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– Die Möglichkeit für eine beschränkte bzw. verdeckte
Speicherung besteht nunmehr nicht mehr nur im Falle
besonderer Geheimhaltungsinteressen, sondern auch,
wenn besondere schutzwürdige Interessen des Betroffenen dies ausnahmsweise erfordern.
Diese Nachbesserungen sind datenschutzrechtlich zu begrüßen. Dies gilt ebenfalls für die – meinem Petitum folgende – gesetzliche Verpflichtung zur Evaluierung des
Gemeinsame-Dateien-Gesetzes unter Einbeziehung eines
wissenschaftlichen Sachverständigen, der im Einvernehmen mit dem Deutschen Bundestag zu bestellen ist. Kritisch zu bewerten ist jedoch die im Zuge der Nachbesserungen vorgenommene Verlängerung der ursprünglich
auf fünf Jahre befristeten Geltungsdauer des Gesetzes auf
zehn Jahre.
5.1.2

Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz 2006

Entgegen verfassungs- und datenschutzrechtlicher Bedenken werden die Befugnisse der Nachrichtendienste
durch das Gesetz zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes erneut erheblich erweitert.
Am 1. Dezember 2006 hat der Deutsche Bundestag das
Gesetz zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes (TBEG – Bundestagsdrucksache 16/2921) verabschiedet, mit dem die Bundesregierung die Konsequenzen aus dem vom Bundesinnenministerium erstellten
Evaluierungsbericht zum Terrorismusbekämpfungsgesetz (TBG – s. u. Nr. 5.5.1) zieht. Nach Artikel 22
Abs. 1 TBG waren die durch das TBG im Jahr 2002 neu
geschaffenen Befugnisse der Sicherheitsbehörden vor
Ablauf der Geltungsdauer dieses Gesetzes (10. Januar 2007) zu evaluieren (vgl. 20. TB Nr. 5.5.4).
Die Bundesregierung hat ihren Gesetzentwurf damit begründet, dass sich die durch das TBG neu geschaffenen
Befugnisse bewährt hätten und fortgelten müssten. Zudem seien weitere Verbesserungen bei der Terrorismusbekämpfung notwendig. Dies habe die Evaluierung ergeben. Diese Auffassung der Bundesregierung teile ich
nicht (s. u. Nr. 5.5.1).
Bei der am 6. November 2006 vom Innenausschuss des
Deutschen Bundestages durchgeführten öffentlichen
Sachverständigenanhörung habe ich verfassungs- und datenschutzrechtliche Bedenken insbesondere gegen die
folgenden Regelungen geltend gemacht:
– Artikel 1 Nr. 2 (§ 8a Bundesverfassungsschutzgesetz –
BVerfSchG (neu))
Gegenüber dem geltenden Recht (§ 8 Abs. 5 ff.
BVerfSchG) werden die materiellen Voraussetzungen
und Verfahrenssicherungen der Auskunftsbefugnisse

– Artikel 1 Nr. 4 Buchst. b (§ 17 Abs. 3 BVerfSchG (neu))
Durch diese Neuregelung soll dem BfV, MAD und
BND die Befugnis zur eigenständigen Ausschreibung
von Personen und Sachen im nationalen polizeilichen Informationssystem (INPOL) sowie im Schengener Informationssystem (SIS) gewährt werden. Nach geltendem
Recht (vgl. § 11 Abs. 2 BKAG) sind Nachrichtendienste
auf INPOL nicht zugriffsberechtigt – weder lesend
noch schreibend. Gegen eine Befugnis der Nachrichtendienste zur Ausschreibung in INPOL habe ich im
Hinblick auf das verfassungsrechtliche Trennungsgebot (s. o. Nr. 5.1) weiterhin erhebliche Bedenken.
– Artikel 3 Nr. 2 (§ 4a MADG (neu)); Artikel 4 Nr. 2
(§ 2a BNDG (neu))
Im Gegensatz zum geltenden Recht (vgl. § 10
Abs. 3 MADG, § 2 Abs. 1a BNDG) sollen die in § 8a
BVerfSchG – neu – geregelten Auskunftsbefugnisse
des BfV inhaltsgleich auf den MAD und BND übertragen werden. Die Erforderlichkeit dieser erheblichen
Befugniserweiterung von MAD und BND hat die Bundesregierung in dem von ihr vorgelegten Evaluierungsbericht (s. u. Nr. 5.5.1) nicht überzeugend dargelegt.
Aufgrund der Sachverständigenanhörung hat der Gesetzgeber den Entwurf des TBEG teilweise nachgebessert.
Wie von mir gefordert, müssen Betroffene zur Wahrung
ihrer Rechtsschutzmöglichkeiten nun auch über Auskunftsersuchen informiert werden, die an Luftverkehrsgesellschaften gerichtet worden sind.
Auf die datenschutzrechtlichen Defizite des TBEG-Entwurfs haben die Datenschutzbeauftragten des Bundes und
der Länder in ihrer Entschließung vom 26./27. Oktober 2006 hingewiesen (s. Kasten zu Nr. 5.1.2).
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006

ev
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– Die im Gesetz enthaltene Definition der „Kontaktpersonen“ wurde dahingehend begrenzt, dass ein nur
flüchtiger oder zufälliger Kontakt mit einer Zielperson
nicht ausreicht.

erheblich abgesenkt. Zukünftig können alle Nachrichtendienste des Bundes (Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), Militärischer Abschirmdienst (MAD)
und selbst der für Auslandsangelegenheiten zuständige Bundesnachrichtendienst (BND) unter wesentlich
erleichterten Voraussetzungen umfängliche Auskünfte bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistern, Luftverkehrsgesellschaften, Post- und Telekommunikationsunternehmen etc. einholen. Betroffen hiervon sind
auch Personen, bei denen nur ein vager Verdacht besteht, eine Person im Umfeld des Terrorismus zu unterstützen. Unter Verweis auf die Plenardebatte und
die Beratungen des Innenausschusses des Deutschen
Bundestages zum TBG habe ich darauf hingewiesen,
dass mit allen Auskunftsbefugnissen „schwerwiegende Eingriffsmöglichkeiten in Bürgerrechte“ (Bundestagsdrucksache 15/4694, Seite 4) verbunden sind.
So können durch Auskünfte von Luftverkehrsgesellschaften partielle Bewegungsprofile erstellt und aufgrund der Auskünfte von Kreditinstituten sämtliche
Finanztransaktionen eines Betroffenen unter Angabe
der jeweiligen Transaktionspartner und -zwecke erschlossen werden. Bereits die bloße Anfrage eines
Nachrichtendienstes kann zudem zur Stigmatisierung
des Betroffenen bei der um Auskunft ersuchten Stelle,
z. B. einer Bank, führen und damit erhebliche Nachteile bis hin zur Auflösung der Vertragsbeziehung zur
Folge haben.

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– Eine Erweiterung des Kreises der teilnahmeberechtigten Behörden auf weitere Polizeivollzugsbehörden der
Länder ist nunmehr abhängig vom Benehmen des
Bundesministeriums des Innern.

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