung vorliege und ob er für ein
entsprechendes von der Kasse angebotenes Behandlungsprogramm in Frage komme. Diese Vorgehensweise hat zu
erheblicher Verunsicherung bei der Ärzteschaft geführt.
Zwar sind die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet,
strukturierte Behandlungsprogramme für Versicherte mit
bestimmten chronischen Erkrankungen durchzuführen.
Hierzu hat der Gesetzgeber den Kassen die Möglichkeit
eröffnet, die Daten auszuwerten, die ihnen zu Abrechnungszwecken von ärztlichen Leistungen und Rezepten
zur Verfügung stehen und die in Frage kommenden Versicherten gezielt anzusprechen. Die Kassen dürfen allerdings nur die Daten auswerten, über die sie rechtmäßig
verfügen. Auch muss sich die Nutzung auf diejenigen Daten beschränken, die auf einem eindeutigen Auswertungsergebnis beruhen. Diesen Vorgaben entsprach das Verfahren aber nicht. Zum einen enthielten die Potenziallisten
auch Angaben über Versicherte, die bei dem angeschriebenen Arzt gar nicht in Behandlung waren, und zum anderen waren dort nicht nur die Versicherten aufgeführt,
bei denen von einer entsprechenden Erkrankung ausgegangen werden konnte. Darüber hinaus war zu bemängeln, dass es nicht nur zu einer unzulässigen Übermittlung von Versichertendaten gekommen war, sondern auch
die erbetene Rückantwort der Ärzte mit entsprechenden
konkreten Angaben über ihre Patienten eine unzulässige
Datenerhebung der Kasse darstellte. Die Kasse hat meiner Kritik inzwischen Rechnung getragen und das Verfahren eingestellt.
K a s t e n b zu Nr. 10.2.2
§ 197b SGB V:
Krankenkassen können die ihnen obliegenden Aufgaben
durch Arbeitsgemeinschaften oder durch Dritte mit
deren Zustimmung wahrnehmen lassen, wenn die Aufgabenwahrnehmung durch die Arbeitsgemeinschaften
oder den Dritten wirtschaftlicher ist, es im wohlverstandenen Interesse der Betroffenen liegt und Rechte der
Versicherten nicht beeinträchtigt werden. Wesentliche
Aufgaben zur Versorgung der Versicherten dürfen nicht
in Auftrag gegeben werden …

BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008

Select target paragraph3