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Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen Daten ihrer Versicherten nur ohne Personenbezug an Hersteller übermitteln.
Mehrere Petenten haben mich auf die von gesetzlichen
Krankenkassen praktizierte Weitergabe von Sozialdaten
inklusive Diagnosedaten an Hersteller von Heil- und
Hilfsmitteln oder auch an so genannte private „Hilfsmittelberater“ aufmerksam gemacht. Die Anfragen betreffen
folgende Fallkonstellationen:
– Sozialdaten von Versicherten werden an Hersteller
von Rollstühlen zur Erstellung von Kostenvoranschlägen weitergeleitet.
– Bei der Versorgung mit Hilfsmitteln werden so genannte „Hilfsmittelberater“ beauftragt, ein technisches
Gutachten zu erstellen. Die entsprechenden Sozialdaten einschließlich Diagnosedaten werden dem „Hilfsmittelberater“ von der Krankenkasse zur Verfügung
gestellt. Musterverträge mit Hilfsmittelberatern liegen
mir vor.
– Gesetzliche Krankenkassen fordern von Herstellern
orthopädischer Produkte Bildmaterial der Patienten,
um den Einsatz von nicht konfektionierten Sonderanfertigungen (wie z. B. Brustprothesen) besser beurteilen zu können.
– Bei der Versorgung mit Hilfsmitteln wird von einer
Krankenkasse im Zusammenhang mit einem entsprechenden Antrag ein Vergleichsangebot bei anderen
Herstellern eingeholt. Dabei werden die Sozialdaten
des Versicherten einschließlich der Diagnosedaten
übermittelt.
Die Krankenkassen begründen diese Übermittlung überwiegend mit dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot
(§ 12 SGB V). Diese Vorschrift gibt den Krankenkassen
vor, dass Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Demgegenüber habe ich erhebliche Zweifel, ob eine Übermittlung von derart sensiblen Sozialdaten auf diese
allgemeinen Grundsätze gestützt werden kann.
Vertragliche Kontakte zu Leistungserbringern sind in
§ 127 SGB V geregelt. Nach § 127 Abs. 2 SGB V können die Kassen zwar Verträge mit einzelnen Leistungserbringern schließen, in diesen Fällen ist allerdings lediglich eine allgemeine Information der Versicherten und der
Leistungserbringer vorgesehen (§ 127 Abs. 2 Satz 3,
2. Hs. und Abs. 3 SGB V). Eine Befugnis zur Übermittlung von Sozialdaten an Hersteller von Heil- und Hilfsmitteln sehe ich in § 127 SGB V ebenfalls nicht.
Vor diesem Hintergrund gibt es keinen Raum für die Begutachtung von Versicherten durch externe „Hilfsmittelberater“ im Auftrag einer gesetzlichen Krankenkasse. Mit
dem Abschluss von Verträgen zwischen Krankenkasse
und „Hilfsmittelberatern“ im Einzelfall wird meines Erachtens der gesetzliche Auftrag des MDK vielmehr umgangen.
Eine Lösungsmöglichkeit könnte darin bestehen, dass
Versicherte, insbesondere bei aufwendigen, nicht konfektionierten Hilfsmitteln gebeten werden, der Kasse sowohl
ein Angebot des Hilfsmittelherstellers ihrer Wahl, als
auch (alternativ) ein Angebot des von der Kasse vorgeschlagenen Herstellers mit dem Leistungsantrag vorzulegen. Die Kasse könnte dann eine Kostenzusage auf der
Grundlage des wirtschaftlichsten Angebotes abgeben.
Auch bestehen keine Bedenken, wenn die Kasse auf
Wunsch des Versicherten tätig wird. Entsprechende interne Vorgaben sind von einer Krankenkasse bereits umgesetzt. Diese Praxis belegt, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Versorgung von Versicherten mit Heil- und
Hilfsmitteln umgesetzt werden kann, ohne deren Sozialdaten weiterzugeben.
Die dargestellten Fallkonstellationen sowie meine datenschutzrechtliche Bewertung habe ich mit dem BMG
erörtert und im Gesetzgebungsverfahren zur Gesundheitsreform vorgetragen. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung (Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) ist daher vorgesehen, dass von Krankenkassen bei anderen
Leistungserbringern in pseudonymisierter Form Preisangebote eingeholt werden können. Ich erwarte, dass im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform eine datenschutzgerechte gesetzliche Klarstellung erfolgt.
13.1.6 „Freier Eintritt“ bei Vorlage der
Krankenversichertenkarte
Eine andere als die gesetzlich vorgegebene Nutzung der
Krankenversichertenkarte ist mit dem Datenschutz nicht
vereinbar.
Gleich in mehreren Eingaben bin ich im Jahr 2005 darauf
hingewiesen worden, dass einzelne Krankenkassen im
Rahmen von Mitgliederbindungs- oder -werbungsaktionen (Bonusprogramme) mit der Inanspruchnahme vergünstigter Leistungen kommerzieller Geschäftspartner lediglich gegen Vorlage des Krankenversichertenausweises
geworben haben. Versicherte konnten so Preisnachlässe
auf bestimmte Fitness-Artikel, einen vergünstigten oder
gar kostenlosen Eintritt zu einem Fußballspiel oder in eiBfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006
ev
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13.1.5 Kostendämpfungsmaßnahmen bei Heilund Hilfsmitteln – um jeden Preis?
Auch für die Weitergabe von Sozialdaten an externe
„Hilfsmittelberater“ zur Begutachtung der Versicherten
vermag ich eine gesetzliche Grundlage für deren Tätigwerden nicht zu erkennen. Die abgeschlossenen Verträge
können eine gesetzliche Grundlage nicht ersetzen.
§ 275 SGB V gibt den Krankenkassen u. a. vor, wenn es
bei der Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung der Voraussetzungen sowie Art und Umfang der
Leistung erforderlich ist, eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einzuholen (§ 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V).
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Ich begrüße sehr, dass der Gesetzgeber mit der Regelung
des § 137a SGB V diesen Anforderungen weitgehend
Rechnung getragen hat. Damit wird die Qualitätssicherung auf eine datenschutzrechtlich einwandfreie Grundlage gestellt.