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Arbeitsverwaltung
13.5.1 Hartz IV und Missbrauchskontrolle
Das beherrschende Thema im Bereich der Arbeitsverwaltung ist nach wie vor „Hartz IV“. Die Kostenentwicklung
führte zur Ausweitung der gesetzlichen Kontrollmaßnahmen gegenüber den Leistungsempfängern.
Im 20. TB (Nr. 16.1 f.) hatte ich ausführlich über die mit
dem „Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt“ (Hartz IV) bewirkte Zusammenlegung von
Arbeitslosen- und Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige zu einer einheitlichen „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ und die damit verbundenen vielfältigen datenschutzrechtlichen Probleme berichtet. Auch in diesem
Berichtszeitraum hat die Thematik wieder eine große
Rolle gespielt. Im Mittelpunkt standen dabei die intensive
Suche nach Lösungen für die monierten Mängel und die
im Sommer 2005 aufgekommene Missbrauchsdebatte,
bei der es um die angeblich massive unberechtigte Inanspruchnahme von Sozialleistungen ging.
Um dies zu untersuchen, startete die Bundesagentur für
Arbeit (BA) im Juli 2005 über externe Call-Center eine
unangekündigte, breit angelegte Telefonbefragungsaktion
bei Alg-II-Empfängern, die zu Recht auf Kritik bei vielen
Betroffenen stieß. Ziel dieser Befragung war die aktuelle
Weiter sollen nach der Neuregelung die Arbeitsgemeinschaften nach dem SGB II (ARGEn) einen Außendienst
einrichten (§ 6 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Dessen Aufgabe
ist, Sachverhalte zu überprüfen, die nicht allein aufgrund
der Aktenlage beurteilt werden können. Derartige Hausbesuche tangieren das Grundrecht aus Artikel 13 GG auf
Unverletzlichkeit der Wohnung. Sie sind deshalb nur
dann zulässig, wenn sie konkret erforderlich, geeignet
und verhältnismäßig sind. Keinesfalls dürfen derartige
Besuche im Rahmen einer routinemäßigen Überprüfung
(z. B. bei Erstantrag) erfolgen. Ich habe in diesem Zusammenhang verbindliche, allgemeine Handlungsanweisungen für die Außendienstmitarbeiter gefordert, damit ein
einheitliches, transparentes Vorgehen gewährleistet ist.
Schließlich erweitert das Gesetz die Möglichkeiten zum
automatisierten Datenabgleich in § 52 SGB II. So ist nach
Abs. 1 Nr. 3 auf der Grundlage der Zinsinformationsverordnung im Wege des Datenabgleichs zu prüfen, ob
ALG-II-Empfänger über bislang verschwiegene Konten
oder Depots im EU-Ausland verfügen. Solche präventiven Datenabgleiche zum Zwecke der VerdachtsschöpBfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006
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13.5
Auch wenn die Telefonbefragungsaktion den angeblichen
Missbrauch im großen Stil nicht nachweisen konnte, wurden Rufe nach mehr Kontrolle laut. Das am
1. August 2006 in Kraft getretene „Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ (Fortentwicklungsgesetz; BGBl. I S. 1706) enthält weit reichende neue Möglichkeiten zur Kontrolle der
Leistungsempfänger. Diese Instrumente tangieren das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung. So ist in
Bezug auf die telefonische Befragung über eine Ergänzung des § 51 SGB II die Möglichkeit geschaffen worden, zur Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB II einschließlich der Bekämpfung von Leistungsmissbrauch
Dritte zu beauftragen und diesen die insoweit erforderlichen Sozialdaten zu übermitteln.
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Ein weiterer Schwerpunkt der Kontrolle war die Überprüfung der zum Schutz personenbezogener Daten bzw. Sozialdaten getroffenen technischen und organisatorischen
Maßnahmen (§ 78a SGB X; § 9 sowie Anlage zu § 9
Satz 1 BDSG) im Verwaltungs- und Personalbereich sowie im ärztlichen Bereich der Klinik. Mein besonderes
Augenmerk galt dabei den verschiedenen im ärztlichen
Bereich eingesetzten medizinisch-technischen Geräten,
mit denen sensible Gesundheitsdaten verarbeitet werden.
Nach meinen Feststellungen vor Ort fehlte es hier noch an
den notwendigen Datensicherungs- bzw. Datenschutzkonzepten. Ich habe der Deutschen Rentenversicherung
Bund daher empfohlen, entsprechende Konzepte einheitlich für die Reha-Zentren zu erstellen und meine Beratung bei der Konzeption angeboten. Meine datenschutzrechtlichen Hinweise und Empfehlungen zu diesen und
anderen Gesichtspunkten wurden von der Deutschen
Rentenversicherung Bund positiv aufgenommen, so dass
ich von einer zügigen Umsetzung ausgehe.
Bestandsklärung bezüglich des Arbeitslosenstatus. „Cold
Calling“, also Telefonanrufe ohne Vorwarnung, sind datenschutzrechtlich aber bedenklich. Ich forderte daher die
BA auf, die Befragungsaktion auszusetzen, bis die Betroffenen vorab schriftlich über die geplanten Anrufe informiert worden seien. Ich wies darauf hin, dass erst eine
detaillierte Information, in der die Rechtsgrundlage, der
Zweck des Verfahrens und die vorgesehene Legitimation
und Authentifizierung der anrufenden Mitarbeiter des
Call-Centers genannt werden, es dem Betroffenen ermöglicht, nach gründlicher Abwägung über eine Teilnahme
zu entscheiden. Nach meiner Prüfung war auf die Freiwilligkeit der telefonischen Auskunftserteilung häufig nicht
hingewiesen worden. Auch der Legitimationsnachweis
der Interviewer war nicht hinreichend. Eine rechtsmissbräuchliche Beschaffung von Daten durch „Trittbrettfahrer“ war danach nicht auszuschließen. Schließlich forderte ich wegen der Sozialdaten, die bei der Befragung
anfielen, dass die BA in den Call-Centern nur eigene Mitarbeiter einsetzt. Die BA griff meine Kritikpunkte erfreulicherweise auf und führte das Verfahren in datenschutzgemäßer Weise fort. Bei der Kontrolle eines Call-Centers
in Hamburg habe ich mir hiervon selbst ein Bild gemacht.
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Anknüpfend an verschiedene vorausgegangene Beratungs- und Kontrollbesuche von Rehabilitationseinrichtungen der Deutschen Rentenversicherung Bund
(vgl. 19. TB Nr. 25.3, 20. TB Nr. 18.2.2) habe ich im Berichtszeitraum die personenbezogene Datenverarbeitung
in einer weiteren Rehabilitationsklinik des Rentenversicherungsträgers kontrolliert. Der Besuch hatte zum Ziel,
die Umsetzung der unter meiner Beteiligung erarbeiteten
„Richtlinien für den Datenschutz in den Reha-Zentren der
Deutschen Rentenversicherung Bund“ (vgl. 19. TB
Nr. 25.1) in der Praxis zu überprüfen und insbesondere
festzustellen, ob die in der Vergangenheit im Verwaltungsbereich einer anderen geprüften Klinik aufgetretenen Mängel nunmehr abgestellt sind.