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Gerade in jüngster Zeit ist insbesondere durch den Fortschritt bei der Verknüpfung personenbezogener Daten mit
geographischen Angaben (sog. Georeferenzierung) das
Problem entstanden, dass mittels einer Anschrift das für
diesen geographischen Punkt verfügbare Wissen (z. B. regionale Kreditausfallwahrscheinlichkeiten, kartierte Daten über Gesundheitsrisiken oder Lebenserwartung) einer
dort wohnenden Person zugeordnet werden kann. Ebenso
werden zunächst anonymisierte Daten durch die Verbindung mit einer bestimmten Adresse den dort wohnenden
Personen zugerechnet.
So liefert das Kraftfahrtbundesamt (KBA) auf vertraglicher Basis Adressverlagen gegen Entgelt Daten über den
Bestand von Pkw und Krafträdern in mikrogeographischer Gliederung. Der Adressverlag als Auftraggeber liefert eine flächendeckende Gebäudedatei inklusive Mikrozellen (durchschnittlich 20 Haushalte) an das KBA. Das
KBA verknüpft diese Datei mit seinen eigenen Daten, indem Angaben über Pkw und Krafträder in die jeweiligen
Gebäude eingezählt und auf die Gebäude bezogenen Mikrozellen verdichtet werden. Diese Datei liefert das KBA
dann an den Auftraggeber.
Diese so aufbereiteten und ergänzten Daten werden von
den Adressverlagen an Wirtschaftsunternehmen verkauft,
die sie für Werbung, Markt− und Meinungsforschung
auswerten und für Kundenprofile verwenden. In diese
Scoreverfahren gehen auch die vom KBA übermittelten
Daten ein. Selbst ursprünglich statistische Angaben, wie
z. B. Bewohner eines bestimmten Hauses oder einer bestimmten Adresse seien zu 30 Prozent Eigentümer eines
bestimmten Fahrzeugtyps, sind nur solange nicht personenbezogen, wie damit lediglich der Bezug zu mehreren
Bewohnern bzw. Haushalten hergestellt wird. Werden
diese Daten jedoch mit der Information verbunden, dass
eine bestimmte Person an einer Adresse wohnt, so werden mit der individuellen Zuordnung der Wahrscheinlichkeiten die Daten personenbezogen. Spätestens jetzt finden die Vorschriften des BDSG Anwendung. Ein
Auskunftsersuchen des Betroffenen vor diesem Zeitpunkt
geht allerdings bislang ins Leere, da es insoweit an dem
Personenbezug mangelt. Welche Informationen in den
Scorewert eingeflossen sind, wie diese bewertet und an
Dritte weitergegeben wurden, bleibt deshalb dem Betroffenen verborgen.
Die Verknüpfung von ursprünglich anonymisierten Informationen mit Identifikationsdaten oder mit georeferenzierten Daten bedarf dringend einer Regelung. Ich halte
Während sich bisher der Kreis der Geschäftspartner der
klassischen Auskunfteien auf die kreditgebende Wirtschaft (Bankenbereich, Telekommunikationsunternehmen, Versandhandel) beschränkt hat, öffnen sich die Auskunfteien verstärkt auch anderen Sparten, die ebenfalls an
der Bonität ihrer Kunden interessiert sind, obwohl sie
kein kreditorisches Risiko eingehen. So hat z. B. die
SCHUFA sowohl die Wohnungswirtschaft als auch die
Versicherungswirtschaft, entgegen dem Votum der Datenschutzaufsichtsbehörden, an ihr Auskunftssystem angeschlossen.
Ganz überwiegend tragen Versicherungen kein über das
allgemeine wirtschaftliche Risiko (in Form von Bearbeitungsgebühren oder Ertragserwartungen) hinausgehendes kreditorisches Risiko. Zahlt der Versicherte seine Versicherungsprämie nicht, erlischt der Versicherungsschutz.
Der Versicherer wird von seiner Leistungspflicht befreit,
er muss grundsätzlich nicht in Vorleistung treten. Die
Wohnungswirtschaft sichert sich gegen Mietausfälle mittels Mietvorauszahlungen ab.
Die immer weitere Ausdehnung der Vertragspartner der
Auskunfteien bedeutet eine noch breitere Streuung personenbezogener Daten praktisch aller Bürgerinnen und Bürger. Die Betroffenen werden in zunehmendem Maße und
ohne ihr Wissen und Wollen in ihrem Verhalten abgebildet. Da Daten aus immer mehr Bereichen in den Datenbestand der Auskunfteien eingehen und auch abgerufen
werden können, verschärft sich das Problem der Profilbildung. Ein negativer Eintrag in die Auskunfteisysteme, ob
berechtigt oder unberechtigt, kann etwa dazu führen, dass
der Betroffene keine Wohnung findet oder er keine Versicherungspolice bekommt.
Das Vorliegen eines kreditorischen Risikos sollte als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Datenübermittlung von
Auskunfteien an Dritte in das BDSG explizit aufgenommen werden, damit nicht jegliche Branchen bis hin zu potentiellen Arbeitgebern diverse Informationen bei Dritten
über das Gegenüber einholen können, die für andere
Zwecke erhoben wurden.
Branchenspezifische Auskunftssysteme
Nach geltendem Recht dürfen Daten, die eine Auskunftei
in ihrem System gespeichert hat, an einen Dritten übermittelt werden, wenn dieser ein berechtigtes Interesse an
der Kenntnis der Daten glaubhaft machen kann und der
Betroffene kein schutzwürdiges Interesse an der Nichtübermittlung hat. Diese generelle Regelung hat dazu geführt, dass Auskunfteien Zentraldateien mit umfassenden
Informationen aufgebaut haben, auf die alle Partner der
Auskunfteien ungefiltert Zugriff nehmen können.
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006
s
Gesetzliche Regelung für die Erhebung anonymisierter und georeferenzierter Daten
Keine Auskunft ohne das Vorliegen eines
kreditorischen Risikos
ev
i
Nur unter diesen Voraussetzungen erhält der Betroffene
die Möglichkeit, die Merkmale zu überprüfen und ggf.
richtig zu stellen und bestimmte negativ gewichtete Faktoren gegenüber dem Vertragspartner zu erläutern.
es für erforderlich, auch die Verwendung georeferenzierter Daten dem Anwendungsbereich des BDSG zu unterwerfen und angemessen zu schützen.
R
wird, kann es nicht ausreichen, den gerade aktuellen
Wert zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung an den
Betroffenen zu erfahren.