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K a s t e n zu Nr. 6.5
Entschließung der 71. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 16. bis
17. März 2006 in Magdeburg
Keine Aushöhlung des Fernmeldegeheimnisses im Urheberrecht
Das Bundesministerium der Justiz hat den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung
von Rechten des geistigen Eigentums“ vorgelegt, das in Umsetzung einer europäischen Richtlinie stärkere Instrumente zum Schutz des Urheberrechts und anderer gewerblicher Schutzrechte einführen soll.
Der Gesetzentwurf gesteht den Rechteinhabenden in bestimmten Fällen Auskunftsansprüche auch gegenüber unbeteiligten Dritten zu, die selbst keine Urheberrechtsverletzungen begangen haben. So sollen etwa Internet-Provider
auch über – durch das Fernmeldegeheimnis geschützte – Daten ihrer Nutzerinnen und Nutzer zur Auskunft verpflichtet werden. Damit sollen beispielsweise Anbietende und Nutzende illegal kopierter Musik- oder Videodateien oder
Software leichter ermittelt werden können.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder warnen vor der hiermit eingeleiteten Entwicklung. Zwar
sind die vorgesehenen Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis in dem Entwurf an formale Hürden geknüpft; insbesondere müssen Rechteinhabende eine richterliche Anordnung erwirken. Jedoch lassen die europarechtlichen Vorgaben
den Mitgliedstaaten zugunsten des Datenschutzes so viel Spielraum, dass Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis vermieden werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass gemeinschaftsrechtliche Spielräume zu nutzen sind.
Nachdem das grundrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis in den letzten Jahren immer stärker und in immer kürzeren Abständen für Zwecke der Strafverfolgung und der Geheimdienste eingeschränkt wurde, soll es nun auch erstmals zugunsten privater wirtschaftlicher Interessen nicht unerheblich weiter eingeschränkt werden. Es ist zu befürchten, dass damit ähnliche Begehrlichkeiten weiterer privater Interessengruppen geweckt werden. Dem grundrechtlich
geschützten Fernmeldegeheimnis unterliegende Daten stünden am Ende der Entwicklung für kaum noch zu übersehende Zwecke zur Verfügung.
Es ist zu befürchten, dass durch die Auskunftsansprüche gegen Internet-Provider die gerade für die Verfolgung
schwerer Straftaten beschlossene Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung von Verkehrsdaten für die Durchsetzung
privater Interessen genutzt wird. Angesichts der Tendenz, die Internet-Anbietenden in immer stärkerem Maße für die
Kommunikationsinhalte ihrer Kunden verantwortlich zu machen, ist zudem zu befürchten, dass die Firmen vorsichtshalber weitere Verkehrsdaten speichern, um im Falle von Rechtsverletzungen Auskünfte erteilen zu können.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder appellieren deshalb an die Bundesregierung und an den Gesetzgeber, auf eine weitere Einschränkung des Fernmeldegeheimnisses – erstmals zur Durchsetzung wirtschaftlicher
Interessen – zu verzichten. Es wäre völlig unakzeptabel, wenn Daten, deren zwangsweise Speicherung mit der Abwehr terroristischer Gefahren begründet wurde, nun auf breiter Basis für die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen genutzt würden. Musik- und Filmindustrie müssen selbst dafür Sorge tragen, dass durch technische Maßnahmen
und neue Geschäftsmodelle unrechtmäßigen Nutzungen die Grundlage entzogen wird.
würde faktisch dem Dritten die Prüfung überlassen, ob
die Voraussetzungen für seine Auskunftspflicht vorliegen.
Es wäre dann offenbar ausreichend, dass der Rechteinhaber schlüssig einen Sachverhalt vorträgt, der das Auskunftsbegehren rechtfertigt. Die Argumentation des BMJ,
vom Richtervorbehalt sei aufgrund einer Vielzahl von zu
erwartenden Auskunftsbegehren und der damit verbundenen sehr hohen Belastung der Gerichte abzusehen, vermag mich nicht zu überzeugen. Eine mögliche Belastung
der Gerichte kann nicht zum Verzicht auf das nach dem
Verhältnismäßígkeitsgrundsatz Gebotene führen. Zudem
ist es gerade wegen der prognostizierten hohen Zahl von
Auskunftsbegehren unabdingbar, diese rechtsstaatliche
Hürde vorzusehen, um Missbrauch zu verhindern.
6.6
Digitales Rechtemanagement
Das Digitale Rechtemanagement (DRM) darf nicht den
„gläsernen Nutzer“ zur Folge haben!
Das Urheberrecht soll das geistige Eigentum schützen,
egal ob es sich dabei um Musikstücke, Filme oder auch
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006
Computerprogramme handelt. Noch vor wenigen Jahren
war nicht absehbar, dass mit seiner Durchsetzung erhebliche Eingriffe in den Datenschutz verbunden sein könnten,
vor allem im Hinblick auf die Registrierung des Nutzungsverhaltens. Digitalisierung bedeutet stets auch Entmaterialisierung von Information. Waren bei den traditionellen Verbreitungswegen die Daten fest an ein
Trägermedium gebunden (Bücher, Zeitungen, Filme),
sind digitalisierte Daten verlustfrei reproduzierbar. Die
Möglichkeiten zur elektronischen Vervielfältigung haben
erhebliche Auswirkungen auf den Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken. Mit den heutigen technischen Mitteln ist es selbst Kindern und Jugendlichen
möglich, geschützte Werke zu vervielfältigen oder über
das Internet zu verbreiten, Musikstücke genauso wie
Computerprogramme oder ganze Filme.
Bereits im 20. TB (Nr. 7.12.2) hatte ich über den Entwurf
eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts
in der Informationsgesellschaft (so genannter „Zweiter
Korb“) berichtet, über den der Bundestag jedoch wegen
der verkürzten 15. Legislaturperiode nicht mehr entschie-
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