Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

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Die datenschutzrechtlichen Bedenken, die von den Datenschutzbeauftragten der Länder geteilt werden (s. Entschließung der 74. Datenschutzkonferenz, Kasten a zu
Nr. 9.3), wurden im Gesetzgebungsverfahren leider nicht
berücksichtigt.
Auch hinsichtlich der Sicherheit des Authentifizierungsverfahrens über das ELSTER-Portal bin ich nach wie vor
skeptisch. Wie ich bereits im 21. TB (Nr. 4.4.1; 8.4) ausführlich berichtet habe, ist zwar gemäß § 87a
Absatz 3 AO die Zulassung der qualifizierten Signatur für
Steuerpflichtige obligatorisch; daneben kann aber gemäß
§ 87a Absatz 6 AO unter den näheren Voraussetzungen
der Steuerdatenübermittlungs-Verordnung (StDÜV) ein
anderes sicheres Verfahren zugelassen werden, das die
Authentizität und die Integrität des übermittelten elektronischen Dokuments sicherstellt. Bei der Beurteilung, ob
das ELSTER-Authentifizierungsverfahren diesen Anforderungen genügt, ist zu berücksichtigen, dass sich mit der
Entwicklung der Technik das Angriffspotential auch auf
für Dritte „interessante“ Daten erhöhen wird und deshalb
permanent Nachbesserungen des Authentifizierungsverfahrens erforderlich sein werden. Dementsprechend hat
die 76. Datenschutzkonferenz (s. Kasten b zu Nr. 9.3)
darauf hingewiesen, dass das Verfahren der qualifizierten
elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz im Hinblick auf die Authentizität und Integrität elektronisch
übermittelter Dokumente derzeit maßgeblich sein müsse.

Drucksache 16/12600

Außerdem müssten die Steuerpflichtigen die Möglichkeit
haben, ihre elektronische Kommunikation mit der
Finanzverwaltung durch die qualifizierte elektronische
Signatur abzusichern.
Erfreulich ist, dass das Vorhaben der ebenfalls durch das
Jahressteuergesetz vorgesehenen Einführung des sog. Anteilsverfahrens für Ehegatten nicht weiter verfolgt wurde.
Zur Durchführung des Anteilsverfahrens für die Einbehaltung der Lohnsteuer vom laufenden Arbeitslohn sollte auf
Antrag beider Eheleute auf jeder Lohnsteuerkarte der Prozentsatz eingetragen werden, der dem Anteil des Arbeitslohns des jeweiligen Ehegatten am Gesamtarbeitslohn beider Ehegatten entspricht. Damit hätte aber der Arbeitgeber
deutlich genauere Rückschlüsse auf das Einkommen des
jeweils anderen, nicht bei ihm beschäftigten Ehegatten,
ziehen können als nach geltendem Recht. Stattdessen sieht
das Jahressteuergesetz 2009 nur ein „optionales Faktorverfahren“ vor, welches Ehegatten, die der Steuerklasse IV zuzuordnen sind, anstelle der Kombination Klasse III/V auf
freiwilliger Basis beantragen können. Im Unterschied zum
Anteilsverfahren erfährt der Arbeitgeber der Ehegatten
hierdurch nicht den Prozentsatz in ganzen Zahlen, der dem
Anteil des jeweiligen Arbeitslohns am Gesamtarbeitslohn
beider Ehegatten entspräche, sondern lediglich die
Steuerklasse IV in Verbindung mit einem Faktor zur Ermittlung und Abführung der Lohnsteuer.
K a s t e n a zu Nr. 9.3

Entschließung der 74. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
vom 25./26. Oktober 2007
Zentrale Steuerdatei droht zum Datenmoloch zu werden
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hält es für inakzeptabel, dass die Bundesregierung mit dem Jahressteuergesetz 2008 im Schnelldurchgang ohne ausführliche parlamentarische Beratung die
beim Bundeszentralamt für Steuern aufzubauende zentrale Steuerdatei um zusätzliche – teilweise sensible – Daten
anreichern will. Zugleich droht die Steueridentifikationsnummer (Steuer-ID) bereits vor ihrer endgültigen Einführung
zu einem allgemeinen Personenkennzeichen zu werden.
Der Gesetzentwurf sieht die Ablösung des Lohnsteuerkartenverfahrens durch ein elektronisches Abrufverfahren
(ElsterLohn II) ab 2011 vor. Bereits am 9. November 2007 soll das Gesetz abschließend im Bundestag beraten werden. Geplant ist unter anderem, die in Zusammenhang mit der seit dem 1. Juli 2007 vergebenen Steuer-ID errichtete
Datenbank um weitere Daten zu ergänzen, etwa um die Religionszugehörigkeit, Ehepartner/Ehepartnerinnen/Kinder
und deren Steuer-ID, dazu Angaben über Steuerklassen. Hierbei werden auch zahlreiche Datensätze auf Vorrat aufgenommen, da auch Personen betroffen sind, die (noch) keine Arbeitnehmer/ Arbeitnehmerinnen sind.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordert vom Bundestag und Bundesrat, dieses Vorhaben der Umstellung auf ein elektronisches Verfahren mit dem Jahressteuergesetz 2008 nicht zu beschließen.
Folgende Punkte sind datenschutzrechtlich kritisch:
– Der durch die Vergabe der Steueridentifikationsnummer an alle Steuerpflichtigen und damit für alle Einwohnerinnen und Einwohner der Bundesrepublik entstehende Datenpool erhält eine neue Dimension. Zwar sind die Lohnsteuerabzugsmerkmale auch bisher auf der Lohnsteuerkarte vermerkt. Die Speicherung dieser Daten in einer zentralen Datenbank würde aber erhebliche datenschutzrechtliche Fragen aufwerfen. In den zentralen Datenbestand
würden die Daten aller Personen mit Lohnsteuerkarten einfließen, also auch von solchen Personen, die sich nicht
in einem lohnsteuerpflichtigen Beschäftigungsverhältnis befinden. Es ist zweifelhaft, ob die Aufnahme dieses Personenkreises dem Erforderlichkeitsgrundsatz entspricht. Nützlichkeitserwägungen sind für eine Datenhaltung auf
Vorrat in keinem Fall ausreichend.

BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008

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