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Die Rasterfahndung ist ein automatisierter Datenabgleich anhand von bestimmten Prüfungsmerkmalen, die
auf den Täter bzw. auf den potentiellen Täter vermutlich
zutreffen, mit verschiedenen Datenbeständen bei nichtpolizeilichen Stellen. Ziel ist es zum einen, Personen
auszuschließen, auf die die Merkmale nicht passen,
bzw. die Zahl der verdächtigen Personen durch das Herausfiltern derjenigen mit tätertypischen Merkmalen zu
verringern. Datenschutzrechtlich bedeutsam ist die Rasterfahndung vor allem deshalb, weil sie zunächst nicht
bei einer bekannten Zielperson ansetzt, sondern ganz
überwiegend Daten von Personen umfasst, für die keinerlei Verdachtsmomente vorliegen. Es handelt sich
mithin um ein Mittel zur Verdachtsgewinnung, und
nicht um ein klassisches Fahndungsinstrument. Selbst
die Personen, die anhand der vorgegebenen Prüfmerkmale im Raster hängen bleiben, sind damit nicht im
strafrechtlichen Sinne verdächtig, werden jedoch
gleichwohl von den Sicherheitsbehörden sorgfältig beobachtet und sehen sich einem besonderen Rechtfertigungsdruck ausgesetzt.
5.2.4

Verwendung erkennungsdienstlicher
Daten

Mit der Verwendung erkennungsdienstlicher Daten durch
die Polizeien des Bundes und der Länder habe ich mich
unter zwei Aspekten befasst: Mit der Verarbeitung erkennungsdienstlicher Unterlagen beim BKA (Nr. 5.2.4.1)
und mit dem Projekt „Fast Identification“ (Nr. 5.2.4.2),
bei dem getestet werden soll, ob mittels eines mobilen
Identifikationssystems Personen durch die Polizei schneller vor Ort erkennungsdienstlich überprüft werden können.
Die Erfassung bestimmter persönlicher Merkmale bei
Verdächtigen einer Straftat und zur Identitätsfeststellung
gehört zum polizeilichen Alltag. Bei den dabei festgehaltenen Daten handelt es sich z. T. um biometrische Merkmale (insb. Gesichtsbilder, Fingerabdrücke), die digital
gespeichert und zunehmend automatisiert ausgewertet
werden können (vgl. Nr. 4.5). Damit erhöht sich auch die
datenschutzrechtliche Relevanz erkennungsdienstlicher
Daten.
5.2.4.1 Verarbeitung von erkennungsdienstlichen Unterlagen der Polizeien des
Bundes und der Länder beim BKA
Das BKA muss ED-Daten löschen, wenn sie für die Zwecke der anliefernden Stelle nicht mehr erforderlich sind

Erkennungsdienstliches Material ist Bestandteil der kriminalpolizeilichen personenbezogenen Sammlung, die
das BKA gem. § 2 Abs. 4 BKA-Gesetz zur Erfüllung seiner Aufgabe als Zentralstelle der Polizeien des Bundes
und der Länder führt. Diese Daten entstehen bei den polizeilichen Vollzugsbehörden durch Anlegen eines Datensatzes – der sog. E-Gruppe – und durch Erstellen eines
Fingerabdruckblattes. Zu dem Datensatz wird eine Aussonderungsprüffrist vergeben. Datensatz und Fingerabdruckblatt werden dem BKA zur Speicherung bzw. Aufbewahrung übermittelt. Dieses vergibt dabei unabhängig
vom Aussonderungsprüfdatum der erhebenden Stelle eine
eigene Aussonderungsprüffrist, die in der Regel zehn
Jahre beträgt. Das BKA begründet diese Verfahrensweise
damit, dass es nach Bearbeitung des übersandten Fingerabdruckblattes den „Besitz“ an den angelieferten Daten
der E-Gruppe übernehme, die anliefernde Stelle daran lediglich „Mitbesitz“ behalte. Löscht die Stelle, die ursprünglich die erkennungsdienstlichen Daten erhoben
hat, den Datensatz nach Ablauf der dort vergebenen
– häufig kürzeren – Aussonderungsprüffrist, führt dies
nicht zu einer Löschung der entsprechenden Daten bei der
Zentralstelle BKA; nach Auffassung des BKA gibt die erhebende Stelle damit lediglich ihren „Mitbesitz“ auf. Der
Datensatz bleibe bis zum Eintritt der vom BKA vergebenen Aussonderungsprüffrist gespeichert. Somit kann auf
diese Daten weiterhin im Rahmen des polizeilichen Informationssystems INPOL zugegriffen werden, und sie dürfen nach Maßgabe der einschlägigen Regelungen des
BKA-Gesetzes an andere Stellen im In- und Ausland
übermittelt werden.
In den Regelungen des BKA-Gesetzes zur Führung von
INPOL gibt es keine Rechtsgrundlage für eine (Mit-)Besitztheorie und damit für die Vergabe einer eigenen Aussonderungsprüffrist durch die Zentralstelle BKA für die
erkennungsdienstlichen Daten, die von den Polizeibehörden des Bundes und der Länder in eigener Zuständigkeit erhoben und dem BKA lediglich zur Speicherung in
der kriminalpolizeilichen Sammlung übermittelt wurden. Die Dateien „Erkennungsdienst“ und „Automatisches Fingerabdruck-Identifizierungssystem – AFIS“
sind Bestandteil von INPOL. Für die Richtigkeit und
Aktualität der hier gespeicherten Daten trägt die Behörde, die die Daten erhoben und eingegeben hat, die
datenschutzrechtliche Verantwortung. Nur sie kann die
betreffenden Daten verändern oder löschen. Mit einer erkennungsdienstlichen Behandlung sind polizeiliche Ermittlungen der jeweils zuständigen Polizeibehörde verbunden. Nur diese kennt Art und Ausführung der Tat
sowie die Persönlichkeit des Betroffenen und kann entscheiden, ob gegen ihn künftig Strafverfahren zu führen
sind und wie lange deswegen eine Speicherung seiner
Daten zur Vorsorge erforderlich ist. Werden die Daten
bei der verantwortlichen Stelle gelöscht, kann die betreffende erkennungsdienstliche Speicherung im polizeilichen Informationssystem INPOL nur aufrecht erhalten
werden, soweit zu der betroffenen Person eigene ErBfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006

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K a s t e n zu Nr. 5.2.3

und auch beim BKA keine besonderen Gründe für die
fortdauernde Speicherung bestehen.

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polizeilich registriert werden. Auch wenn die Eingriffstiefe im Vergleich zur präventiven Rasterfahndung
geringer sein dürfte, sind die hieran gestellten verfassungsgerichtlichen Anforderungen bei einem weiteren
Ausbau der Videoüberwachung zu beachten bzw. würden
einem flächendekkenden Einsatz von Bildaufnahme- und
Bildaufzeichnungsgeräten entgegenstehen.

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